Cem Özdemir

Cem Özdemir
Cem Özdemir (2010)

Cem Özdemir [ʤɛm œzdɛmir] (* 21. Dezember 1965 in Urach, jetzt Bad Urach) ist ein deutscher Politiker und seit November 2008 neben Claudia Roth Bundesvorsitzender der Partei Bündnis 90/Die Grünen.

Inhaltsverzeichnis

Leben und Beruf

Özdemirs Familie lebte in der Türkei als Angehörige der tscherkessischen Minderheit, sein Vater wanderte als Gastarbeiter nach Deutschland ein.[1] Özdemir selbst wurde nach der Einwanderung in Deutschland geboren und nahm 1983 die deutsche Staatsbürgerschaft an. Nach der Mittleren Reife machte er eine Ausbildung zum Erzieher. Anschließend erwarb er die Fachhochschulreife und absolvierte ein Studium der Sozialpädagogik an der „Evangelischen Fachhochschule für Sozialwesen Reutlingen“ (heute Evangelische Hochschule Ludwigsburg), das er als Diplom-Sozialpädagoge (FH) beendete. Ab 1987 war Özdemir als Erzieher und freier Journalist tätig.

1981 wurde Özdemir Mitglied von Bündnis 90/Die Grünen. Er hat seine politische Heimat im Grünen-Kreisverband Ludwigsburg.[2] Von 1989 bis 1994 war er im Grünen-Landesvorstand von Baden-Württemberg. 1992 zählte er zu den Mitbegründern von Immi-Grün – Bündnis der neuen InländerInnen.

Bundestagsabgeordneter

Bei der Bundestagswahl 1994 sowie erneut bei der Bundestagswahl 1998 wurde Özdemir über die Landesliste Baden-Württemberg in den Deutschen Bundestag gewählt. Als Mitglied des Deutschen Bundestages war er ab 1998 innenpolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Dieses Amt legte er am 26. Juli 2002 nieder, nachdem Veröffentlichungen über einen günstigen Privatkredit von PR-Berater Moritz Hunzinger[3] und die unzulässige Verwendung dienstlich erworbener Bonus-Meilen Aufsehen erregt hatten. Ebenso erklärte er seinen Rückzug aus dem Bundestag.[4] Die Kandidatur für die Bundestagswahl 2002 konnte er wegen einer bereits erteilten Zustimmung nicht mehr zurückziehen, aber nach seiner Wiederwahl nahm er das Bundestagsmandat nicht an.

Nach dem Rücktritt als Bundestagsabgeordneter zog sich Özdemir eine Zeitlang aus der deutschen Öffentlichkeit zurück. 2003 trat er einen Auslandsaufenthalt in den USA als Transatlantic Fellow des German Marshall Fund of the United States an.[5] In dieser Zeit hielt er neben anderen Vorträgen Brownbag-Lesungen an der University of Wisconsin zur Rolle der Türkei in Europa.[6]

Im September 2004 war Cem Özdemir unter den Unterzeichnern eines von der neokonservativen US-amerikanischen Denkfabrik Project for the New American Century (PNAC) veröffentlichten Offenen Briefes an die Staatsoberhäupter und Regierungschefs von NATO und EU gegen die Politik des russischen Präsidenten Wladimir Putin.[7]

Europaabgeordneter

Bei der Europawahl 2004 wurde Özdemir in das Europäische Parlament gewählt. Als Mitglied des Europäischen Parlaments gehörte er der Fraktion Die Grünen/EFA an. Er war Mitglied des Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten und außenpolitischer Sprecher seiner Fraktion. Zudem war er stellvertretender Vorsitzender des nichtständigen Ausschusses zur behaupteten Nutzung europäischer Staaten durch die CIA für die Beförderung und das rechtswidrige Festhalten von Gefangenen (CIA-Ausschuss)[2] sowie Mitglied der hochrangigen Kontaktgruppe Nordzypern, der interparlamentarischen Delegation EU-Türkei, der Anti-Racism and Diversity Intergroup[2]. Als Europaabgeordneter setzte er sich unter anderem für den Eintritt der Türkei in die EU ein.[8]

Özdemir ist Mitglied der Atlantik-Brücke. 2007 war er an der Gründung der europäischen Denkfabrik European Council on Foreign Relations beteiligt.[9]

Als Europaabgeordneter übernahm Özdemir 2007 auch die Schirmherrschaft über den Christopher Street Day Stuttgart.[2] Er ist offizieller Unterstützer des Bündnisses Freiheit statt Angst für Datenschutz und gegen staatliche Überwachung.[10]

Zur Europawahl 2009 trat Özdemir nicht wieder an.

Parteivorsitzender

Am 2. Juni 2008 kündigte Özdemir seine Kandidatur für den Bundesvorsitz seiner Partei als Nachfolger von Reinhard Bütikofer an.[11] Gegenkandidat Özdemirs für die im November angesetzte Wahl war Volker Ratzmann, Grünen-Fraktionschef im Abgeordnetenhaus von Berlin,[12] der jedoch nach eigenen Angaben aus privaten Gründen seine Kandidatur am 4. September 2008 aufgab.

Vor der Wahl zum Bundesvorsitzenden bewarb sich Özdemir auf dem Landesparteitag der Grünen Baden-Württemberg um einen aussichtsreichen Listenplatz für die Bundestagswahl 2009. Er unterlag dabei in zwei Kampfkandidaturen seinen parteiinternen Gegenkandidaten.[13] Nachdem ihm der baden-württembergische Landesverband der Grünen einen aussichtsreichen Listenplatz versagt hatte und er somit bei der Bundestagswahl 2009 nicht über einen Listenplatz abgesichert war, gelang ihm der Einzug in den 17. Deutschen Bundestag nicht. Bei seiner Bewerbung um ein Direktmandat im Wahlkreis Stuttgart I holte er 29,9 % der Erststimmen und verlor gegen den Gegenkandidaten Stefan Kaufmann (CDU), der 34,4 % erreichte.[14] Trotz der Niederlage bei der Vergabe der Listenplätze für die Bundestagswahl hielt Özdemir an seiner Kandidatur für den Parteivorsitz fest.[15] Am 15. November 2008 wurde Özdemir mit 79,2 Prozent der Delegiertenstimmen als einer von zwei Bundesvorsitzenden der Partei gewählt.[16] Mitvorsitzende ist Claudia Roth. 2010 wurde Özdemir mit 88,5 Prozent in diesem Amt bestätigt.

Im Rahmen der Diskussionen über Verbesserungen in der Bildungspolitik schlug Özdemir 2010 vor, neben dem Erlernen der deutschen Sprache auch Türkisch-Unterricht in deutschen Schulen einzuführen.[17]

Sonstiges

Im Juli 2011 trat Özdemir aus dem Vergabe-Komitee des Quadriga-Preises aus, um gegen die geplante und danach ausgesetzte[18] Verleihung des Preises an Wladimir Putin zu protestieren.[19]

Privates

Özdemir bezeichnete sich im Jahr 2008 in einem in englischer Sprache geführten Interview als „säkularen Muslim“.[20] Der Politiker ist mit der aus Argentinien stammenden Journalistin Pia Maria Castro verheiratet, das Paar hat zwei Kinder.[21]

Veröffentlichungen

Weblinks

 Commons: Cem Özdemir – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Die Zeit, 23. Oktober 2009: "Unser Cem".
  2. a b c d Gayweb-Newsticker: Cem Özdemir: Schirmherr des CSD Stuttgart 2007
  3. Manager-Magazin, 22. Juli 2002: Der Skandal um die PR-Honorare
  4. Matthias Geis in Die Zeit Nr. 32/02, 1. August 2002: Özdemir fliegt – und die Grünen geben sich moralisch (Özdemirs Rücktritt in Relation zu den Verfehlungen von Scharping und Gysi)
  5. German Mashall Funds of the United States: Past Fellows
  6. University of Wisconsin: Center for European Studies Spring 2003 Events
  7. http://www.newamericancentury.org/russia-20040928.htm
  8. http://www.abendblatt.de/politik/deutschland/article1334085/Gruenen-Chef-Cem-Oezdemir-CSU-unsaeglich.html
  9. Übersicht über die Mitglieder auf der ECFR-Homepage
  10. Demonstration Freiheit statt Angst Unterstützerliste
  11. vgl. Özdemir kündigt Kandidatur als Parteichef an bei Spiegel-Online (aufgerufen am 2. Juni 2008)
  12. vgl. Volker Ratzmann kandidiert für Grünen-Vorsitz bei welt.de, 15. Juni 2008 (aufgerufen am 15. Juni 2008)
  13. Ferda Ataman in Spiegel Online, 12. Oktober 2008: Özdemir gescheitert: Grüne demütigen designierten Vorsitzenden.
  14. Ergebnisse der Bundestagswahl 2009 in Stuttgart
  15. Spiegel Online, 13. Oktober 2008: Trotz Demütigung: Özdemir kandidiert für Grünen-Vorsitz
  16. Die Welt, 15. November 2008: Özdemir und Roth neue Doppelspitze der Grünen.
  17. http://nachrichten.t-online.de/die-gruenen-cem-oezdemir-fuer-tuerkisch-unterricht-an-schulen/id_16954310/index
  18. Kein Quadriga-Preis - auch nicht für Putin Tagesschau.de, 16. Juli 2011, abgerufen am 6. August 2011
  19. Die Zeit: Özdemir verlässt Quadriga-Kuratorium. - Grünen-Chef Özdemir hat den Verein Werkstatt Deutschland wegen der Quadriga-Verleihung an Regierungschef Putin verlassen. Die Ehrung stößt international auf Kritik.
  20. Spiegel online, 15. Oktober 2008: A Turk at the Top (englisch).
  21. spiegel.de 5. Dezember 2009

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