Dipeptidylpeptidase 4

Dipeptidylpeptidase 4
Dipeptidylpeptidase 4

Dipeptidylpeptidase 4

Bändermodell nach PDB 1PFQ
Vorhandene Strukturdaten: 1j2e, 1n1m, 1nu6, 1nu8, 1pfq, 1r9m, 1r9n, 1rwq, 1tk3, 1tkr, 1u8e, 1w1i, 1wcy, 1x70, 2ajl, 2bgn, 2bgr, 2bub, 2fjp, 2g5p, 2g5t, 2g63, 2hha, 2i03, 2iit, 2iiv, 2ogz, 2oph, 2oqi, 2oqv, 2p8s
Masse/Länge Primärstruktur 766 / 728 Aminosäuren
Sekundär- bis Quartärstruktur löslich / single pass Typ 2 Membranprotein; Homodimer; Heterodimer
Bezeichner
Gen-Namen DPP4; ADABP; ADCP2; CD26; DPPIV; TP103
Externe IDs OMIM102720 UniProtP27487   MGI94919 CAS-Nummer54249-88-6
Enzymklassifikation
EC, Kategorie 3.4.14.5  Serinprotease
MEROPS S09.003
Reaktionsart Hydrolyse, spaltet Dipeptide vom N-terminalen Ende eines Peptides ab
Substrat Oligopeptide und auch Polypeptide (bevorzugt Peptide mit Prolinresten in der P1-Position)
Produkte kürzere Peptide + Dipeptide
Vorkommen
Homologie-Familie Dipeptidylpeptidase 4
Übergeordnetes Taxon Lebewesen

Das proteolytische Enzym Dipeptidylpeptidase 4 (Kurzformen: DPP 4, auch DPP IV, DP IV) wird den Exopeptidasen zugeordnet. Es spaltet vom N-terminalen Ende eines Peptides Dipeptide ab.

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Die Abspaltung der Dipeptide findet bevorzugt statt, wenn sich an zweiter Stelle der Aminosäuresequenz ein Prolin- oder Alaninrest befindet. Wenn an dritter Stelle der Aminosäuresequenz ein Prolinrest steht, wird das Peptid jedoch nicht angegriffen. Schon vor einigen Jahren stellte Yaron (Israel)[1] eine Reihe von biologisch aktiven Peptiden vor, die als potentielle Subsatrate der DP IV fungieren können. Sie alle haben die N-terminale Sequenz AS-Pro-.... . Einige dieser Substanzen wurden experimentell geprüft und sie konnten als Substrate der Dipeptidylpeptidase 4 bestätigt werden. Dabei stellte sich heraus, dass durch die katalytische Hydrolyse (Spaltung) die biologische Wirkung ausgeschaltet oder geschwächt bzw. verstärkt wird. Es ist auch möglich, dass sich eine biologische Wirkung aus einem inaktiven Vorläufer erst ausbildet, oder dass keine Spaltung durch DP IV erfolgt. Dazu einige Beispiele:

Wirkungen

Casomorphine

Die Casomorphine sind kurzkettige Peptide, die erstmals aus dem β-Casein der Kuhmilch gewonnen wurden (Henschen, Brantl und Teschemacher, Max-Planck-Institute Martinsried und München). Sie sind in der Sequenz des Proteins enthalten und können aus ihm isoliert werden. Es handelt sich bei den Rinder-Casomorphinen um ein Heptapeptid und ein Pentapeptid. Beide Verbindungen haben physiologisch eine opioide Aktivität (etwa 4 % der des Morphins). Das Pentapeptid entsteht aus dem Heptapeptid durch C-terminale Sequenzverkürzung mittels Carboxypeptidase Y. β-Casomorphin-5 wird durch Dipeptidylpeptidase 4 weiterhin schrittweise abgebaut und dabei inaktiviert[2]:

β-Casomorphin-5: Tyr-Pro-Phe-Pro-Gly

Einige Abkömmlinge des ß-Casomörphin-5 zeigen eine höhere opioide Aktivität im Vergleich zu Morphin (icv-appliziert). Bei den Des-Tyr Derivaten dieser Verbindungen ist keine opioide Wirksamkeit mehr vorhanden, an ihrer Stelle tritt aber eine neuroleptische Aktivität in den Vordergrund.

Substanz P

Die physiologisch aktive Substanz P wird durch DP IV limitierend hydrolysiert. Dabei kommt es zu einer messbaren Aktivitätserhöhung.[3]

Substanz P: Arg-Pro-Lys-Pro-Gln-Gln-Phe-Phe-Gly-Leu-Met-NH2

Melittin

Sehr interessant sind Arbeiten der Gruppe um Kreil aus Salzburg, das Gift der Honigbiene betreffend. Aus einem Vorläuferpeptid (Promelittin) wird durch Dipeptidylpeptidase 4 das Bienengift Melittin freigesetzt, indem Schritt für Schritt 10 Dipeptide der Sequenz AS-Pro und AS-Ala abgespalten werden:[4]

Promelittin: Ala-Pro-Glu-Pro-Glu-Pro-Ala-Pro-Glu-Pro-Glu-Ala-Glu-Ala-Asp-Ala-Glu-Ala-Asp-Pro-Glu-Ala-Melittin

Bradykinin

Bradykinin ist trotz der N-terminalen Arg-Pro-Sequenz nicht durch DP IV hydrolysierbar, da in AS3-Position ein Pro steht.[5]

Bradykinin: Arg-Pro-Pro-Gly-Phe-Ser-Pro-Phe-Arg

Inhibitoren

Allgemeine Strukturformel der β-Aminoacylamide.
Strukturformel von Sitagliptin.

Durch Hemmung der katalytischen Aktivität der Dipeptidylpeptidase 4 ist es möglich, die Wirkung dieses Enzyms auszuschalten. Dies führt zu der Forderung nach der Entwicklung effektiver und spezifischer Inhibitoren der Dipeptidylpeptidase 4. Grundsätzlich sind die Spaltprodukte der Enzymwirkung potentielle Enzymhemmer, insbesondere die Verbindungen AS-Pro. Effektiver sind die decarboxylierten Derivate, also die AS-Pyrrolidide. Kürzlich sind die β-Aminoacyl-amide interessant geworden. Insbesondere Sitagliptin wurde im Oktober 2006 in den USA als Wirkstoff gegen Diabetes Typ II zugelassen, und als Arzneistoff unter dem Handelsnamen Januvia® vertrieben.

Bei der Wirkung der DP IV-Inhibitoren gegen Diabetes Typ II handelt es sich um einen grundsätzlich neuen Wirkmechanismus. Die neuen Befunde wurden erstmalig von H.-U. Demuth et al. (PROBIODRUG, Halle) erbracht, der die Grundlagenforschung mit der angewandten Forschung von vorn herein verknüpfte[6]. Es ist bekannt, dass das Hormon Glucagon-like Peptid 1 (GLP-1) die Freisetzung des Insulins anregt. Des Weiteren blockiert es die Freisetzung des Hormons Glucagon, welches im Glucosestoffwechsel zur Erhöhung des Glucosespiegels im Blut führt. Dipeptidylpeptidase 4 baut GLP-1 ab. Inhibitoren der DP IV verhindern diesen Abbau und bewirken damit die Förderung der Insulinfreisetzung indirekt, ebenso wie die reduzierte Bildung von Glucose auf dem Weg der Gluconeogenese. Da dieser Mechanismus im Darm abläuft, ist eine orale Applikation möglich.

Vor einigen Jahren wurde durch eine Zusammenarbeit von Forschungsgruppen der Universität Halle (Neubert), der Charite Berlin (Buntrock) und dem Betrieb Berlin-Chemie (Kaufmann) gefunden, dass die Substanz εZ(4-NO2)-Lys-Pro eine die Wundheilung fördernde Wirkungen besitzt, verbunden mit einer Stimulation der Bildung von Granulationsgewebe. Die Verbindung εZ(4-NO2)-Lys-Pro ist ein Dipeptidylpeptidase-4-Inhibitor. Ein kausaler Zusammenhang zwischen wundheilungsfördernder Wirksamkeit und der DP IV Hemmung führt zu einer interessanten Schlussfolgerung: Die differenten kurativen Effekte werden zwar durch identische Rezeptoren (DP IV) ausgelöst, sie sind jedoch eine Folge unterschiedlicher Applikationsorte (bei den DP IV–Hemmern als Pharmaka gegen Diabetes Typ II erfolgt eine orale Anwendung in Tablettenform über den Darm. Im Gegensatz dazu wird bei der Wundheilung der Applikationsort durch die zu behandelnde Wunde bestimmt).[7]

Kürzlich wurde von W. Reutter und Hua Fan et al. (Charite, Berlin) berichtet, dass die CD26 (DP IV-Protein) nicht unbedingt direkt mit der HIV-Infektion verknüpft ist, aber sie ist an der Reduktion der Immunantwort bei der AIDS-Krankheit beteiligt[8].

Ausgehend von den Forschungen eines Teams unter Leitung von S. Ansorge et al.(IMT Magdeburg)in Zusammenarbeit mit K. Neubert et al.(Universität Halle) wurde das Prinzip PETIR (Peptidase Target Immune Regulation) beschrieben. PETIR ist eine neuartige therapeutische Plattform zur Behandlung von chronischen Entzündungen, Allegien und Autoimmunerkrankungen. PETIR-Therapeutika sind Strukturen, die die Eigenschaften der Hemmung der beiden Zielenzyme Dipeptidyl Peptidase IV und Aminopeptidase N in einer einzigen niedermolekularen chemischen Verbindung vereinen[9]. Durch Hemmung der Zielenzyme wird eine hocheffektive Verringerung der allgemeinen inflammatorischen Reaktion initiirt, die auf der gleichzeitigen Senkung des Aktivierungszustandes chronisch aktivierter Immunzellen und der parallelen Reaktivierung der immunsuppressiven regulatorischer T-Zellen beruht. Entsprechende Therapeutika werden für die lokale Therapie mittelschwerer und schwerer Formen der Akne vulgaris entwickelt. Das Präparat IP10.C8 beeinflusst sowohl Wachstum und Differenzierung von Sebozyten als auch Keratinocyten und ist ein sehr potenter Hemmer der lokalen Entzündungsreaktion. Darüber hinaus wirkt die Substanz gegenüber Propionibacterium acnes bakteriostatisch und stellt durch den parallelen Angriff dieser Hauptpathogenitätsfaktoren eine hoffnungsvolle Alternative zu den derzeitigen Behandlungsmöglichkeiten der Akne dar. Es wurde festgestellt, dass Erkrankungen wie Alzheimer, Artheriosklerose, der Verhärtung von Schlagadern und Multipler Sklerose im Stoffwechsel Schlüsselenzyme besitzen nämlich die Glutaminyl-Cyclase (QC) und die iso-Glutaminyl-Cyclase (isoQC), sie verhindern durch einen Pyroglutamat-Ringschluss die katalysierte Abspaltung der N-terminalen Glutaminsäure durch Aminopeptidasen bezw. die Eleminierung des Dipeptids Glu-Pro aus den Substraten durch Dipeptidyl Peptidase IV[10]. Auch hier ist also die DP 4 mit beteiligt. So schließt sich der Kreis.

Wesentliche Indikationen der CD26/DP IV - eine Zusammenfassung

- Inhibitoren der DP IV sind Arzneimittel gegen Diabetes Typ II

- Inhibitoren der DP IV fördern die Wundheilung

- Die DP IV ist an der Immunschwäche bei AIDS beteiligt

- Bifunktionelle Inhibitoren sind Entzündungshemmer und Pharmaka gegen Akne

- Die DP IV ist am Mechanismus bei Alzheimer, Arteriosklerose, oder Multipler Sklerose beteiligt.

Literatur (Auswahl)

  • Küllertz G, Fischer G, Barth A: [Catalytic mechanism of dipeptidyl-peptidase IV]. In: Acta Biol. Med. Ger.. 37, Nr. 4, 1978, S. 559–67. PMID 735626.
  • Barth, A., Neubert, K., Schwarz, G., Fischer, G., Dove, S., Franke, R: Enzymatic Hydrolyses of Alanyl-alanine-anilides by Dipeptidyl Peptidase IV. In: Seydel, J. K. (Hrsg.): QSAR and Strategies in the Design of Bioactive Compounds. Proceedings of the 5th European Symposium on QSAR. Verlag Chemie, Weinheim 1985, ISBN 3-527-26306-3, S. 318-21.
  • Brandt, W., Hofmann, T.: Biol. Zentr. Bl. 107, S. 21–30 (1988)
  • Brandt W, Lehmann T, Thondorf I, et al.: A model of the active site of dipeptidyl peptidase IV predicted by comparative molecular field analysis and molecular modelling simulations. In: Int. J. Pept. Protein Res.. 46, Nr. 6, Dezember 1995, S. 494–507. PMID 8748710.
  • Tulinsky A, Blevins RA: Structure of a tetrahedral transition state complex of alpha-chymotrypsin dimer at 1.8-A resolution. In: J. Biol. Chem.. 262, Nr. 16, Juni 1987, S. 7737–43. PMID 3584139.
  • Fischer, G. , Barth, A.: Beiträge zu Wirkstoff-forchg. 11, S. 105–133
  • Mace JE, Agard DA: Kinetic and structural characterization of mutations of glycine 216 in alpha-lytic protease: a new target for engineering substrate specificity. In: J. Mol. Biol.. 254, Nr. 4, Dezember 1995, S. 720–36. doi:10.1006/jmbi.1995.0650. PMID 7500345.
  • Stoll VS, Eger BT, Hynes RC, Martichonok V, Jones JB, Pai EF: Differences in binding modes of enantiomers of 1-acetamido boronic acid based protease inhibitors: crystal structures of gamma-chymotrypsin and subtilisin Carlsberg complexes. In: Biochemistry. 37, Nr. 2, Januar 1998, S. 451–62. doi:10.1021/bi971166o. PMID 9425066.
  • Brandt W, Lehmann T, Hofmann T, Schowen RL, Barth A: The probable conformation of substrates recognized by dipeptidyl-peptidase IV and some aspects of the catalytic mechanism derived from theoretical investigations. In: J. Comput. Aided Mol. Des.. 6, Nr. 2, April 1992, S. 159–74. PMID 1352539.
  • Ludwig K, Yan S, Fan H, Reutter W, Böttcher C: The 3D structure of rat DPPIV/CD26 as obtained by cryo-TEM and single particle analysis. In: Biochem. Biophys. Res. Commun.. 304, Nr. 1, April 2003, S. 73–7. PMID 12705886.
  • Barth, A.: Acta Facult. Pharm. Univ. Comenianae 55, S. 11–22 (2008)
  • Barth, A.: Acta Facult. Pharm. Univ. Comenianae 52 (2005).

Einzelnachweise

  1. Jaron:"Biopolymers"26,215,1987
  2. Hartrodt B, Neubert K, Fischer G, Schulz H, Barth A: [Synthesis and enzymatic degradation of beta-casomorphin-5 (author's transl)]. In: Pharmazie. 37, Nr. 3, März 1982, S. 165–9. PMID 7100234.
  3. Heymann E, Mentlein R: Liver dipeptidyl aminopeptidase IV hydrolyzes substance P. In: FEBS Lett.. 91, Nr. 2, Juli 1978, S. 360–4. PMID 680144.
  4. Kreil G, Haiml L, Suchanek G: Stepwise cleavage of the pro part of promelittin by dipeptidylpeptidase IV. Evidence for a new type of precursor--product conversion. In: Eur. J. Biochem.. 111, Nr. 1, Oktober 1980, S. 49–58. PMID 7002560.
  5. Kato T, Nagatsu T, Fukasawa K, Harada M, Nagatsu I, Sakakibara S: Successive cleavage of N-terminal Arg1--Pro2 and Lys3-Pro4 from substance P but no release of Arg1-Pro2 from bradykinin, by X-Pro dipeptidyl-aminopeptidase. In: Biochim. Biophys. Acta. 525, Nr. 2, August 1978, S. 417–22. PMID 687639.
  6. Demuth et al.div. Publikationen auf dem Gebiet der DP IV Hemmer/Diabetes Typ II
  7. Patent DD248961: Process for manufacturing preparations promoting wound healing, and such preparations.. Angemeldet am 22. Mai 1984, veröffentlicht am 26. August 1987, Anmelder: Jentzsch, K. D., Buntrock, P., Oehme, P., Kuhl, A., Neubert, K., Erfinder: Akademie der Wissenschaften der DDR.
  8. Tansi FL, Blanchard V, Berger M, Tauber R, Reutter W, Fan H: Interaction of human dipeptidyl peptidase IV and human immunodeficiency virus type-1 transcription transactivator in Sf9 cells. (PDF) In: Virol. J.. 7, 2010, S. 267. doi:10.1186/1743-422X-7-267. PMID 20942971. Volltext bei PMC: 2967539.
  9. Anorge et al.,IMTM,neuartiges Wirkprinzip,div. Publikationen der Wirkung von bifunktionellen Inhibioren bei Akne und als Entzündungshemmer
  10. St.Schilling,H.-U. Demuth et al., Probiodrug: The isoenzyme of glutaminyl cyclase is an important regulator of monocyte infiltration under inflammatory conditions. "EMBO Mol. Med. 3,1-14, 2011

Siehe auch


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