- Doğan Akhanlı
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Doğan Akhanlı (* 1957 in Şavşat, Provinz Artvin) ist ein türkischstämmiger deutscher Schriftsteller. Er lebt seit 1992 in Köln.
Inhaltsverzeichnis
Leben
Mit zwölf Jahren zog Doğan Akhanlı, der im äußersten Nordosten der Türkei geboren wurde, zu einem älteren Bruder nach Istanbul, um seine Schulbildung fortzusetzen. Nach einer kurzen Inhaftierung 1975 wegen des Kaufs einer linksgerichteten Zeitschrift begann er sich politisch zu engagieren. Nach dem Militärputsch in der Türkei 1980 ging er in den Untergrund, 1985 bis 1987 saß er als politischer Häftling im Militärgefängnis von Istanbul. 1991 floh er nach Deutschland. Seit 1995 lebt er als Schriftsteller in Köln.
Strafprozess in der Türkei und Reaktionen in Deutschland
Am 10. August 2010 wurde Doğan Akhanlı bei der Einreise in die Türkei festgenommen[1][2][3] und verbrachte wegen angeblicher Teilnahme an einem 1989 geschehenen Raubüberfall mehrere Monate in Untersuchungshaft[4]. Der Prozess wurde 2011 in seiner Abwesenheit fortgesetzt. Akhanlı bestritt jegliche Verwicklung in das Verbrechen und bezeichnete die Anklage als politisch motiviert und konstruiert. Am 12. Oktober 2011 wurde Akhanlı in Istanbul aus Mangel an Beweisen freigesprochen. Zwei Zeugen hatten ihre belastenden Aussagen unter polizeilichem Druck gemacht und später wieder zurückgezogen. [5] Die Vorsitzenden der deutschen Partei Bündnis 90/Die Grünen, Cem Özdemir und Claudia Roth, begrüßten den Freispruch und erklärten, der Prozess gegen Akhanlı sei „offenkundig von Anfang an politisch motiviert“ gewesen. Özdemir forderte die türkischen Behörden auf, das Einreiseverbot für den in Köln lebenden Akhanlı aufheben.[6]
Werk
1998/99 erschien in türkischer Sprache die Trilogie „Kayıp Denizler“ (Die verschwundenen Meere). Die ersten beiden Bände heißen „Denizi Beklerken“ (Warten auf das Meer) und „Gelincik Tarlası“ (Das Mohnblumenfeld). Der letzte Band „Kıyamet Günü Yargıçları“ (Die Richter des jüngsten Gerichts) thematisiert den Völkermord an den Armeniern und die staatliche Unterdrückung und Verfolgung von Anerkennung des Völkermordes in der Republik Türkei.[7] Die (fiktiven) Schicksale einiger freundschaftlich miteinander verbundener junger Menschen, die in den vorangegangenen Bänden erzählt werden, beleuchten die politische Entwicklung in der Türkei zwischen den 1970er und 1990er Jahren.
Der Roman „Madonna'nın Son Hayali“ (Der letzte Traum der Madonna), erschienen 2005, erzählt über den Fall ‚Struma’, eines Schiffes mit über 700 jüdischen Flüchtlingen, das 1942 im Schwarzen Meer versenkt wurde. Das Buch wurde von türkischen Kritikern und Schriftstellern zu den besten zehn Romanen des Jahres 2005 gerechnet. 2009 erschien „Babasız günler“ (Tage ohne Vater), Ende 2010 „Fasıl“.
In seinen Romanen, in Aufsätzen und Interviews sowie in Projekten setzt Doğan Akhanlı sich immer wieder für den wahrhaftigen Umgang mit historischer Gewalt und für die Unteilbarkeit der Menschenrechte ein. Er ist der Initiator der Raphael-Lemkin-Bibliothek[8] in Köln. Schwerpunkte seines zivilgesellschaftlichen Engagements sind das Gedenken und die Aufarbeitung von Völkermorden des 20. Jahrhunderts, wie den Völkermord an den Armeniern und seine Opfer, und der interkulturelle an Versöhnung orientierte Dialog.
Seine Projekte wurden unter anderem von der Bundesstiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft gefördert und zuletzt im Jahr 2009 vom Bündnis für Demokratie und Toleranz ausgezeichnet. Doğan Akhanlı ist Mitarbeiter des gemeinnützigen Vereins „Recherche International“. Der Verein befasst sich vorrangig mit der bildungsorientierten Aufarbeitung von genozidalen Gewalterfahrungen. [9]
Weblinks
Commons: Doğan Akhanlı – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien- Literatur von und über Doğan Akhanlı im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Gerechtigkeit für Dogan Akhanli, Die Informations- und Kampagnen-Website des Unterstützerkreises nach Akhanlıs Festnahme
- Das jüdische Internetmagazin haGalil fordert die sofortige Freilassung Dogan Akhanlis
- Die Fremde und eine Reise im Herbst
Rezensionen
- „Die Richter des Jüngsten Gerichts“ und die türkische Justiz" von Von Norbert Mecklenburg
- „Ein verwirrender Roman“, von Albrecht Kieser
- „Les juges de l’apocalypse“
- „Um sein Leben schreiben“, von Susanne Gannot
Interviews
- „Wenn ich auf Deutsch schreiben könnte, wäre es natürlich einfacher...“, Interview mit Georg Simet* Interview mit dem türkischen Schriftsteller Dogan Akhanli: Zwischen den Fronten, Interview mit Eren Güvercin, Qantara.de
- „Jeder muss sich mit dem Holocaust beschäftigen“, Interview mit Dirk Eckert
- „Für viele Türken kein Thema“, Interview mit Jürgen Schön
- „Migranten haben keinen Persilschein“, Interview mit Semiran Kaya
Einzelnachweise
- ↑ Juergen Gottschlich: Deutsch-türkischer Schriftsteller verhaftet: Dürftige Indizien. In: taz.de, 26. August 2010. Abgerufen am 12. Dezember 2010.
- ↑ Martin Rosenbach: Opfer der türkischen Justiz - Dogan Akhanli droht lebenslange Haft in der Türkei, 3sat. 15. September 2010. Abgerufen am 12. Dezember 2010.
- ↑ Gerechtigkeit für Doğan Akhanlı (2010). Abgerufen am 12. Dezember 2010.
- ↑ Prozess gegen deutsch-türkischen Autor: Akhanli wird aus Untersuchungshaft entlassen. In: tagesschau.de, 8. Dezember 2010. Abgerufen am 12. Dezember 2010.
- ↑ Prozess gegen deutsch-türkischen Autor. Schriftsteller Akhanli freigesprochen Tagesschau.de, 13. Oktober 2011. Abgerufen am 2. November 2011
- ↑ Grüne: Freispruch Akhanlis ist Sieg der Gerechtigkeit Domradio.de, 13. Oktober 2011. Abgerufen am 2. November 2011
- ↑ Dogan Akhanli: Ein gebrochenes Land Neue Rheinische Zeitung, abgerufen am 13. Oktober 2011
- ↑ http://www.allerweltshaus.de/Biblio.html
- ↑ http://www.3www2.de/
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