Didaktische Prinzipien

Didaktische Prinzipien

Unterrichtsprinzipien (auch: didaktische Prinzipien) sind allgemeine Vorgaben zur Gestaltung von Erziehung und Unterricht.

Eine Vielzahl verschiedener, teils gegenläufiger Erläuterungen und Meinungen über die wichtigsten Prinzipien weisen unterschiedlichste Reichweiten und Geltungsbereiche auf. Kritiker mahnen terminologische Unschärfen und ideologische Überfrachtung an; vom wissenschaftlichen Standpunkt aus werden sie gelegentlich als zu praxisbezogen kritisiert und geraten in den Verdacht zu starker Reglementierung und Normierung des Unterrichts.

Unterrichtsprinzipien werden deshalb oft rein formal auf Auswahl, Strukturierung und Gestaltung von Lerninhalten bezogen. Nicht als Vorschriften, sondern als Richtlinien für pädagogisch-didaktische Entscheidungen betrachtet, skizzieren sie eine wünschenswerte Ausrichtung. Ihre Gültigkeit ist allgemein und betrifft sämtliche Erziehungsbereiche und Schulfächer, jede Altersstufe und Schulart.

Bisweilen haben sie einen gewissen polemischen Charakter, sie werden als Fingerzeig auf Mängel benutzt, z. B. das Prinzip der Aktivierung als Kritik am „verkopften“ (zu sehr vom Intellekt beherrschten) Unterricht.

Inhaltsverzeichnis

Grundlegende Prinzipien nach Comenius

Schon 1657 formulierte Comenius erste Prinzipien für den didaktischen Umgang mit Heranwachsenden.

  • Tätigkeit sollte durch eigenes Tun erlernt werden
  • Lernen mit Tat und Beispiel ist besser als Lernen mit Vorschrift
  • Festigung des Erlernten durch weitere Übung
  • Verweilen beim Gegenstand, bis dieser gänzlich begriffen ist
  • Lehren durch sinnliche und natürliche Veranschaulichung

Aktuell gültige Unterrichtsprinzipien

Prinzip der Motivierung

Motivierung im Unterricht heißt das Wecken und die Berücksichtigung von Lern- und Leistungsbedürfnissen der Schüler. Motivation ist ein „summarisches Konstrukt“ aller das Verhalten beeinflussenden Faktoren, die sich zumeist als Bedürfnisse manifestieren. Unterschieden werden kann hier zwischen Bedürfnissen des Verlangens (Appetenz) und des Vermeidens (Aversion).

Prinzip der Veranschaulichung

Veranschaulichung heißt, den Unterrichtsstoff so darzubieten, dass die Schüler ihn mit Hilfe ihrer Sinnesorgane und entsprechend ihrer Auffassungsgabe umfassend und zutreffend erkennen können. Eine Anschauung liegt dann vor, wenn das Erkannte in seinen Details in sich schlüssig und als Ganzes widerspruchsfrei den Vorerfahrungen zugeordnet werden kann. Vor allem junge Kinder sind auf Veranschaulichung angewiesen, denn sie steigert Lerneffektivität und Gedächtnishaftung.

In der Reformpädagogik wurde Veranschaulichung von vielen Seiten gefordert. Rousseau sprach von der „Erfahrung an den Dingen“, während Pestalozzi die „Anschauung als Bildungskraft“ einforderte.

Prinzip der Aktivierung

Aktivierung heißt, den Schüler anzuregen und ihm die Möglichkeit zu geben, im tätigen Umgang mit den Dingen Lernerfahrungen zu sammeln. Durch das Prinzip der Aktivierung wird versucht, beim Schüler Selbsttätigkeit (aus eigenem Anlass auf ein Ziel hin mit freigewählten Mitteln und sozialem Bezug) zu bewirken. Oft wird hierbei gefordert, dass der Lehrer oder Erzieher offensichtliche Fehlversuche nicht vorzeitig beendet, sondern dem Schüler die Möglichkeit gegeben wird, aus seinem eigenen Handeln zu lernen.

Im Mittelpunkt der pädagogischen und didaktischen Bemühungen stand die Aktivierung zum Beispiel bei John Dewey („Learning by doing“) und Georg Kerschensteiner („Der Ursprung allen Denkens liegt im praktischen Tun“).

Prinzip der Differenzierung

Differenzierung bedeutet die Auflösung des heterogenen Klassenverbandes zugunsten homogener Gruppen in Bezug auf die Leistungsfähigkeit oder Interessen der Schüler. Differenzierung geht im Extremfall bis zur „Passung“ oder „Individualisierung“. Man hofft hierdurch, den einzelnen Schüler besser bei seinem derzeitigen Entwicklungsstand abholen zu können.

Die Differenzierung hat eine lange schulische Geschichte. So boten schon Schulen des griechischen Altertums verschiedene Bereiche an, denen man sich nach eigenen Fähigkeiten anschließen konnte. Im Mittelalter rückte man unabhängig vom Alter nach Prüfung der Kenntnisse in bestimmte Abteilungen vor. Während Comenius dem entgegen für die Bildung von Jahrgangsklassen eintrat, setzte sich in der Reformpädagogik unter anderem Maria Montessori für individualisierende Verfahren mit dem Ziel der „Selbstbildung“ ein.

Unterschieden werden können die innere Differenzierung bzw. die Binnendifferenzierung (innerhalb des Klassenverbands Differenzierung bezüglich Schwierigkeitsgrad, Art des Lernangebots, Zusatzangebote,...) und die äußere Differenzierung, welche interschulisch die Differenzierung durch Schulart oder intraschulisch die jeweilige Schulstruktur bezeichnet.

Prinzip der Erfolgsbestätigung

Dem Schüler werden Kenntnisse über den Erfolg oder Misserfolg seines Lernverhaltens vermittelt, um weitere Lernerfolge anzubahnen. Die Erfolgsbestätigung ist ein wichtiger Bestandteil des schulischen Lehrens und Lernens. Fast alle lernpsychologische Konzeptionen zeigen auf, dass die Auftretenswahrscheinlichkeit eines Verhaltens abnimmt, wenn keine Erfolgsbestätigung gegeben wird.

Die Erfolgsbestätigung hat verschiedene Bedeutungen:

  • Traditionelle Pädagogik: Lob und Tadel als Erziehungsmittel
  • Lerntheorien: Verstärkung von Lernverhalten
  • Kybernetische Pädagogik: Rückmeldung für Annäherung von Ist- und Soll-Wert

Prinzip der Erfolgssicherung

Durch entsprechende Maßnahmen soll der Lernerfolg einer Unterrichtseinheit längere Zeit erhalten bleiben und das erworbene Wissen gegen Vergessen und Verfall abgesichert werden (auch: „Prinzip der Festigung“).

Mögliche Formen sind die Übung durch reine Wiederholung, Anwendung des Erlernten in der Praxis oder der Transfer auf andere Bereiche.

Prinzip der Schülerorientierung

Dieses Prinzip bezeichnet die Berücksichtigung der Individualität und Anerkennung der Personalität (betrifft Form des Umgangs, gegenseitige Achtung der Würde, offene und vertrauende Partnerschaftlichkeit) des Schülers in allen Bereichen des Unterrichts.

Sabine Ragaller unterscheidet für den Grundschulbereich drei Aspekte der Kindorientierung:

  • Wesensmerkmale des Grundschulkinds, sein Kindsein ernstnehmen
  • Die Individualität (Biografie, Interessen, Bedürfnisse,...) jedes Kindes anerkennen
  • Berücksichtigen der gegenwärtigen Lebenssituation der Kinder (Veränderte Kindheit, Lebens- und Interessenswelt heutiger Kinder)

Schülerorientierung hängt eng mit dem Prinzip der Differenzierung zusammen. Die gegenseitige Anerkennung der Person und der personalen Würde ist Kennzeichen des „demokratischen Unterrichts“. Gefordert wird das gemeinsame Besprechen von Planung, Gestaltung des Unterrichts sowie das Verhalten der Beteiligten im Rahmen einer Meta-Kommunikation.

Prinzip der Ganzheit

Ganzheit oder Ganzheitlichkeit bedeutet im Gegensatz zum zufälligen Nebeneinander oder zur additiven Anhäufung eine urtümliche Geschlossenheit, aus der sich die Bedeutung der integrierten Bereiche ableitet und die sich durch einen unauflösbaren Wirkzusammenhang („Das Ganze ist immer mehr als die Summe seiner Teile“) auszeichnet.

Bereits Pestalozzi forderte in seiner Idee der Elementarbildung die Beteiligung von „Kopf, Herz und Hand“, also die nicht isolierte Tätigkeit im kognitiven, emotionalen und praktischen Bereich.

Prinzip der Strukturierung

Eine Struktur ist ein innerer Zusammenhang eines Gebiets, bei dem sich Teilbereiche abzeichnen, die aber immer notwendigerweise aufeinander bezogen sind. Mittels dieser Bezogenheit lässt sich das Gebiet oft nach bestimmten Kriterien hierarchisch ordnen (z. B. bei der Lernstrukturanalyse als Methode der Inhaltsstrukturierung oder das (triviale) Prinzip Anfang, Mitte, Ende als Methode der Ablaufstrukturierung). Neben diesem inneren Zusammenhang zeichnet sich eine Struktur dadurch aus, dass die Strukturiertheit die Unterschiedenheit einer Realität von anderen Gegebenheiten involviert.

Dieses Prinzip hat eine Ähnlichkeit zum Unterrichtsprinzip der Ganzheit, jedoch werden hier andere Schwerpunkte gesetzt: Das Prinzip der Strukturierung bezieht sich mehr auf die Auswahl der Inhalte und auf die Methodengestaltung.

Bekannt ist dieses Prinzip auch unter der Bezeichnung „Prinzip der kleinsten Schritte“.

Internationale Diskussion

In den USA gehören die „Nine Events of Instruction“ von Robert Gagné zu den bekanntesten Ansätzen zur Unterrichtsplanung.

Literatur

  • H. J. Apel, W. Sacher (Hrsg.): Studienbuch Schulpädagogik, Bad Heilbrunn, 2005, ISBN 3-7815-1364-5.
  • G. Gonschorek, S. Schneider: Einführung in die Schulpädagogik und die Unterrichtsplanung, Donauwörth, 2005, ISBN 3-4030-3216-7.
  • H. Gudjons: Didaktik zum Anfassen, Bad Heilbrunn, 2003, ISBN 3-7815-1269-X.
  • W. Jank, H. Meyer: Didaktische Modelle, Frankfurt, 2002, ISBN 3-5892-1566-6.
  • H. Kiper, H. Meyer, W. Topsch: Einführung in die Schulpädagogik, Cornelsen, Berlin, 2002, ISBN 3-5892-1657-3.
  • Edmund Kösel:Die Modellierung von Lernwelten.Band I.Die Theorie der Subjektiven Didaktik,2002.4. Aufl.darin: Didaktische Prinzipien und Postulate. Bahlingen ISBN 3-8311-3224-0
  • H. Schröder: Lernen - Lehren - Unterricht, München, 2002, ISBN 3-4862-5973-3.
  • W. Wiater: Unterrichtsprinzipien, Donauwörth, 2001, ISBN 3-4030-3617-0.

Weblinks


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