Wilhelm Heckmann

Wilhelm Heckmann

Wilhelm Heckmann (* 26. Juni 1897 in Wellinghofen; † 10. März 1995 in Wuppertal) war ein deutscher Konzert- und Unterhaltungsmusiker. Von 1937 bis 1945 war er in den Konzentrationslagern Dachau und Mauthausen inhaftiert. Im KZ Mauthausen gründete er die erste Häftlingskapelle und war am Aufbau des großen Häftlingsorchesters maßgeblich beteiligt.

Leben

Wilhelm Heckmann mit Akkordeon

Als Sohn des Wirtes Adolf Heckmann wuchs Willi Heckmann im Gaststättenmilieu in Altena (Westfalen) auf. Nach dem Ersten Weltkrieg (Vaterländischer Hilfsdienst und Wehrdienst) studierte Heckmann am städtischen Konservatorium in Hagen (Westfalen) die Fächer Tenorgesang und Piano unter anderem bei Otto Laugs.

In den 1920er Jahren führte er Gastspiele als „Rheinischer Tenor“ in Wuppertal, Altena, Rheydt, Zürich und Berlin aus; daneben begleitete er Stummfilme als Kinomusiker (u.a.) im Kino „Zentraltheater“ in Altena und „Thalia“ in Wuppertal. Zu Beginn der 1930er Jahre folgten Gastspiele in Stuttgart, Gotha und Düsseldorf. Ab 1934, seit die nationalsozialistische Regierung die Berufsmusiker energisch auf Linie drängte und die Gleichschaltung der Musiker unter völkisch-rassistischem Blickwinkel, unter Ausgrenzung so genannter „Entarteter Musik“ und Förderung der populären leichten Musik („Schlager“) betrieb, wird Heckmann in der Musikerzeitschrift „Das Deutsche Podium, Kampfblatt für deutsche Musik“ zunehmend positiv kommentiert: „… hat sich im Laufe der vielen Monate einen großen Stamm von Freunden und Gönnern gewonnen … mit fein durchgebildeter Tenorstimme …“ „… Willi Heckmann, der übrigens musikalisch gar nichts vermissen lässt … an Tonvolumen reicht seine Darstellung für den Raum aus … Klavierspiel, schönes Akkord, ein und durchgebildeter Gesang, mit allem wartet Herr Heckmann auf …“[1]

Weitere Auftritte und Engagements folgten in Stuttgart, Gotha, München, Partenkirchen und Passau. Dort wurde er am 29. Juli 1937 völlig überraschend, ohne akuten Anlass oder richterlichen Befehl von der Gestapo verhaftet, verhört, und mit dem Hinweis auf eine frühere homosexuelle Episode ins KZ Dachau eingewiesen „wegen Paragraph 175“ (dem Homosexuellen-Paragraphen) zur „Schutzhaft“.[2] Die genaueren Umstände der KZ-Einweisung konnten bisher nicht aufgeklärt werden.

Musikkapelle Konzentrationslager Mauthausen (Wilhelm Heckmann mit kleinem Akkordeon), 30. Juli 1942

Zum Kriegsbeginn wurde er ins KZ Mauthausen in Österreich überführt. In Mauthausen arbeitete er im Steinbruch „Wiener Graben“, konnte aber etwa ab 1940 ein Musikertrio aufbauen, das bei SS-Angehörigen, bei Besuchen ranghoher Gäste und im Casino Musik unterschiedlicher Gattungen spielen musste. Als am 30. Juli 1942 der geflohene und wieder gefasste Häftling Hans Bonarewitz unter Begleitung des „Zigeunerorchesters“ durchs Hauptlager geführt wird und die Fotoabteilung der SS dabei photographierte, fand sich Willi Heckmann in der ersten Reihe der Musiker in der musikalisch tonangebenden Position. Rechts neben ihm (mit großem Akkordeon) der Kapo der Poststelle Georg Streitwolf. Nachdem Heinrich Himmler bei seinem Besuch im Herbst 1942 die Einrichtung eines großen Lagerorchesters anordnete, wurde die Kapelle „mit Hilfe oder durch Vermittlung des Heckmann, des Rumbauer und eines tschechischen Arztes“ [3] zusammengestellt. Dieses Orchester spielte bis zur Befreiung des Lagers regelmäßig Marschmusik, volkstümliche und ernste Musik. „Der Harmonikaspieler und Sänger war Willi Heckmann.“[3] Heckmann wurde seit der Mitarbeit im großen Orchester quasi wie ein Funktionshäftling von den härtesten KZ-Aufgaben verschont und in Kommandos mit leichteren Tätigkeiten (Transportkolonne, Desinfektion) eingesetzt. Seine musikalische Begabung wurde von der SS-Leitung offensichtlich zur emotionalen Beeinflussung des Lagerlebens instrumentalisiert. Am 5. Mai 1945 erlebte er die Befreiung des Konzentrationslagers Mauthausen durch die 11. US-Panzerdivision der 3. US-Armee.

Später versuchte er, wieder als Berufsmusiker Fuß zu fassen, was ihm allerdings zeitlebens nur eingeschränkt gelang. Nach der jahrelangen Schwerstarbeit im Steinbruch des KZ Mauthausen litt er langfristig unter Rheuma und Nervenentzündungen in den Schultern und Armen, was ihn in der Ausübung seines Berufes behinderte. Sein 1954 gestellter Antrag auf Wiedergutmachung oder Entschädigung wurde 1960 mit dem Hinweis abgelehnt, er sei „nur als Homosexueller wegen Verbrechens gegen § 175 StGB in Haft gehalten“ worden. Deswegen bestehe kein Anspruch auf Entschädigung.

Wilhelm Heckmann arbeitete bis etwa 1964 in verschiedenen deutschen Hotels und Gaststätten als Alleinunterhalter. Er starb am 10. März 1995 in Wuppertal im Alter von 97 Jahren.

Literatur

  • Kurt Lettner: Musik zwischen Leben und Tod. In: Oberösterr. Heimatblätter 2000, Heft 1,2; S. 55-72.
  • Klaus Stanjek: Musik und Mord – ein Berufsmusiker in Mauthausen. In: Andreas Baumgartner, Isabella Girstmair, Verena Kaselitz (Hrsg.): Der Geist ist frei. Band 2. edition Mauthausen, Wien 2008, ISBN 978-3-902605-01-6
  • Milan Kuna: Musik an der Grenze des Lebens. Zweitausendeins, Frankfurt/M 1993, ISBN 3-86150-018-3
  • Simon Hirt, Hansjörg Stecher: Musik zwischen subversivem Überlebens- und brutalem Terrorinstrument. In: Die Aussteller und das Bundesministerium des Inneren (Hrsg.): Kunst und Kultur im Konzentrationslager Mauthausen 1938 – 1945. Wien 2007.

Einzelnachweise

  1. Das Deutsche Podium. Fachblatt für Ensemble-Musik und Musik-Gaststätten, Nr. 31, S.15 + Nr. 36, S. 10. Brückner-Verlag München, 1935.
  2. Internationaler Suchdienst Bad Arolsen, Aktenzeichen: T/D - 526 895.
  3. a b Josef Jira:Tonbandaufzeichnung eines Interviews von Hans Marsalek, 18. April 1972, Linz. Archiv Mauthausen des BMfl, Wien.

Siehe auch

Weblinks

 Commons: Wilhelm Heckmann – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем решить контрольную работу

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Wilhelm Heckmann — Wilhelm Heckmann, né le 26 juin 1897 à Wellinghofen et mort le 10 mars 1995 à Wuppertal, est un musicien de musique populaire et un accordéoniste allemand. De 1937 à 1945, il a été emprisonné dans les camps de concentration… …   Wikipédia en Français

  • Wilhelm Heckmann — con acordeón. Wilhelm Heckmann (Wellinghofen, 26 de junio de 1897 Wuppertal, 10 de marzo de 1995) fue un músico alemán. De 1937 a 1945 estuvo preso en los campos de concentración de Dachau y Mauthausen. En Mauthausen fundó la primera capilla… …   Wikipedia Español

  • Heckmann — ist der Familienname folgender Personen: Carl Justus Heckmann (1786–1878), deutscher Kupferschmied und Industrieller Dieter Heckmann, Archivar im Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz Dirk Heckmann (* 1960), deutscher… …   Deutsch Wikipedia

  • Wilhelm Gräfer — (* 8. Oktober 1885 in Bad Gandersheim; † 5. April 1945 in Bodenwerder) war von 1924 bis 1945 Bürgermeister der Hansestadt Lemgo, bevor er kurz vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs von einem Standgericht zum Tode verurteilt und hingerichtet wurde.… …   Deutsch Wikipedia

  • Wilhelm Matt — (* 16. Juli 1872 in Speyer; † 23. Januar 1936 in Aschaffenburg) war Jurist, „Königlicher Hofrat“ später „Geheimer Rat“ und von 1904 bis 1933 Oberbürgermeister der unterfränkischen Stadt Aschaffenburg im Freistaat Bayern. Inhaltsverzeichnis 1… …   Deutsch Wikipedia

  • Wilhelm Ashoff (1857–1929) — Wilhelm Ashoff (* 31. Juli 1857 in Altena; † 13. Juli 1929) war ein deutscher Unternehmer. Inhaltsverzeichnis 1 Leben und Wirken 2 Funktionen 3 Auszeichnungen 4 …   Deutsch Wikipedia

  • Heckmann (Asteroid) — Asteroid (1650) Heckmann Eigenschaften des Orbits Orbittyp Hauptgürtelasteroid Große Halbachse 2,4353 AE Exzentrizität 0,1635 …   Deutsch Wikipedia

  • (1650) Heckmann — Asteroid (1650) Heckmann Eigenschaften des Orbits (Animation) Orbittyp Hauptgürtelasteroid Große Halbachse 2,4353 AE …   Deutsch Wikipedia

  • Friedrich Wilhelm Prinz von Preußen — (* 9. Februar 1939 in Berlin Grunewald) ist ein deutscher Historiker und Angehöriger des Hauses Hohenzollern. Inhaltsverzeichnis 1 Familie und Kindheit 2 Ausbildung 2.1 Erste Di …   Deutsch Wikipedia

  • Karl Wilhelm Ochs — (* 29. Februar 1896 in Frankfurt am Main[1]; † 30. Juni 1988 in Berlin) war ein deutscher Architekt und Hochschullehrer. Inhaltsverzeichnis 1 Leben 2 Werk …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”