- Wilhelm Gutermuth (Mediziner)
-
Wilhelm „Willi“ Gutermuth (* 31. März 1905 in Frankfurt am Main; † 5. Mai 1982) war ein deutscher Internist.
Inhaltsverzeichnis
Leben und Wirken
Gutermuth musste aufgrund finanzieller Schwierigkeiten den Besuch der Oberrealschule in Frankfurt am Main vorzeitig abbrechen und absolvierte danach eine Ausbildung bei einer Getreide-Großhandels-Firma. Nebenher holte er das Abitur nach und studierte ab 1928 Medizin. Anschließend wurde er Internist. Im November 1939 wurde Gutermuth durch Wilhelm Nonnenbruch Oberarzt und stellvertretender Direktor der Universitätsklinik Frankfurt am Main.[1] Gutermuth promovierte 1940 an der Universität Frankfurt am Main zum Dr. med.
Ab 1933 gehörte Gutermuth der NSDAP und der SS an (SS-Nr. 223.840). In der SS erreichte Gutermuth 1941 den Rang eines SS-Untersturmführers.[2]
Gutermuth wurde 1942 vom Generalkommissar für das Sanitäts- und Gesundheitswesen Karl Brandt als „Bevollmächtigter für ärztliche Sonderaufgaben in der Rüstungsindustrie“ damit beauftragt den Krankenstand in allen kriegswichtigen Betrieben - insbesondere der Rüstungsindustrie - durch besondere Sonderkommandos von Kontrollärzten aus dem Vertrauensärztlichen Dienst überprüfen zu lassen und systematisch zu senken, um so dem sich zu dieser Zeit verschärfenden Personalmangel der deutschen Kriegswirtschaft entgegenzuwirken. Die Überprüfung der vorgeladenen Erkrankten erfolgte dabei im Akkordbetrieb in Reihenuntersuchungen die jeweils auf etwa neun Minuten veranschlagt waren. Kennzeichnend für diese Aktion Gutermuth war eine rigorose Gesundschreibungspraxis, die von der Auffassung geleitet war, dass es „im Hinblick auf die Opfer an der Front in Kauf zu nehmen“ sei, „dass der eine oder andere Volksgenosse durch die Arbeit daheim gesundheitliche Schäden erleidet oder seine Arbeitskraft früher erschöpft.“[3] Es wurden also langfristige gesundheitliche Schäden zugunsten einer schnellen Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess in Kauf genommen. Bis Mai 1943 konnten Gutermuths Vertrauensärzte auf diese Weise etwa 200.000 Arbeitskräfte für kriegswichtige Arbeiten wiedergewinnen. 1944 wurde die Aktion aufgrund der durch den Bombenkrieg und der damit einhergehenden Behinderung von Postzustellungen nur noch bedingt rational organisierbaren Vorladungspraxis und aufgrund der zunehmenden Tendenz von Hausärzten die Zusammenarbeit mit Kontrollärzten zu verweigern - die ihren Hintergrund in der exorbitanten Vergütung der Kontrollärzte hatte - eingestellt. Winfried Süss hält die Aktion Gutermuth mit Blick auf die Geschichte von Medizin und Kriegswirtschaft im Nationalsozialismus aus drei Gründen für bemerkenswert: Einmal habe die der Aktion mit ihrer „bis dahin unerreichte[n] Unbarmherzigkeit in der Gesundschreibungspraxis den rapide gesunkenen Stellenwert des Rationalitätskriteriums Gesundheit gegenüber dem des Arbeitseinsatzes deutlich" gemacht. Zweitens habe sie „auf die zunehmend verengten Handlungsspielräume eines Regimes“ verwiesen, „das die ihm zur Verfügung stehenden Ressourcen längst bis zur Neige ausgeschöpft“ hatte. Und zuletzt habe die Aktion „eine weitere Eskationsstufe im gesundheitspolitischen Kompetenzkonflikt zwischen Conti, Brandt und Ley“ markiert.[4]
Im Herbst 1943 wurde Gutermuth außerdem Chefarzt der Krankenhaussonderanlagen der Aktion Brandt in Köppern.[2] Von Kollegen wurde Gutermuth als „rigoros und gewalttätig“ beschrieben.[4]
Noch vor Kriegsende setzte sich Gutermuth samt Familie nach Rodheim vor der Höhe ab und übernahm dort eine Landarztpraxis. Der von der US-Armee Ende März 1945 eingesetzte Frankfurter Bürgermeister Wilhelm Hollbach entband Gutermuth am 6. April 1945 von seinen Funktionen und betrieb ab dem 13. April 1945 Gutermuths Verhaftung aufgrund des Verdachts auf „Krankentötungen“.[5] Gutermuth wurde verhaftet und im Juli 1945 durch den Counter Intelligence Corps in das Internierungslager Darmstadt verbracht, wo er bis 1948 festgehalten wurde. Die Ermittlungen gegen Gutermuth blieben ergebnislos.[6] Er wurde 1947 als Mitläufer entnazifiziert.[7] Gutermuth wurde als Zeuge bei den Nürnberger Prozessen vernommen.
Schriften
- Über das Ineinandergreifen von Glykolyse und Oxydation bei der Zuckerverbrennung in der Zelle, Medizinische Dissertation, Frankfurt am Main 1940.
Literatur
- Ute Daub: „Krankenhaus-Sonderanlage Aktion Brandt in Köppern im Taunus“ - Die letzte Phase der „Euthanasie“ in Frankfurt am Main. In: Psychologie & Gesellschaft, Nr. 2/1992. (pdf)
- Norbert Frei: Medizin und Gesundheitspolitik in der NS-Zeit. Sondernummer Schriftenreihe der Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte. Oldenbourg-Verlag, München 1991, ISBN 3-486-64534-X.
- Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich. 2. Auflage. Fischer-Taschenbuch-Verlag, Frankfurt am Main 2007, ISBN 978-3-596-16048-8.
- Winfried Süß: Der "Völkskörper" im Krieg: Gesundheitspolitik, Gesundheitsverhältnisse und Krankenmord im nationalsozialistischen Deutschland 1939–1945, Oldenbourg Verlag, München 2003. ISBN 3-486-56719-5.
Einzelnachweise
- ↑ Ute Daub: „Krankenhaus-Sonderanlage Aktion Brandt in Köppern im Taunus“ - Die letzte Phase der „Euthanasie“ in Frankfurt am Main, 1992, S. 48
- ↑ a b Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich, Frankfurt am Main 2007, S. 211.
- ↑ Jens Marti Rohrbach: Augenheilkunde im Nationalsozialismus, 2007, S. 164.
- ↑ a b Winfried Süß: Der "Völkskörper" im Krieg: Gesundheitspolitik, Gesundheitsverhältnisse und Krankenmord im nationalsozialistischen Deutschland 1939-1945, München 2003, S. 251
- ↑ Ute Daub: „Krankenhaus-Sonderanlage Aktion Brandt in Köppern im Taunus“ - Die letzte Phase der „Euthanasie“ in Frankfurt am Main, 1992, S. 52
- ↑ Ute Daub: „Krankenhaus-Sonderanlage Aktion Brandt in Köppern im Taunus“ - Die letzte Phase der „Euthanasie“ in Frankfurt am Main, 1992, S. 54
- ↑ Ute Daub: „Krankenhaus-Sonderanlage Aktion Brandt in Köppern im Taunus“ - Die letzte Phase der „Euthanasie“ in Frankfurt am Main, 1992, S. 55
Wikimedia Foundation.