Cladribin

Cladribin
Strukturformel
Struktur von Cladribin
Allgemeines
Freiname Cladribin
Andere Namen
  • IUPAC: 2-Chlor-2′-desoxyadenosin
  • Latein: Cladribinum
Summenformel C10H12ClN5O3
CAS-Nummer 4291-63-8
PubChem 20279
ATC-Code

L01BB04

DrugBank DB00242
Kurzbeschreibung

weißes bis fast weißes, kristallines, polymorphes Pulver [1]

Arzneistoffangaben
Wirkstoffklasse

Zytostatika, Antimetabolite

Verschreibungspflichtig: ja
Eigenschaften
Molare Masse 285,69 g·mol−1
Löslichkeit

löslich in Dimethylsulfoxid; schwer löslich in Wasser, Methanol; praktisch unlöslich in Acetonitril [1]

Sicherheitshinweise
Bitte beachten Sie die eingeschränkte Gültigkeit der Gefahrstoffkennzeichnung bei Arzneimitteln
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung [2]
06 – Giftig oder sehr giftig

Gefahr

H- und P-Sätze H: 301-311-315-319-331-335
EUH: keine EUH-Sätze
P: 261-​280-​301+310-​305+351+338-​311 [2]
EU-Gefahrstoffkennzeichnung [2]

T
Giftig
R- und S-Sätze R: 23/24/25-36/37/38
S: 22-26-36-45
LD50

150 mg·kg−1 (Maus i.p.) [3]

Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.

Vorlage:Infobox Chemikalie/Summenformelsuche vorhanden

Cladribin ist ein Arzneistoff aus der Gruppe der Zytostatika und wird vorwiegend zur Behandlung der Haarzell-Leukämie eingesetzt. Der Wirkstoff zählt zu den Antimetaboliten und ist ein chloriertes Purin-Nukleosid-Analogon. Er wirkt dadurch, dass das Molekül als falscher Baustein in die DNA bzw. RNA eingebaut wird und damit die Polymerasen gehemmt werden. Dies führt zur Störung der Zellteilung und letztendlich zur Apoptose.

Inhaltsverzeichnis

Anwendungsgebiete

Zugelassene Anwendungsgebiete

Cladribin-haltige Arzneimittel sind im deutschen Sprachraum als intravenöse Infusionslösung oder subkutante Injektionslösung zur Behandlung der Haarzell-Leukämie zugelassen. In der Schweiz bestehen zusätzliche Zulassungen als Mittel der zweiten Wahl für follikuläre und diffuse Non-Hodgkin-Lymphome, chronische lymphatische Leukämie und Morbus Waldenström.

Weitere mögliche Anwendungsgebiete

Multiple Sklerose

Cladribin scheint auch den Verlauf der Multiplen Sklerose günstig zu beeinflussen.[4][5] 2010 wurde der Wirkstoff zur Behandlung der schubförmig-remittierend verlaufenden MS in Australien und Russland zugelassen.[6] Die zugelassene Behandlungsdauer beträgt maximal zwei Jahre.[7] Ein entsprechender Antrag für die Europäische Union wurde jedoch aufgrund von Sicherheitsbedenken durch die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) – auch nach Widerspruch des Herstellers – abgewiesen.[8] Eine Entscheidung der Schweizer Behörde steht noch aus.

Der europäische Zulassungsantrag von Cladribin zur Anwendung als Tabletten wurde 2011 vom Hersteller zurückgezogen. Das Medikament soll für die Indikation MS auch in Russland und Australien vom Markt genommen werden.[9]

Hämatologische Erkrankungen

Cladribin wird gegenwärtig auch zur Behandlung des Mantelzell-Lymphoms[10] und weiterer B-Zell-Lymphome[11] untersucht.

Nebenwirkungen

Cladribin führt sehr häufig zu einer Knochenmarksuppression und damit zur Verminderung der Erythrozyten und Thrombozyten, sowie zu einer schweren Neutropenie. Durch Suppression der CD4+- und CD8+-Lymphozyten, die länger andauern kann, sind unterschiedliche Infektionen nicht auszuschließen. Ebenso treten die beim Einsatz von Zytotstatika üblichen Nebenwirkungen, wie Fieber, Übelkeit, Appetitverlust und Schwindel, auf. Bei subkutaner Injektion sind Reaktionen an der Injektionsstelle (Rötung, Schwellung, Schmerz) sehr häufige Begleiterscheinungen.[12]

Geschichtliches

Cladribin wurde von einer Arbeitsgruppe um Ernest Beutler am Scripps Research Institute in den 1970er entwickelt und in den frühen 1980er Jahren erstmals bei neun Patienten mit therapieresistentem Blutkrebs untersucht.[13] Die gleiche Arbeitsgruppe berichtete 1988 über die erstmalige Behandlung von Patienten mit Haarzell-Leukämie.[14]

Cladribin-haltige Arzneimittel wurden 1993 in den USA und Schweden zugelassen[15] und 1996 in Deutschland.[16]

Beutler und Kollegen untersuchten Cladribin in den 1990er Jahren auch bei Patienten mit Multipler Sklerose.[17] Dieser Behandlungsansatz wurde später von Merck Serono aufgegriffen.[4]

Handelsnamen

  • Leustatin® (Lösung zur intravenösen Infusion)
  • Litak® (Lösung zur subkutanen Injektion oder intravenösen Infusion)
  • Movectro® (Tabletten); nur in Australien und Russland zugelassen

Einzelnachweise

  1. a b Europäische Arzneibuch-Kommission (Hrsg.): Europäische Pharmakopöe 5. Ausgabe. 5.0–5.8, 2006.
  2. a b c Datenblatt 2-Chloro-2′-deoxyadenosine bei Sigma-Aldrich, abgerufen am 23. März 2011.
  3. Cladribin bei ChemIDplus
  4. a b Giovannoni G, Comi G, Cook S et al. A placebo-controlled trial of oral cladribine for relapsing multiple sclerosis. N Engl J Med. 2010; 362:416-26, PMID 20089960.
  5. Cook S, Vermersch P, Comi G et al. Safety and tolerability of cladribine tablets in multiple sclerosis: the CLARITY (CLAdRIbine Tablets treating multiple sclerosis orallY) study. Mult Scler. 12. Januar 2011. E-Publikation vor Druck, PMID 21228029.
  6. Merck KGaA: Merck gibt Votum des CHMP zu Cladribin-Tabletten bei Behandlung von Multipler Sklerose bekannt. Pressemitteilung vom 24. September 2010. Zugegriffen am 29. September 2010.
  7. Therapeutic Goods Administration: Public Summary for ARTG Entry 166483. MOVECTRO cladribine 10 mg tablet blister pack. Zugegriffen am 2. Oktober 2010.
  8. Europäische Arzneimittelagentur (20. Januar 2011): Refusal of the marketing authorisation for Movectro (cladribine). Outcome of re-examination. Zugegriffen am 30. Januar 2011.
  9. Pressemitteilung der MERCK Group; verfügbar als html; zuletzt abgerufen am 23. Juni 2011
  10. Inwards DJ, Fishkin PA, Hillman DW et al. Long-term results of the treatment of patients with mantle cell lymphoma with cladribine (2-CDA) alone (95-80-53) or 2-CDA and rituximab (N0189) in the North Central Cancer Treatment Group. Cancer. 2008; 113:108–16. PMID 18470909.
  11. Sigal DS, Miller HJ, Schram ED, Saven A. Beyond hairy cell: the activity of cladribine in other hematologic malignancies. Blood. 2010; Jul 15. PMID 20634380.
  12. ABDA-Datenbank über WINAPO-Lauer Taxe: Datenblatt zu Litak, Stand: 1. Mai 2011
  13. Carson DA, Wasson DB, Beutler E. Antileukemic and immunosuppressive activity of 2-chloro-2'-deoxyadenosine. Proc Natl Acad Sci USA. 1984; 81:2232–6. PMID 6585795.
  14. Piro LD, Carrera CJ, Beutler E, Carson DA.2-Chlorodeoxyadenosine: an effective new agent for the treatment of chronic lymphocytic leukemia. Blood. 1988; 72:1069–73. PMID 2901280.
  15. Europäische Arzneimittelagentur (21. Oktober 2005): European Public Assessment Report Litak - Scientific Discussion. Zugegriffen am 2. Oktober 2010.
  16. Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte. Humanarzneimittel mit neuen Wirkstoffen (1996). Bundesgesundheitsblatt. 1997; 40:151–3.
  17. Sipe JC, Romine JS, Koziol JA et al. Development of cladribine treatment in multiple sclerosis. Mult Scler. 1996; 1:343–7. PMID 9345414.

Weblinks

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