Dekarnation

Dekarnation

Die Dekarnation, „Entfleischung“, (auch Exkarnation genannt) ist ein vor allem von Archäologen und Ethnologen verwendeter Fachbegriff für alle Vorgänge durch die ein menschlicher Leichnam oder ein Tierkadaver von allen Weichteilen befreit wird, so dass nur noch die Knochen und bei Tieren auch das Geweih oder die Hörner übrig bleiben.

Verschiedene Techniken der Dekarnation wurden und werden als Teil von Bestattungsritualen angewendet. Das reicht vom Auslösen mit Messern, Verwesen lassen und wieder Ausgraben bis hin zum Aussetzen zum Fraß für Vögel.

Dakhmah "Turm des Schweigens" im indischen Mumbai

Diese Bestattungstechnik wurde vor allem während der Zeit der Jäger und Sammler ausgeübt, fand sich aber auch in der Jungsteinzeit und bei den heute bzw. bis vor kurzem noch steinzeitlich lebenden Völkern Papua-Neuguineas. Bei einigen wenigen Stämmen wurde das Fleisch der toten Menschen auch verzehrt. Bekannt wurden vor allem die Fore, weil bei diesen und einigen Nachbarstämmen durch dieses Verhalten die durch Prionen hervorgerufene Krankheit Kuru verbreitet war.

Sehr früh wurden auch Tierschädel in Höhlen, vermutlich als Heiligtümer, aufgestellt. So wurden z.B. in Çatalhöyük Stierschädel in großer Zahl in Kulträume integriert. In den Lehm der Gebäude wurden sowohl die ausgelösten Knochen der eigenen Toten, nach der Dekarnation durch Vögel (Geier), als auch Tierknochen eingebaut.

Die Dekarnation und die Zweitbestattung der Knochen war bei den Bandkeramikern üblich, wie neueste Ausgrabungen in Herxheim zeigen, wo mindestens 1350 Skelette aus mehreren hundert Kilometer Umkreis zusammengetragen und bestattet wurden. Da die ritualisierte Zweitbestattung am zentralen Heiligtum wohl in größeren zeitlichen Abständen erfolgte, überließ man die Dekarnation früher verstorbener Toter dem natürlichen Verwesungsprozeß, die zeitnah zum Beerdigungstreffen Verstorbenen wurden intentionell entfleischt.

Die südamerikanischen Moche ließen ihre Toten zunächst an der Erdoberfläche verwesen, bzw. durch die von ihnen verehrten Fliegen auflösen, ehe die Gebeine mit Grabbeigaben in der Erde bestattet wurden.[1]

Üblich war die Verfütterung von Leichen an Vögel auch bei den Mongolen und ist sie teilweise noch heute bei den Parsen sowie den Tibetern. Die Parsen setzen Leichname von Verstorbenen in runden Türmen aus, die Dakhmah oder "Türme des Schweigens" genannt werden. Die in Tibet teilweise noch übliche Dekarnation und Verfütterung an Vögel wird ansatzweise in Martin Scorseses Film Kundun gezeigt, in dem das Bestattungsritual beim Vater des 14. Dalai Lamas angewandt wird.

Inhaltsverzeichnis

Siehe auch

Literatur

  • Jürgen E. Walkowitz: Das Megalithsyndrom. europäische Kultstätten der Steinzeit. Beier & Beran, Langenweißbach 2003, ISBN 3-930036-70-3.
  • Murphy E. Funerary processing of the dead in prehistoric Ireland In: Archaeology Ireland 2003, Issue No. 64

Weblinks

Dakhmah: Türme des Schweigens im Iran

Verspeisen von Toten

Einzelnachweise

  1. Spiegel Online, 7.Oktober 2010 (auch abgerufen): Insekten-Archäologie: Leichenschmaus mit Madengraus

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