- Commedia dell'Arte
-
Commedia dell’arte (italienisch etwa für „Berufsschauspielkunst“, wobei arte zwar mit „Kunst“, aber im Sinne von „Handwerk, Beruf“ zu übersetzen ist, commedia mit „Theater“ allgemein), treffender: commedia all’improvviso, bezeichnet eine Form der italienischen Volkskomödie, deren Typen und Masken sowie das Handlungsgerüst zwar feststehen und einer festgelegten Dramaturgie folgen, aber auch Raum und Gelegenheit zur Improvisation bieten. Der häufig verwendete Begriff „Stegreifkomödie“ ist im Grunde genommen falsch, weil die Schauspieler innerhalb feststehender Figuren anhand eines Repertoires improvisieren (siehe den Unterschied zwischen „Stegreif“ und „Improvisation“).
Andere Bezeichnungen für die Commedia dell’arte sind commedia degli zanni (Theater der Zanni als bestimmte Gruppe von Masken), commedia a soggetto (Szenen- oder Szenariumstheater) oder commedia delle maschere (Maskentheater).
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Die Commedia dell’arte entwickelte sich in Italien im 16. Jahrhundert aus traditionellen Masken, aus Zusammenschlüssen von Jahrmarktskünstlern verschiedener Professionen wie buffoni oder ciarlatani (zusammengefasst unter dem Begriff „arte giullaresca“), erlebte ihren Höhepunkt im 17. und fand ihr Ende im 18. Jahrhundert. Dabei entwickelte sich diese Theaterform zunächst in den beiden Hochburgen Venedig (nördliche Commedia dell’arte) und in Neapel (südliche Commedia dell’arte). Üblicherweise wurde sie, im Gegensatz zum damaligen gelehrten Prosatheater (commedia erudita), deren Darsteller Dilettanten waren, von professionellen Akteuren betrieben, die im Familienverband agierten. „Professionell“ meint hier, dass sie zum Zweck des Gelderwerbs auftraten, in Gütergemeinschaft zusammenlebten und an den Einnahmen beteiligt waren. Auch durften hier bereits Frauen spielen, was ihnen, außer in der Oper, zur damaligen Zeit verboten war.
Die Commedia dell’arte wurde von Wandertruppen wie etwa der Compagnia dei Comici Gelosi über ganz Europa verbreitet und hatte großen Einfluss insbesondere auf das spanische Theater, auf das englische, französische (comédie italienne, Molière) und deutschsprachige Lustspiel des 17. und 18. Jahrhunderts, auf das Alt-Wiener Volkstheater und die „Haupt- und Staatsaktionen“ der deutschen Wanderbühnen. Auch der österreichische Hanswurst wurzelt wahrscheinlich in dieser Theaterform. Während der Französischen Revolution wurde sie in Frankreich, wo die Commedia dell’arte seit Ludwig XIV. ihren festen Standort hatte, verboten. Spätestens in der Zeit Napoleons war diese einst dominierende europäische Theaterform praktisch verschwunden.
Ihre Geschichte ist eng mit den Ensembles und diese wiederum eng mit den Schauspielern verknüpft. Nachdem sie innerhalb des Rahmens ihrer Figuren eine Perfektion erreichten, wurden diese zunehmend inhaltsleer, während die Fixierung der Texte zu einer Routine führte. Auch der spätere Kontakt zum Bürgertum und zum Adel, was dem ursprünglichen Charakter einer Volkskomödie widersprach, sowie die Erstarkung des höfischen Theaters mögen zum Niedergang beigetragen haben. Weiter existierte sie nur noch als so genannte Pantomime auf der Ballettbühne (siehe etwa Der siegende Amor, 1814).
Im 20. Jahrhunderts wurde die Commedia dell’arte in den unterschiedlichsten Formen in ganz Europa wiederentdeckt und -belebt (siehe hierzu den Abschnitt „Bedeutung“).
Figuren und Masken
Das berufliche Rüstzeug für die Schauspieler der Commedia dell’arte liegt in der Perfektionierung der entsprechenden Figur (hier auch „Maske“ genannt). Jeder Schauspieler war in der klassischen Form zeitlebens auf eine Figur festgelegt. Er hatte für jede Situation ein Repertoire an einstudierten akrobatischen Kunststücken, Gesten, Körperhaltungen und sprachlichen Mitteln parat. Improvisationen mit diesem Repertoire waren wesentlicher Teil der Vorstellungen, für die lediglich eine knapp beschriebene Szenenfolge (canevas oder canavacchio) vorher festgelegt wurde. Schlagfertige Bemerkungen, die so genannten „battute“, wurden von den comici aufgezeichnet und durch Lektüre klassischer Werke ergänzt. Damit waren sie auch ihr eigener Autor. Die „lazzi“, Späße, waren ein zentraler Bestandteil ihres Repertoires.
Die von den Schauspielern präsentierten Figuren mit ihren jeweils festgelegten Eigenschaften wurden, abgesehen von den innamorati, den Liebenden, stets mit Halb-Gesichtsmasken und charakteristischen Kostümen dargestellt. Die Präsentation erfolgte mit Mitteln des gesamten Körpers und war nicht etwa konzentriert auf Ausdrucksmittel der Sprache und des Gesichts, was außerordentliche Fähigkeiten verlangte. Die Schauspieler interagierten mit dem Publikum.
Die beiden Hauptgruppen der Masken sind die zanni oder zanoni (wie z.B. Arlecchino) und die vecchi, die Alten (wie z.B. Pantalone); dazu kommen die amorosi bzw. innamorati, die ohne Maske auftreten.
Die Typen der Commedia dell’arte erinnern an die klassischen lateinischen Komödien des Plautus und des Terenz. In diesen oft beinahe wörtlich aus griechischen Vorbildern übertragenen Komödien gab es ebenfalls eine begrenzte Anzahl von Charakteren, die durch Konvention festgelegt waren. Die Hauptrolle spielt der gerissene und intrigante Sklave. Er steht meist auf der Seite der jungen Liebenden, die nicht zueinander kommen dürfen, weil die Eltern andere Heiratspläne mit ihren Kindern haben. Der alte Vater ist meist ein untreuer Ehemann, während seine Frau ein strenges häusliches Regiment führt. Am Schluss droht gewöhnlich ein völliges Chaos, doch durch einen unerwarteten Zufall lösen sich alle Knoten. Die jungen Liebenden bekommen sich, und die Alten müssen sich in ihr Schicksal fügen. Inwieweit diese Komödien direkten Einfluss auf die Commedia dell’arte hatten, ist jedoch unklar.
Die „soziale“ Interpretation der Masken (die beispielsweise die zanni einengend als Dienerrollen beschreibt) geht auf die Reform der Commedia dell’arte durch Carlo Goldoni (Der Diener zweier Herren) im 18. Jahrhundert zurück, dem Carlo Gozzi wiederum Verrat an dieser Theaterform vorwarf. Seit dem 20. Jahrhundert deuten insbesondere die italienische Forschung und die Theatermacher, die sich mit der Materie befasst haben bzw. befassen, die Figuren im wesentlichen mythologisch. Das „bürgerliche“ Bild von der Commedia dell’arte ist in Deutschland allerdings immer noch weit verbreitet.
Die Zanni
Die Gruppe der Zanni stellt eine untere Schicht der Bevölkerung dar, hier: Diener und Mägde. Sie symbolisieren das einfache Volk der damaligen Zeit, ihre Wünsche und ihre Kritik an der Gesellschaft.
Zu ihnen gehören:
Brighella
Brighella stammt ursprünglich aus dem Bergamo. Er ist hinterhältig, immer etwas verschlagen und meistens skrupellos auf seinen eigenen Vorteil bedacht, dabei zu akrobatischen Kunststücken fähig und Arlecchino intellektuell überlegen. Er lässt auch gerne andere für sich arbeiten. Seine Maske ist üblicherweise die eines gewöhnlichen Dieners oder aber sie zeigt seine listigen Wesenszüge und ist meist von schwarzer Farbe.
Arlecchino
Arlecchino ist die Figur, die sich auf der Bühne alles herausnehmen darf. Typisch für ihn sind seine naive Fröhlichkeit und seine Verfressenheit. Manchmal dient er sogar zwei Herren gleichzeitig, damit er mehr Essen bekommt, was zu meist lustigen Verstrickungen führt. Mit seiner ironischen Art ist er die Stimme des gemeinen Volkes zu der Zeit. Arlecchino wird mit einer lustigen Maske und dazu noch mit einem Hut und einem Mantel dargestellt, der aus bunten Flicken besteht. Aus der Figur des Arlecchino entwickelte sich mit der Zeit der typische, naive Spaßmacher, wie man ihn heutzutage vor allem als Kasperle aus dem Puppentheater kennt.
Pagliaccio
Mit seiner gelben Gesichtsmaske und/oder gelb bemehltem Gesicht und seinem weißleinenen, viel zu großen Gewand ist er bzw. die verwandte Figur Pedrolino ein Vorläufer Pierrots. Pagliaccio ist ein tollpatschiger Knecht und Nachäffer, in Worten kühn, aber in Wahrheit ein außerordentlicher Feigling. Für seine Fehlleistungen wird er oft mit Prügel bestraft.
Colombina
Colombina ist ebenfalls eine Person der unteren sozialen Schicht. Meistens spielt sie die Rolle der Magd oder Köchin. Ihr fehlt jedes gekünstelte Element der Oberschicht und sie ist eine lebenslustige und selbstsichere Figur. Durch ihre dominante und verführerische Art zieht sie oft Verehrer (zum Beispiel Brighella) an, gegen die sie sich zu wehren weiß. Die Figur der Colombina hat keine Maske und trägt meistens schlichte Frauenkleider.
Die Vecchi
Die Gruppe der Vecchi stellt die reiche Oberschicht der Zeit dar. Für sie ist typisch, dass sie sehr viel Geld haben und sich gebildet ausdrücken. Sie schätzen vor allem Kultur und Wissen. Meistens versuchen sie sich vom einfachen Volk abzuheben, da sie sich als etwas besseres sehen. Gerade diese Eigenschaften wirken auf den Zuschauer äußerst unsympathisch, jedoch teilweise schon fast lächerlich.
Zu ihnen gehören:
Pantalone
Pantalone ist meistens ein wohlhabender Kaufmann aus Venedig, der aufgrund seines hohen Alters oft kränklich ist. Obwohl er viel Geld hat, so ist er doch sehr geizig. Pantalone mischt sich gerne in Dinge ein, die ihn gar nichts angehen. Außerdem hat er häufig Verhältnisse zu jüngeren Frauen, auch wenn er verheiratet ist, und hält seine Tochter in engen Grenzen. Er hat einen großen, lange währenden Hass auf Dottore, genauso wie dieser auf ihn. Man erkennt Pantalone an einer braunen Maske mit gebuckelter Nase, einem Ziegenbart sowie einem schwarzen Umhang und einer eng anliegenden, roten Hose.
Dottore
Dottore verkörpert meistens den gebildeten Juristen oder Gelehrten aus Bologna. Dies zeigt er auch gerne durch die häufige Verwendung von Denkerposen. Jedoch wirkt sein Wissen eher belustigend, da er die Verkörperung des Wissens ohne wahres Wissen darstellt. So stellt er bei jeder Gelegenheit zur Schau, über welches Wissen er verfügt, dies jedoch selten zur Situation passend. Obwohl er sehr kurzsichtig ist, sind seine Bewegungen auf der Bühne fließend und geschmeidig. Wie Pantalone einen tiefsitzenden Hass gegen Dottore hat, so hasst auch Dottore die Figur des Pantalone ohne Einschränkung. Häufig trägt die Figur des Dottore eine schwarze Maske mit einer Knollnase, kugelförmiger Stirn und roten Wangen. Für seine Kleidung ist vor allem die weiße Halskrause, sowie schwarze Jacke, Hose, Schuhe und Kappe kennzeichnend. Als Doktor Bartolo ist er auch in Rossinis Oper eingegangen.
Weitere Figuren
Außerdem gibt es noch andere Figuren, wie die Liebenden, die immer ohne Maske auftreten und etwa durch Octavio/Ottavio verkörpert wird, oder den Soldaten Il Capitano (Spavento), der immer vorgibt ein Held zu sein, jedoch in Wahrheit ein ausgemachter Feigling ist, der Angst vor seinem eigenen Schwert hat. Scaramuccia ist der Aufschneider, Angeber und Großsprecher.
Weitere, hier nicht erwähnte bekannte Masken und Figuren sind: Arlecchina, Bramante, Clarice, Coviello, Donna Martina, Il Farmacista (mit Klistierspritze), Florindo, Franceschina, Isabella, Julia/Giulia, La Ballerina, Leda, Mattaccino, Menego, Mezzetino, Pasquar(i)ello, Pierro(t), Pulcinella, Silvio, Smeraldina, Spaventino, Stenterello, Rimella, Tartaglia, Tognino und Truffaldino.
Bedeutung
Die Dramaturgie der Commedia dell’arte hatte seit ihrem Entstehen im 16. Jahrhundert eine Vorbildwirkung für das restliche Europa und wurde daher oftmals in Theaterstücken Shakespeares, Molières, dessen Lehrer Tiberio Fiorelli ein berühmter Scaramuccia war, Nestroys etc. verwendet.
Im 20. Jahrhundert kehrte die Commedia dell’arte in der einen oder der anderen Art wieder ins europäische Theater zurück. Vor allem in Russland wurde sie zu Anfang des Jahrhunderts wiederentdeckt und in unterschiedlichster Form wiederbelebt, wobei sich hier insbesondere Wsewolod Meyerhold hervortat. Ähnliche Anstrengen waren auch im übrigen Europa, vor allem in Italien zu beobachten. Besonders Max Reinhardt, Giorgio Strehler, David Esrig, Dario Fo und Alessandro Marchetti haben sich um die Revitalisierung der Methoden der Commedia dell’arte verdient gemacht. In neuerer Zeit, also gegen Ende des 20. bzw. anfangs des 21. Jahrhunderts, sind Carlo Boso in Paris, Markus Kupferblum in Wien und die Gruppe I MACAP in Frankfurt am Main zu nennen, welche versuch(t)en die Tradition der Commedia dell’arte im heutigen Theater lebendig zu halten. Besonderes Ziel ist es dabei, mit den dramaturgischen Regeln und der hierarchischen Struktur der Charaktere heutige Geschichten zu erzählen.
In neuerer Zeit erinnern auch viele Fernsehserien (Dallas etc.), Filmdrehbücher und Comics (Donald Duck, Mickey Mouse) in der Typisierung der Figuren an die Commedia dell’arte.
Zu den Abbildungen
Die Abbildungen dieses Artikels sind, sofern nicht anders vermerkt, einem Werk des 19. Jahrhunderts entnommen, der zweibändigen Ausgabe Masques et Buffons von Maurice Sand aus dem Jahre 1860. Der Verfasser beschäftigte sich wissenschaftlich, literarisch und als Maler mit der Commedia dell’arte. Sein Rekonstruktionsversuch aus der Sicht eines späteren Jahrhunderts kann nicht als authentisch gelten, berücksichtigt aber alle wesentlichen bekannten Erkenntnisse über das Erscheinungsbild der Figuren.
Literatur
- David Esrig: Commedia dell’arte – Eine Bildgeschichte der Kunst des Spektakels, Nördlingen 1985
- Alessandro Marchetti: „Die Commedia dell’Arte oder Stegreifkomödie“ in: Faltblatt zu einem „Workshop über die Commedia dell’Arte“ am Theater am Turm, Frankfurt am Main o. J.
- Henning Mehnert: Commedia dell’arte, Struktur – Geschichte – Rezeption, Stuttgart 2003
- Cesare Molinari: „Die Commedia dell’arte“ in: Theater. Die faszinierende Geschichte des Schauspiels, Freiburg im Breisgau 1975, Seiten 157–166
- Karl Riha: Commedia dell’arte. Mit den Figurinen Maurice Sands, Frankfurt am Main 1980
Siehe auch
Weblinks
Wikimedia Foundation.