- Wolf Wagner
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Wolf Wagner (* 1944 in Tübingen) ist ein deutscher Sozialwissenschaftler und Autor einer Reihe von Publikationen zu Themen wie dem deutschen Hochschulsystem, dem Verhältnis zwischen Ost- und Westdeutschen, zum demokratischen Politiksystem sowie zu Armut und Kultur.[1]
Inhaltsverzeichnis
Leben
Wolf Wagner wurde 1944 in Tübingen geboren und studierte von 1963 bis 1970 Anglistik, Philosophie und Politikwissenschaften in Tübingen, Bonn und Berlin. Ab 1970 arbeitete Wagner als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Otto-Suhr-Institut für Politikwissenschaft der Freien Universität Berlin, wo er 1976 seine Promotion zum Dr. rer. pol. über Verelendungstheorie abschloss. Von 1976 bis 1982 arbeitete Wagner als Hochschulassistent am gleichen Institut und habilitierte sich währenddessen kulmulativ. Eine erweiterte Fassung seines Habilitationsvortrags „Die nützliche Armut“ veröffentlichte er 1982 beim linksalternativen Rotbuchverlag. Nach Abschluss seiner Tätigkeit an der Freien Universität Berlin unternahm Wagner bis 1985 mehrere Forschungsreisen durch Lateinamerika und Asien. Nach seiner Rückkehr nach Deutschland arbeitete er bis 1992 als freier Rolfing-Therapeut in Tübingen und Berlin und legte währenddessen seine Heilpraktikerprüfung ab. 1992 wurde er zum Professor für Sozialwissenschaften und Politische Systeme an die Fachhochschule Erfurt berufen. Für den Zeitraum von 1993 bis 1995 wurde er zum ersten Mal, für den von 1997 bis 1999 das zweite Mal und für die Legislatur von 1999 bis 2001 schließlich zum dritten Mal zum Prorektor gewählt. Anschließend folgte die Wahl in das Rektorernamt der Fachhochschule, das er bis 2005 bekleidete. Nach dem Ende seiner Tätigkeit im Rektorat der FH-Erurt unternahm Wagner 2005 gemeinsam mit seiner Frau, der Psychologin Renate Müller, eine 14-monatige Forschungsreise um die Welt.[2] Nach seiner Rückkehr arbeitete er noch drei Jahre als Professor für Sozialwissenschaften und politische Systeme und ging zum Wintersemester 2009/10 in den Ruhestand über. Heute lebt er gemeinsam mit seiner Frau in Berlin.
Positionen
Wagner kritisiert seit Beginn seines wissenschaftlichen Wirkens den akademischen Habitus als „Uni-Bluff“ -- der unnötigen Verkomplizierung von Sachverhalten und der Wichtigtuerei von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern.[3] Wagner folgend bildet dieses, dem Bluff beim Pokerspiel nicht unähnliche Verhalten, einen wesentlichen Bestandteil des „heimlichen Lehrplans“ im deutschen Hochschulsystem zur Erzeugung akademischer Habitus. Als mögliche Ursache des Uni-Bluffs beschreibt Wagner die „Uni-Angst“ als „Angst vor dem schlauen Gesicht“ der anderen, die mit unter zu schweren psychischen Störungen führen kann. Die Wichtigtuerei und Verkomplizierung erschwert Wagner zu folge aber vor allem neuen Studierenden das Erschließen neuen Lehrstoffs, was insbesondere Studierenden aus nicht akademischen Milieus den Zugang und Verbleib im deutschen Hochschulsystem hindert. Zwar schreibt Wagner, dass der „Uni-Bluff“ an Fachhochschulen weniger ausgeprägt ist als an Universitäten,[4] doch sieht er in ersteren deutliche Bemühungen zweitere nachzuahmen.[5]
Vor allem diese Reputationsbemühungen sind es, so Wagner, die das deutsche Hochschulsystem ineffizient machen. Wegen der „fatalen Selbstbezüglichkeit“, der andauernden Weigerung zur Berufsausbildung und der starken Neigung zur Pedanterie verliere das deutsche Hochschulsystem wertvolle Innovationskraft, was das Wirtschaftswachstum in Deutschland gefährde.[6] Wagner fordert eine innovationsförderliche, fehlerfreundliche Kultur an der Hochschule nach dem Vorbild innovativ arbeitender Konzerne wie Google, mit Raum für eigene Projekte und professionell begleitetes Erfahrungslernen, statt den Studierenden die unendliche Fülle an Stoff „einzubimsen“.
Zur deutschen Wiedervereinigung und ihren Folgen vertritt Wagner die These, dass die noch anhaltenden Schwierigkeiten zwischen Ost- und Westdeutschen aus alltagskulturellen Unterschieden rühren, die zu einem Kulturschock[7][8] geführt hätten. Die Unterschiede seien nur zum Teil durch den Sozialismus zu erklären. Wichtiger sei, dass der Westen während der Jahre der Teilung amerikanischer und mittelständischer geworden sei, während der Osten deutscher geblieben und proletarischer geworden sei.[9]
Zur Armut vertritt Wagner die Position, dass Armut ein unverzichtbarer und systematischer Teil von Marktgesellschaften ist. Armut ist das jeweilige untere Ende der Einkommen und Vermögen und ist darum schon aus logischen Gründen nicht abschaffbar. Die Drohung mit Armut ist auf der einen Seite ein wesentlicher Motivator in einer Marktgesellschaft wie es auf der anderen Seite die Aussicht auf Aufstieg ist. Sozialpolitik und Sozialarbeit kann die Einzelschicksale der Armen mildern, doch die Funktion der Armut als Abschreckung für die noch nicht Armen nicht aufheben.[10]
Zu den alltagskulturellen Folgen der Globalisierung vertritt Wagner, zusammen mit Renate Müller, die Position, dass die Globalisierung mit dem internationalen Warenaustausch wegen der Aufstiegsbemühungen der Bevölkerung in den globalisierten Ländern der vermutlich einzige Weg ist, um die Menschenrechte durchzusetzen. Der Schutz indigener Kulturen hat dagegen einen gegenteiligen Effekt, weil diese in der Regel die Macht der alten, wohletablierten Männer auf Kosten der Frauen und Kinder und aller Andersdenkenden befestigt.[2]
Publikationen
- Uni-Angst und Uni-Bluff. Wie Studieren und sich nicht verlieren. Rotbuch-Verlag Berlin. Urfassung von 1977. Erste Überarbeitung 1992, zahlreiche Übersetzungen in Dänische, Holländische und Japanische. 2007 zweite völlig überarbeitete, aktualisierte Neufassung unter dem Titel: Uni-Angst und Uni-Bluff - heute. ISBN 978-3-86789-019-9.
- Tatort Universität: Vom Versagen deutscher Hochschulen und ihrer Rettung. 2010. Stuttgart: Klett-Cotta. ISBN 978-3-608-94614-7
- Angst und Neugier im Gepäck: Eine etwas andere Forschungsreise um die südliche Welt. 2009. Norderstedt: Books on demand. ISBN 978-3-8370-5321-0
- Wie Politik funktioniert. 2005. München: Deutscher Taschenbuch Verlag. ISBN 978-3-423-34163-9
- Familienkultur. 2003. Hamburg: Europäische Verlagsanstalt. ISBN 978-3-434-46185-2
- Kulturschock Deutschland. 1996. Hamburg: Rotbuch. ISBN 3-88022-376-9
- Angst vor der Armut. Eine Einführung in Sozialpolitik. 1991. Hamburg: Rotbuch. ISBN 3-88022-043-3
- Verelendungstheorie. Die hilflose Kapitalismuskritik. 1976. Frankfurt am Main: Fischer. ISBN 3-436-02203-9
Weblinks
- Literatur von und über Wolf Wagner im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Homepage Wolf Wagner, FH Erfurt
- Kulturschock: Deutsch-deutsche Vorurteile eskalieren im Jahr 20, Leipziger Internetzeitung, 22. September 2010
- Wir verblöden weiter, Titel Kulturmagazin, 2. September 2010
Einzelnachweise
- ↑ Ausgewählte Publikationen auf der Webseite der Fachhochschule Erfurt
- ↑ a b Müller, Renate / Wagner, Wolf (2009). Angst und Neugier im Gepäck: Eine etwas andere Forschungsreise um die südliche Welt. Norderstedt: Books on demand
- ↑ Wagner, Wolf (2007): Uni-Angst und Uni-Bluff heute. Wie Studieren und sich nicht verlieren. Berlin: Rotbuch
- ↑ http://www.spiegel.de/unispiegel/studium/0,1518,456760,00.html
- ↑ Wagner, Wolf (2007): Uni-Angst und Uni-Bluff heute. Wie Studieren und sich nicht verlieren. Berlin: Rotbuch, S. 81
- ↑ Wagner, Wolf (2010). Tatort Universität: Vom Versagen deutscher Hochschulen und ihrer Rettung. Stuttgart: Klett-Cotta.
- ↑ Wagner, W. (1996). Kulturschock Deutschland. Hamburg: Rotbuch.
- ↑ Wagner, W. (1999). Kulturschock Deutschland. Der zweite Blick. Hamburg: Rotbuch
- ↑ Wagner, W., Berth, H. & Brähler, E. (2010). Wirken sich Genderzugehörigkeit und Ost-West-Herkunft auf Vorurteile aus? Ergebnisse einer Textbeurteilungsstudie. psychosozial, 33, 131-140
- ↑ Wagner, W. (1991). Angst vor der Armut. Eine Einführung in Sozialpolitik. Hamburg: Rotbuch.
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