Dampfmotorwagen

Dampfmotorwagen
Fardier von Nicholas Cugnot, 1769
Erster gewerblicher Dampfwagen, die London Steam Carriage von Richard Trevithick, 1797
L'Obéissante von Amédée Bollée photographiert 1875
White touring car (1909)
Stanley-Dampfwagen von 1912
Stanley Dampfwagen von 1923

Ein Dampfwagen ist ein Automobil, das von einer Dampfmaschine mit Hilfe von Wasserdampf angetrieben wird.

Dampfwagen waren mit Cugnots Artilleriezugmaschine von 1769 die ersten echten Automobile überhaupt. Ein Dampfwagen, die "La Mancelle" von Amédée Bollée von 1878, war mit 50 Exemplaren das erste in Serie gebaute Auto, und der Dampfwagen "Stanley Rocket" von Francis Edgar Stanley und Freelan O. Stanley, war 1906 das erste Auto, das mit 205,5 km/h schneller als 200 km in der Stunde fuhr.

Während in den Anfangszeiten des Automobils mal die Dampfwagen, mal die Elektroautos (z. B. erstes Auto über 100 km/h) die Nase vorne hatten, setzte sich schließlich der Verbrennungsmotor fast vollständig durch. Nur in Randbereichen wie Zugmaschine und Straßenwalze überlebte der Dampfwagen bis 1950, während Elektroautos wieder eine gewisse Renaissance erleben. So steht z. B. der Geschwindigkeitsrekord für Dampfwagen von 1906 bis heute (2008).

Inhaltsverzeichnis

Geschichte und Hersteller

1769: das erste Automobil, der Fardier, von Nicholas Cugnot

Ein Dampfwagen wurde erstmals von Nicholas Cugnot 1769 in Paris vorgestellt, der damit das erste mit eigenem Antrieb fahrende Fahrzeug der Welt schuf. Vorher wurden Wagen von Menschen oder Tieren, oder selten, vom Wind bewegt. Dem Fardier war von Anfang an jedoch kein dauerhafter Erfolg beschert, weil das Fahrzeug bei einer Vorführung vor hohen Militärs in die Umfassungsmauer der Militärkaserne fuhr und diese durchbrach; Cugnot hatte unverständlicherweise vergessen, den -sehr starken- Dampfwagen mit Bremsen auszustatten. Historisch gesehen bedeutete dieses eine Unglück einen technischen Stillstand bei der Verbreitung selbstfahrender (auto-mobiler) Fahrzeuge von gut einem Vierteljahrhundert.

Der Original-Fardier wurde zunächst im Arsenal aufbewahrt und befindet sich seit 1800 im Pariser "Musée des Arts et Métiers".

Der englische Pionier: Richard Trevithicks Modelle von 1797, 1801, 1803

Der britische Erfinder, Ingenieur und Maschinenbauer Richard Trevithick baute 1797 sein erstes Dampfwagenmodell. Die Kesselheizung geschah mit Hilfe eines glühenden Gusseisenstabes, der anstelle der echten Feuerung in das Flammrohr gesteckt wurde. 1801 stellte er in Camborne eine seiner neuen kleinen Dampfmaschinen auf Räder. Diese „Straßenlokomotive“, bekannt als Puffing Devil, beförderte Passagiere mit einer Geschwindigkeit von 8 km/h, und das selbst über Steigungen.

Nachdem er 1802 die erste Eisenbahnlokomotive der Welt gebaut hatte, konstruierte er 1803 ein weiteres selbstfahrendes Fahrzeug, das „London Steam Carriage“, das im Prinzip eine mit einer Dampfmaschine ausgerüstete Postkutsche war. Es erregte die Aufmerksamkeit von Publikum und Presse, war aber im Betrieb wesentlich teurer als eine gewöhnliche Pferdekutsche und konnte sich deshalb nicht durchsetzen.

Dampfomnibusse als öffentliches Verkehrsmittel: Goldsworthy Gurney 1826, Walter Harock 1827

1826 konstruierte der Engländer Sir Goldsworthy Gurney einen Dampfomnibus. (Dale H. Porter: The Life and Times of Sir Goldsworthy Gurney: Gentleman Scientist and Inventor 1793-1875, Mai 1998)

Ihm folgte sein Landsmann Walter Harock (1827). Dessen Dampfomnibus war besonders in den 1830er populär. 1831 verlief die Probestrecke von Stratford nach London, und ab 1833 wurde dieser Dampfwagen öffentliches Verkehrsmittel. Zur Premiere soll er jedoch von Zuschauern mit Steinen beworfen worden sein. Die ersten Fahrzeuge dieser Art fuhren bis zu 15 km/h. Hauptsächlich fuhr der Dampfomnibus zwischen London und dessen Vororten. 1836 gab es 700 Fahrten.

Der französische Automobilpionier Amédée Bollée

Amédée Bollée (*1844-1917), Sohn des Glockengießers Ernest-Sylvain Bollée, war ein französischer Glockengießer und Automobilpionier aus Le Mans, der 1873 sein erstes Dampfauto, die Gehorsame (l'Obéissante), konstruierte. Damit fuhr er 1875 von Le Mans in 18 Stunden nach Paris, wofür er unterwegs 75 polizeiliche Verwarnungen bekam. Weitere Fahrzeuge nannte er "die aus Le Mans", "die Schnelle", "die Neue". Die "La Mancelle" von Amédée Bollée von 1878 war mit 50 Exemplaren das erste in Serie gebaute Auto [1]

Boom und Rückschlag in England

Im 19. Jahrhundert gab es gerade in England eine Vielzahl von Dampfwagen, etwa von Bishop & Sons, die auch als Omnibusse ausgebildet wurden. Einige Unfälle führten schließlich zum Red Flag Act, mit dem die weitere Entwicklung wesentlich gebremst wurde.

Die Rekordhalter: Edgar Stanley und Freelan O. Stanley und ihre Stanley Motor Carriage Company

Fred Marriott mit dem Stanley Rocket, das erste Fahrzeug, das über 200 km/h fuhr

In den USA bauten die Brüder Francis Edgar Stanley und Freelan O. Stanley in ihrem Unternehmen Stanley Motor Carriage Company von 1897 bis 1917 Dampfwagen. Im Jahr 1906 wurde in Daytona Beach mit dem Model „Stanley Rocket“ der noch heute gültige Geschwindigkeitsweltrekord für Automobile mit Dampfantrieb mit beachtlichen 205,5 km/h aufgestellt. Auch der Rekord für die schnellste Meile in dieser Kategorie gehört mit 28,2 Sekunden einem Stanley Steamer. Nach dem Verkauf der Firma wurden die Autos noch bis 1927 weitergebaut.

10.000 ausgereifte Dampfwagen: die White Motor Company

Anzeige für einen White von 1905

Thomas H. White gründete 1876 die White Sewing Machine Co. in Cleveland, Ohio. Der Nähmaschinenhersteller stieg 1900, als Whites Söhne Windsor, Rollin und Walter in die Firma eintraten, in die Produktion von Autos mit Zwei-Zylinder-Dampfmaschinen mit Kettenantrieb ein. Die Fahrzeugherstellung wurde 1902 unter dem Namen White Motor Company rechtlich verselbständigt, die sich sehr erfolgreich entwickelte. In den nächsten Jahren wurden rund 10.000 dampfgetriebene Automobile hergestellt.

Sentinel DG 4

Dampflastwagen in Europa

In den 1920er Jahren wurden dampfgetriebene Lastkraftwagen in England von den Firmen Sentinel Waggon Works Ltd., Shrewsbury, Shropshire, sowie Richard Garrett & Sons Ltd., Leiston, Suffolk und auf dem europäischen Kontinent (in Lizenz von Sentinel...) von Škoda-Pilsen hergestellt. Sie zeichneten sich durch große Robustheit und niedrige Betriebskosten aus und wurden bis in die 1950er Jahre benutzt.

Gebrüder Doble

Perfektioniert hatte das Dampfauto die US-Firma Doble steam cars in Emeryville/Kalifornien. Allerdings wurden nur etwa 40 Fahrzeuge hergestellt, von denen noch vier oder fünf fahrtüchtig sind. Zu den Doble-Besitzern gehörte unter anderen der US-Film- und Flugzeugunternehmer Howard Hughes. Die Brüder Doble eliminierten alle Nachteile des Dampfantriebs (nur 30 Sekunden Vorheizzeit auch bei Temperaturen unter 0 Grad) und bauten Luxusfahrzeuge von rund drei Tonnen Gewicht, die praktisch geräuschlos in 15 Sekunden von 0 auf 100 km/h beschleunigen konnten. Allerdings waren sie sehr teuer (etwa 30mal so teuer wie ein Ford T), und die Produktion sollte im Sommer 1929 richtig anlaufen, also unmittelbar vor dem großen Börsencrash, durch den ein Großteil der potentiellen Kunden sein Vermögen verlor. Erwähnenswert ist auch, dass die heute noch fahrtüchtigen Dobles aufgrund der sehr sauberen äußeren Verbrennung in Dampfsystemen modernste Abgasvorschriften einhalten können - und das ohne Katalysatoren oder Rußfilter.

Warren und Abner Doble arbeiteten später als Berater für Dampfsysteme in den USA und in Europa, unter anderem bei Henschel in Kassel.

Dampfwagen in Deutschland und Frankreich ab den 1930er Jahren

1931 kaufte die Firma Henschel einen amerikanischen Dampfwagen des Typs Doble F-35, und schloss 1932 einen Vertrag mit der Firma Doble über die Entwicklung eines Dampflastwagens und eines Dampfomnibusses. Nach Erprobung der Dampfmotoren in Booten und Schienenfahrzeugen wurden die ersten Dampfmotoren mit 110 und 150 PS für Lastwagen gebaut. 1934 waren die ersten Busse fertig und wurden in Wuppertal und in Dresden bei den Verkehrsbetrieben erprobt.

Die Omnibusse waren Haubenfahrzeuge, und der Dampfkessel mit einer Heizfläche von neun m² befand sich unter der Motorhaube, der Dampfmotor war an der Hinterachse angebaut. Der Kessel konnte mit allen Sorten Öl betrieben werden. Diese Busse wurden mehrere Jahre erfolgreich betrieben. 1935 wurden drei weitere Busse gebaut, diesmal als Frontlenker mit dem Kessel im Heck. Diese Busse wurden an die Kasseler Transport AG, die Bielefelder Stadtwerke und die Bremer Vorortbahnen AG ausgeliefert. Die Busse erreichten eine Höchstgeschwindigkeit von 110 km/h.

1934 lieferte Henschel zehn Dampflastwagen an die Deutsche Reichsbahn, davon einen Dreiachser mit zwei Motoren zu je 150 PS und einem Kessel mit 15 m² Heizfläche. Diese Fahrzeuge waren bis 1942 in Betrieb. Insgesamt hat Henschel dreizehn Dampflastwagen gebaut.

Nach 1945 entwickelte der Diplomingenieur A. Simon in Berlin einen Lastwagen mit Vierzylinder-Boxermotor, der Dampfkessel, der mit Kohle befeuert wurde, war darüber angeordnet. Von der Firma Lenz und Butenuth in Berlin wurden von 1945 bis 1949 vier Versuchsfahrzeuge gebaut, darunter ein Ford-BB. Als Antrieb diente ein umgebauter Ford-Motor.

Nach der Einstellung des Dampfwagenprojekts bei Henschel, hauptsächlich aufgrund der auslaufenden Subvention des Brennstoffs Braunkohlenteer, startete eine Weiterentwicklung des Doble-Systems bei De Dietrich in Reichshoffen im Elsass, vorangetrieben vom ehemaligen Henschel-Ingenieur Erwin Schwander (Sohn des ehemaligen Straßburger Bürgermeisters Rudolf Schwander). Dabei ging es um die Entwicklung eines Antriebssystems für Eisenbahntriebwagen, in Konkurrenz zu den von Bugatti für denselben Zweck an die französische Eisenbahn verkauften Bugatti-Reihenachtzylindermotoren. Als Referenzfahrzeug diente ein Bugatti 50T mit einem Reihenachtzylindermotor mit fünf Litern Hubraum. Bekannt ist, dass der Dampfwagen in nur einem Jahr (1938) 40.000 Testkilometer zurücklegte und dass sein Verbrauch bei 18 Litern Heizöl pro 100 Kilometer lag, gegenüber 25 Litern beim Bugatti. In ihrer Leistung und Gewicht (150 PS Dampf/160 PS Benzin, 560kg Dampf/ 520kg Benzin) waren die beiden Aggregate sehr ähnlich. Es handelt sich um einen der ganz wenigen bekannten ernsthaften Vergleiche, bei dem gleichwertige Technologie miteinander verglichen wurde und nicht alte Dampftechnik gegenüber modernen Verbrennungsmotoren. Die Entwicklungen wurden während des Krieges eingestellt, ein praktisch fertiger Triebwagen zerlegt und über ganz Frankreich verteilt und nach Kriegsende wieder zusammengebaut. Allerdings stornierte die französische Staatsbahn eine Bestellung von über 60 Fahrzeugen 1948 kurzfristig, so dass es bei dem einen Prototypen blieb. Die Versuchsfahrzeuge wurden schon 1944 bei einem Alliierten Bombenangriff auf Reichshoffen zerstört.

In die heutige Zeit gerettet haben sich aus den Dampfautos neben den Schnellverdampfern (30 Sekunden vom kalten Zustand zum nötigen Betriebsdruck, Anwendungen vor allem in der chemischen Industrie) die automatischen Steuerungen für Ölheizungen, welche auf Patente der Brüder Doble zurückgehen.

Niedergang und langes Überleben in kleinen Nischen

Kräftige Dampfzugmaschinen beim Schwertransport

Dampfwagen bildeten in der Zeit von etwa 1890 bis 1920 eine ernst zu nehmende Konkurrenz gegenüber dem benzingetriebenen Automobil, waren sie doch zuverlässiger und kamen ohne das damals schwierig zu bedienende Getriebe oder eine verschleißanfällige Kupplung aus. Erst danach wirkten sich der hohe Brennstoff- und Wasserbedarf, das hohe Gewicht und die Vorlauf-Wartezeiten zum Druckaufbau im Vergleich zu benzingetriebenen Automobilen nachteilig aus.

Am längsten wurden Dampflastwagen in Großbritannien gebaut etwa von Leyland Motors, der später auf Verbrennungsmotoren umstieg.

Noch bis vor dem Zweiten Weltkrieg waren die Lokomobile, Zugmaschinen mit Dampfantrieb, gängige Fahrzeuge zum Transport von Zirkus-, Kirmes- und Schausteller-Ausrüstungen. Noch länger waren Dampfwagen im Einsatz als Straßenwalzen. Die letzten Dampfwagen in Deutschland baute in Form der Dampfwalzen bis in die 1950er Jahre die Firma B. Ruthemeyer in Soest.

Dampfwagengalerie

Siehe auch

Literatur

  • Rauck, Max J. B.: Cugnot, 1769–1969: der Urahn unseres Autos fuhr vor 200 Jahren. München: Münchener Zeitungsverlag 1969.
  • Bruno Jacomy, Annie-Claude Martin: Le Chariot à feu de M. Cugnot, Paris, 1992, Nathan/Musée national des techniques, ISBN 2-09-204538-5.
  • Louis Andre: Le Premier accident automobile de l'histoire , in La Revue du Musée des arts et métiers, 1993, Numéro 2, p 44-46
  • B. Roes: L'Agriculture à toute vapeur : le monde fascinant des tracteurs à vapeur et des locomobiles hier et aujourd'hui, DT media, 2002, ISBN 0-86111-127-3

Einzelnachweise

  1. Nationales Automobilmuseum (Hrsg.): Die großartigsten Autos des Jahrhunderts, S. 125, Edition Belles Terres, Straßburg 2005, ISBN 2-913231-12-8

Weblinks


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