Deutsches Kolleg

Deutsches Kolleg

Das Deutsche Kolleg ist eine neonazistische Vereinigung mit etwa 50 festen Mitgliedern, die von Reinhold Oberlercher und Uwe Meenen geleitet wird. Als dritter Kopf agierte langjährig Horst Mahler, der sich aber 2003 nach Differenzen mit Oberlercher vom Deutschen Kolleg trennte[1] und sich forthin der „Reichsbürgerbewegung“ widmete.[2] Seinen Sitz hat das im Jahre 1994 gegründete[3] Deutsche Kolleg in Würzburg, als postalische Adresse wird ein Postfach im „Deutschen Reich” angegeben.

Konstitution und Geschichte

Das Deutsche Kolleg hat seinen Ursprung im ehemaligen „Junge Freiheit-Lesekreis Berlin“, der von Helge Drescher geleitet wurde.[4] [5]

Es versteht sich selbst als intellektuelle Kaderschmiede für Nationalisten, und verfügte auch kurzzeitig über eigene Räume zur ideologischen und sprachlichen Schulung, als Meenen im traditionellen Würzburger Arbeiterstadtteil Zellerau Anfang 2006 ein Buchantiquariat leitete.[6] In seiner Funktion als „Souverän“ des deutschen Volkes und „Schild und Schwert“ des Deutschen Reiches sieht sich das Deutsche Kolleg legitimiert, „Urteile“ gegen „Reichsfeinde … körperlich zu vollstrecken“ und diese „militärisch unter Beschluss und Beschuss zu nehmen“. Wegen seines „geistigen Charakters“ erklärt das Kolleg jedoch den Verzicht auf Ausübung dieses „materiellen Teils der Staatsgewalt“.[7]

Dem im Jahre 1999 veröffentlichten „Reichsverfassungsentwurf” des Deutschen Kollegs zur Errichtung eines „Vierten Reiches” lässt sich entnehmen, dass eine Revision des Geschichtsbildes zu Gunsten Deutschlands vorgenommen und die verlorenen Ostgebieteheim ins Reich geholt werden sollen. Die Ausmaße dieser Pläne werden deutlich, wenn dort explizit Wien als Hauptstadt des Reiches, Berlin als Hauptgau, Zürich als Sitz der Reichsbank und Rotterdam als Haupthafen des Reiches genannt werden.[8]

Mahler betitelte einen seiner Aufsätze mit „Endlösung der Judenfrage”, und das Deutsche Kolleg fordert des Weiteren offen die Vertreibung „der nichtweißen Rassen aus der gemäßigten Klimazone”.[9] Die Ideen und Forderungen des Deutschen Kollegs stoßen ob ihrer Deutlichkeit und ihres Umfangs sogar bei verschiedenen NPD-Kräften auf Widerstand.[10] So verließ auch der vormalige NPD-Anwalt Mahler die Partei, Meenen dagegen ist weiter Bezirksvorsitzender der NPD Unterfranken.

Trotz des vorhandenen intellektuellen Potentials und ihres Anspruchs als Vordenker werden Oberlercher und Mahler selbst in der rechtsextremen Szene eher kritisch betrachtet. Mahler verliere sich dem Hamburger Landesamt für Verfassungsschutz zufolge zu häufig in „verschwörungstheoretische Absurditäten“ und Oberlercher mangele es an der Fähigkeit, seine Gedanken in allgemein verständlicher Form darzulegen, während bei beiden herkunftsbedingte Anlehnungen an linke Formulierungsmuster festzustellen sind, die beim angesprochenen Klientel kaum begrüßt würden.[11]

Neben seinem Engagement für das Deutsche Kolleg gründete Mahler gegen Ende 2003 den „Verein zur Rehabilitierung der wegen Bestreitens des Holocaust Verfolgten“. Dies war Anlass zu Auseinandersetzungen mit Oberlercher, der auf den Internetseiten des Deutschen Kollegs keine „Tagespolitik“ und keine weiteren Diskussionen über die Offenkundigkeit des Holocaust mehr akzeptieren wollte. Seither gehen die beiden Köpfe des Deutschen Kollegs teilweise getrennte Wege, haben aber weiterhin Kontakt und verweisen im Internet gegenseitig auf ihre Propagandamaterialien.[11]

2004 wurden Mahler, Meenen und Oberlercher in Berlin wegen Volksverhetzung angeklagt.[10] Grund war ein im Oktober 2000 gemeinsam publizierter Aufruf zum „Aufstand der Anständigen”,[12] in dem unter anderem das Verbot aller jüdischen Gemeinden in Deutschland, die Ausweisung aller Asylbewerber, „aller arbeitslos gewordenen Ausländer sowie eine Reihe von weitergehenden Maßnahmen gefordert wurden.[13] Mahler wurde schlussendlich zu neun Monaten Haftstrafe ohne Bewährung verurteilt.[14]

Dem Verfassungsschutzbericht des Jahres 2002 zufolge ist die Agitation des ,Deutschen Kollegs'… geprägt von einem aggressiven Antisemitismus und Rassismus.[15]

Als „wichtigste Beispiele für Zirkel …, die sich der rechtsextremistischen Theorie- und Strategiebildung verschrieben haben“ und die in ihrer Struktur dem Deutschen Kolleg ähneln, gelten dem Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg die „Deutsche Akademie“ und die „Deutsche Studiengemeinschaft“.[16]

Quellen

  1. Vanity Fair: „So spricht man mit Nazis“, S. 16, 1. November 2007
  2. Landesamt für Verfassungsschutz Hamburg: Verfassungsschutzbericht 2006, S. 193
  3. Landesamt für Verfassungsschutz Hamburg: Verfassungsschutzbericht 2004, S. 182
  4. apabiz: „Profil: Deutsches Kolleg (DK)“, 1996
  5. Verfassungsschutzbericht des Landes Brandenburg von 2002 (S. 148) (PDF)
  6. Michael Kraus, „Stammtische und Rechtsrockkonzerte“ in Junge Welt vom 26. April 2006, S. 15
  7. Verfassungsschutzbericht 2005 des Landesamtes für Verfassungsschutz Hamburg, April 2006, S. 193f.
  8. Reinhold Oberlercher, „Reichsverfassungsentwurf” vom 9. November 1999, S. 4 Online einsehbar.
  9. Deutsches Kolleg, „Karikaturen des Rassenkampfes”, 6. April 2006, S.3 Online einsehbar.
  10. a b jungle-world.com: „Das Reich komme”
  11. a b Landesamt für Verfassungsschutz Hamburg: „Deutsches Kolleg“, 11. Juli 2005
  12. Erste Seite der „Ausrufung des Aufstandes der Anständigen“, Oktober 2000
  13. Der Tagesspiegel: „Volksverhetzung im Internet?“, 11. Juni 2001
  14. Der Tagesspiegel: „Volksverhetzung: Neun Monate für Horst Mahler“, 13. Januar 2005
  15. Verfassungsschutzbericht 2002, September 2003, Seite 93.
  16. Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg: „Theorie- und Strategiebildung im deutschen Rechtsextremismus“, 2003

Weblinks


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