Dekabrist

Dekabrist
Dekabristenaufstand in St. Petersburg

Die Dekabristen (russisch dekabr = Dezember, deswegen im deutschsprachigen Raum auch als Dezembristen bekannt) waren „adlige Revolutionäre“ (nach Lenin), die am 14. Dezemberjul./ 26. Dezember 1825greg. auf dem Platz vor Senat und Synode in Sankt Petersburg den Eid auf den neuen Zaren Nikolaus I. verweigerten. Damit bekundeten sie ihren Protest gegen das autokratische Zarenregime, gegen Leibeigenschaft, Polizeiwillkür und Zensur. Sie dienten in Petersburger Eliteregimentern und waren westlich gebildet. Die führenden, rebellischen Offiziere wurden gehängt, einige wurden degradiert und rund 600 zu Zwangsarbeit in Sibirien verurteilt. In diesen damals relativ wilden Teil der Welt brachten sie als Strafgefangene Kultur und Bildung und stehen deshalb noch heute dort in hohem Ansehen.

Die Dekabristen waren die erste bewusst gegen das zaristische Regime gerichtete revolutionäre Bewegung, deren soziales Programm bis zur Aufhebung der Leibeigenschaft, politisch eventuell bis zur Errichtung einer Republik oder wahrscheinlich eher eines konstitutionellen Regimes reichte, bei dem dem Zaren eine Rolle ähnlich der der britischen Könige zugedacht war. Die liberalen und sozialen Ideen hatten sich seit dem Anfang des 19. Jahrhunderts in der russischen Oberschicht gebildet. Zunächst wurden diese Gedanken nur in Geheimbünden propagiert. Eine Rolle spielte dabei der Kontakt zum revolutionären Frankreich während der Napoleonischen Kriege, in deren Verlauf viele russische Offiziere nach Westeuropa gekommen waren. Wichtigster intellektueller Vertreter der Bewegung war der Dichter Alexander Puschkin, der in seinem Poem Eugen Onegin ebenfalls auf den Dekabristenaufstand Bezug nimmt.

Inhaltsverzeichnis

Vorgeschichte & Aufstand

Nach dem Tod des kinderlos gebliebenen Alexanders I. am 1. Dezember 1825 in Taganrog sollte die Krone an seinen Bruder Nikolaus Pawlowitsch gehen; Alexanders anderer Bruder Großfürst Konstantin, der Statthalter in Polen, hatte auf die Krone bereits 1823 verzichtet. Alexander hatte diese Verzichtserklärung angenommen und Nikolaus zu seinem legitimen Nachfolger designiert. Dies hatte er allerdings nicht öffentlich bekannt gemacht. Als Alexander starb, brach am Hof ein Chaos aus, das den Aufstand ebenfalls begünstigte. Zunächst wurde Konstantin zu seinem Nachfolger ausgerufen, dieser lehnte aber wie schon 1823 die Herrscherwüde ab und proklamierte Nikolaus zum Zaren und Kaiser. Nikolaus wiederum war kurzzeitig nicht informiert und wollte der eigentlichen Thronfolge entsprechend seinem Bruder den Vortritt lassen. Die Revolutionäre gewannen einige Regimenter der Hauptstadt für die Revolte, die am 26. Dezember in St. Petersburg ausbrach. An der Spitze der Bewegung standen Offiziere der kaiserlichen Armee. Diese wollten Nikolaus zum Thronverzicht bewegen. Der Aufstand wurde nach einem kurzen Gefecht zwischen den Aufständischen und den regierungstreu gebliebenen Gruppen auf dem „Platz des Senats“ niedergeschlagen. Einige zaghafte Versuche der Rebellion in der Provinz wurden bereits im Keim erstickt.

Folgen

Der neue Zar Nikolaus I. war von der Revolte alarmiert und leitete die überaus gründlichen Untersuchungen persönlich. Die Behörden versuchten, selbst die entferntesten Sympathisanten der Bewegung aufzustöbern. Die Repression, die sich als „exemplarisch“ und endgültig verstand, schreckte auch vor Grausamkeiten nicht zurück. Die fünf wichtigsten Initiatoren, Michail Bestuschew-Rjumin, Pawel Pestel (Führer des Südbundes), Sergei Murawjow-Apostol (Führer des Nordbundes), Kondrati Rylejew und Pjotr Kachowski, wurden zum Tod verurteilt und gehängt; hunderte von Menschen wanderten in Gefängnisse, wurden ausgewiesen oder zur Zwangsarbeit deportiert.

Eine interessante Rolle spielten die rund 120 nach Sibirien deportierten Dekabristen sowie insgesamt dreizehn Frauen, die ihren Ehemännern oder Geliebten freiwillig in die Verbannung nach Sibirien folgten. Eine herausragende Gestalt war die Fürstin Maria Wolkonskaja, die die Eindrücke ihrer Reise und ihres jahrzehntewährenden Aufenthalts in Memoiren festgehalten hat. In Sibirien bildeten die Dekabristen eine geschlossene Gemeinschaft progressiver Intellektueller, die in engem Briefkontakt mit Freunden und Verwandten in den Zentren Russlands blieben und dadurch nicht wie durch die Verbannung bezweckt in Vergessenheit gerieten. Vielmehr blieben die Dekabristen und ihr Schicksal immer ein Kristallisationspunkt für reformerische Ideen.

Nikolaus’ I. folgende dreißigjährige Herrschaft war stark von der Erfahrung des Dekabristenaufstands geprägt. Er sah sich fortan als Bewahrer und Garant der bestehenden Ordnung, Verteidiger der Autokratie und führte einen andauernden Kampf gegen die Revolution. 1826 schuf er eine neue Polizeiorganisation, die sogenannte „Dritte Abteilung Seiner Majestät höchsteigenen Kanzlei“; im Revolutionsjahr 1848 griff er in Österreich ein und ließ den Aufstand der Ungarn gegen die Habsburger niederschlagen. Erst sein Sohn und Nachfolger, Zar Alexander II., griff mit Beginn seiner Herrschaft ab 1855 einige der Forderungen der Dekabristen nach Reformen auf.

Das Dekabristenalphabet

Der Protokollführer jener Untersuchungskommission, die am 13. Juli 1826 das Urteil über die Dekabristen fällte, Alexander Dmitrijewitsch Borowkow, hat ein Alphabet mit den Namen und Lebensdaten all derer zusammengestellt, die zu den Verhören geladen wurden. Dieses so genannte Dekabristen-Alphabet ist eine wertvolle Quelle zur Dekabristenforschung.

Literatur

  • Hans Lemberg: Die nationale Gedankenwelt der Dekabristen, Köln u.a. 1963.
  • Vincey (Herausgeber): Die Brüder Christi in Russland, Norderstedt 2004.
  • Gerhard Dudek: Die Dekabristen - Dichtungen und Dokumente, Leipzig 1975

Weblinks


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