- Deutscher Presserat
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Der Deutsche Presserat ist eine Organisation der großen deutschen Verleger- und Journalistenverbände Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV), Verband Deutscher Zeitschriftenverleger e. V. (VDZ), Deutscher Journalisten-Verband (DJV) sowie Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) in ver.di. Gegründet wurde der Presserat am 20. November 1956 nach dem Vorbild des britischen „Press Council“, um ein geplantes Bundespressegesetz zu verhindern. Die Geschäftsstelle hat seit Juni 2009 ihren Sitz in Berlin; bis dahin residierte sie in Bonn.[1]
Inhaltsverzeichnis
Organisation
Die beiden Hauptorgane des Presserats sind der Trägerverein und das Plenum.
- Der Trägerverein hat die Aufgabe, für die Pressefreiheit und die Wahrung des Ansehens der deutschen Presse einzutreten. Er besteht aus acht Mitgliedern, darunter jeweils zwei aus den vier Mitgliedsverbänden. Vorsitzender des Trägervereins ist Hermann Neusser, Verleger und Herausgeber des Bonner General-Anzeigers. Stellvertretende Vorsitzende des Trägervereins ist Ulrike Maercks-Franzen, Bundesgeschäftsführerin der dju.
- Das Plenum fungiert als freiwilliges Selbstkontrollorgan der deutschen Presse. Es kümmert sich um die Beseitigung von Missständen im Pressewesen und tritt für den ungehinderten Zugang zu Nachrichtenquellen ein. Das Plenum setzt sich aus 30 Mitgliedern zusammen, darunter jeweils acht Mitglieder von VDZ und DJU und sieben von BDZV und DJV. Vorsitzender des Plenums ist Fried von Bismarck, Verlagsleiter beim Spiegel-Verlag. Seine Stellvertreterin ist Sigrun Müller-Gerbes, Redakteurin bei der Neuen Westfälischen.
Das Jahresbudget beträgt derzeit (2007) rund 700.000 Euro, worin rund 180.000 Euro Bundeszuschüsse enthalten sind.
Pressekodex
Der Deutsche Presserat hat die Publizistischen Grundsätze (Pressekodex) ausgearbeitet, eine Art Ehrenkodex für Medienvertreter, der 1973 erstmals veröffentlicht und am 3. Dezember 2008 letztmals überarbeitet wurde. Am 12. Dezember 1973 wurde er an Bundespräsident Gustav Heinemann überreicht. Es gehört zur Tradition des Pressekodex, dass auch jede Änderung dem amtierenden Bundespräsidenten übergeben wird.
Verstößt ein Presseunternehmen in Print- oder Onlinemedien gegen einen oder mehrere dieser publizistischen Grundsätze, ist es jedem möglich, eine Beschwerde beim Presserat einzureichen. Seit 2009 ist dies auch online möglich.[2] In seinen Sitzungen entscheidet das Gremium, ob die Beschwerde begründet ist. Es hat dann die Möglichkeit, folgende Maßnahmen zu ergreifen:
- Hinweis
- ergeht an die betreffende Redaktion bei geringeren Verstößen gegen den Kodex, nicht-öffentlich
- Missbilligung
- ergeht für schwerere Verstöße gegen den Kodex, nicht-öffentlich. Nach § 15 Beschwerdeordnung besteht keine Pflicht, Missbilligungen in den betroffenen Publikationsorganen abzudrucken. Als Ausdruck fairer Berichterstattung empfiehlt der Beschwerdeausschuss jedoch eine solche redaktionelle Entscheidung.
- Rüge
- härtestes Sanktionsmittel: Öffentliche Rügen muss das Medium abdrucken. Nicht-öffentliche Rügen werden ausgesprochen bei schwerwiegenden Verstößen, wenn sich eine weitere Veröffentlichung aus Gründen des Opferschutzes verbietet.
2003 sprach der Presserat 20 öffentliche und sechs nicht-öffentliche Rügen sowie 49 Missbilligungen und 55 Hinweise aus. 2004 waren es 27 öffentliche und sieben nicht-öffentliche Rügen, 37 Missbilligungen und 40 Hinweise. 2005 erteilte der Presserat 25 öffentliche und vier nicht-öffentliche Rügen.[3] Im Jahr 2008 waren es 15 öffentliche und drei nicht-öffentliche Rügen; der Presserat sprach 52 Missbilligungen und Hinweise aus. In 116 Fällen war die Beschwerde nach Feststellung des Beschwerdeaussschusses unbegründet.[4]
Politische Arbeit
Politisches Ziel des Deutschen Presserates ist es, durch freiwillige Selbstkontrolle eine Kontrolle der gedruckten Medien durch staatliche Aufsichtsstellen zu verhindern. Dieses Prinzip formuliert der Geschäftsführer des Presserates, Lutz Tillmanns, so:
„Wie erfolgreich der Presserat ist, läßt sich auch an der Zurückhaltung des Gesetzgebers ablesen, Gesetze zu erlassen, die die Grenzen journalistischer Arbeit definieren.“
– Lutz Tillmanns, Geschäftsführer des Presserates, Zitiert nach [5]
1952 legte der Bundesinnenminister Robert Lehr einen Gesetzentwurf für ein Bundespressegesetz vor, das die Einrichtung von „Landespresseausschüssen“ vorsah.[6] Der Gesetzentwurf war ein politisches Druckmittel Lehrs, um die Verleger und Journalisten davon zu überzeugen, dass für eine „innere Sauberkeit“ (Lehr) eine Selbstkontrolle der deutschen Presse notwendig sei. Da eine staatliche Kontrolle für die Journalisten und Verleger nicht hinnehmbar war, kam es dann am 20. November 1956 nach dem Vorbild des britischen „Press Councils“ zur Gründung des Deutschen Presserates. Zur Gründung waren zehn Verleger und Journalisten an der Organisation beteiligt.
1958 wurde der Presserat gegen einen Entwurf für eine Strafrechtsnovelle aktiv, der Gefängnisstrafe für jemanden vorsah, der das Privatleben eines ausländischen Staatsoberhauptes öffentlich herabwürdigend darstellt und so internationalen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland stört. Hintergrund der geplanten Novelle war die Darstellung der Scheidung der Prinzessin Soraya von Schah Mohammad Reza Pahlavi, über die ausführlich in den deutschen Boulevardzeitungen berichtet wurde. Der Gesetzentwurf wurde nicht verabschiedet.
In den 1960er und 1970er Jahren trieb der Presserat eine Vereinheitlichung der Landespressegesetze voran. Nach der Spiegel-Affäre erreichte der Presserat eine Reform des Strafgesetzbuches, in der der dehnbare Straftatbestand des Landesverrates präzisiert wurde. In der Diskussion um die Deutsche Notstandsgesetze 1968 wendete er Einschränkungen der Pressefreiheit ab. In die Diskussion um die Medienkonzentration griff der Deutsche Presserat durch die Beisteuerung von Sachinformationen ein. Seit 1976 zahlt die Bundesrepublik regelmäßig Zuschüsse an den Presserat.
1986 wurde ein Trägerverein für den Presserat gegründet.
Da sich der Deutsche Presserat gegen die Vorratsdatenspeicherung stellt, ist er Mitunterzeichner der gemeinsamen Erklärung des AK Vorrat zu dem entsprechenden Gesetzesentwurf.
Gerügte Medien und Wirksamkeit
Als 1977 Günter Wallraff umstrittene Arbeitsmethoden der Bildzeitung aufdeckte, rügte der Presserat die Zeitung insgesamt sechs Mal. Auch Wallraff selbst wurde gerügt, da verdeckte Ermittlungen gegen den Pressekodex verstießen. Die Debatte über den Umgang mit Wallraffs Recherche und deren Ergebnissen führte zu einer starken Spaltung zwischen Verleger- und Journalistenvertretern im Presserat. Als 1981 der Express den Abdruck einer Rüge verweigerte, stellte der Presserat seine Arbeit ein, bis 1985 die Verlage eine Selbstverpflichtung zum Abdruck der Rügen abgaben.
Die Maßnahmen des Deutschen Presserats bewerten die Medien und die Beschwerdeführer in der Wirksamkeit unterschiedlich, da die Sanktionen kaum Konsequenzen für das Blatt haben. Kritiker bezeichnen den Presserat deshalb als „zahnlosen Tiger“.[7] Die Bildzeitung behielt ihre Form der Berichterstattung trotz einer Vielzahl von vom Presserat ausgesprochenen Rügen bei.
Modernisierung
Seit längerer Zeit wird im Presserat eine Modernisierung überlegt, denn bisher ist der Presserat auf Printmedien und Printmedien mit Online-Präsenz beschränkt. Zu den Überlegungen gehören ein besonderer Onlinekodex, die Regulierung der von Nutzern eingestellten Formate wie Blogs, Videos und Podcasts. Dies wäre in Deutschland die bisher erste Anerkennung von beispielsweise Bloggern als journalistische Anbieter.
Siehe auch
Eine vergleichbare Institution, die sich mit der Beurteilung von Werbung beschäftigt, ist der Deutsche Werberat.
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Mitteilung des BDZV vom 22. Juni 2009
- ↑ Presserat
- ↑ Pressemitteilung
- ↑ Presseratsstatistik 2008
- ↑ Stefan Niggemeier: Zur Sache, Kätzchen. faz.net, 22. Januar 2006.
- ↑ Gernot Facius: Beschweren erwünscht. Welt Online, 16. November 2006.
- ↑ Stefan Niggemeier: Zur Sache, Kätzchen. faz.net, 22. Januar 2006.
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