Struma (Schiff)

Struma (Schiff)

Struma war der Name eines bulgarischen Schiffes, das im Dezember 1941 jüdische Flüchtlinge in das damals unter britischer Verwaltung stehende Palästina bringen sollte. Ein Torpedo des sowjetischen U-Boots ShCh-213 (Щ-213), das gegen den Schiffsverkehr der Achsenmächte im Schwarzen Meer eingesetzt war, versenkte es am 24. Februar 1942. Fast alle Passagiere starben.

Inhaltsverzeichnis

Vorgeschichte des Schiffes

Die Struma war eine bereits im Jahre 1880 auf der Werft von Palmers Shipbuilding & Iron Co. Ltd. im englischen Newcastle upon Tyne gebaute Yacht gewesen, die unter dem Namen Cornelia von Stapel gelaufen war. Das aus Eisen gebaute Schiff war 57,1 Meter lang und 7,7 Meter breit und war mit 469 BRT vermessen. Der Antrieb bestand aus einer zweizylindrigen Expansionsdampfmaschine und drei Masten (dies betrifft den Zustand bei der Fertigstellung, später wurde ein Mast komplett entfernt und die beiden anderen wurden gekürzt). Zwischen 1880 und 1911 gehörte die Yacht verschiedenen wohlhabenden Privatpersonen in England.

1911 wurde das Schiff nach Österreich-Ungarn verkauft und war bis 1913 in Split bei der Firma Papaic & Novak registriert. Während dieser Zeit fuhr das Schiff noch unter dem ursprünglichen Namen Cornelia. 1913 wurde die Yacht an ein griechisches Unternehmen weitereräußert und in Makedonia umgetauft. Unter diesem Namen wurde das Schiff vermutlich bis Mitte der 1920er Jahre eingesetzt, ehe es um 1925 von der in Piräus ansässigen Firma S. A. Ionienne de Navigation & Vap. Ioanulato übernommen und in Ioannina umgetauft wurde. 1930 wurde die Yacht von der ebenfalls in Piräus sitzenden Hellenic Coast Lines übernommen und von dieser, ebenfalls noch unter dem Namen Ioannina, bis 1934 auf Küstenrouten eingesetzt. Im gleichen Jahr erfolgte schließlich der Weiterverkauf des Schiffes nach Bulgarien. Ab diesem Zeitpunkt (1934) ist der Verbleib der Yacht nicht genau bekannt. Vermutlich jedoch ist sie mit dem alten und als yachtähnlich beschriebenen Schiff Esperos identisch, das ab Mitte der 1930er Jahre im bulgarischen Warna gelegen hatte. Wann die mögliche Umbenennung von Ioannina in Esperos erfolgt ist, ist nicht genau gesichert, vermutlich aber geschah dies um 1934/35. Teile des Schiffes, darunter einer der Masten und Stücke der Inneneinrichtung, wurden ab dieser Zeit von Bord gegeben, um das Schiff für den Frachttransport besser nutzen zu können. 1939 wurde schließlich auch der vom Zusammenbruch bedrohte Motor ausgebaut.

Zwischen 1939 und 1940 lag die Esperos infolgedessen antriebslos in Warna und diente lediglich als Leichter für den Frachttransport. Im Dezember 1940 wurde das alte und heruntergewirtschaftete Schiff von der bulgarischen Struma AG aufgekauft, die die ehemalige Yacht in Struma umbenannte und welche im Rahmen einer Grundüberholung auch einen neuen Motor einbauen ließ. In dieser Situation wurde der in Warna ansässige und für verschiedene zionistische Organisationen tätige jüdische Augenarzt Dr. Baruch Konfino, der bereits 1939 die Ausfahrten der kleinen und altersschwachen Flüchtlingsschiffe Rudnitchar und Bopha (mit insgesamt 368 Menschen an Bord) nach Palästina mitinitiiert hatte, auf die Struma aufmerksam. Konfino erwarb das Schiff am 15. Dezember 1940 von der Struma AG, behielt den Namen bei und ließ die alte Yacht für den Transport von einer größeren Zahl von Flüchtlingen herrichten. So wurden in den Laderäumen mehrstöckige Holzpritschen eingebaut und im Inneren des Rumpfes Wassertanks und Latrinen installiert. Der Umbau zog sich allerdings mehrere Monate hin und zudem war am 1. März 1941 Bulgarien dem Dreimächtepakt beigetreten, was nur einen Tag später zum abgesprochenen Einrücken deutscher Truppen nach Bulgarien führte. Vor diesem Hintergrund mussten Konfino und die in den Transport involvierten zionistischen Gruppen (unter anderem Betar) große Vorsicht walten lassen und verlegten das noch unzureichend ausgerüstete Schiff von Warna nach dem rumänischen Constanza.

Diese Verzögerungen führten dazu, dass die Struma Constanza erst am 12. Dezember 1941 verlassen konnte. An Bord des Schiffes, das unter dem Befehl des bulgarischen Kapitäns G. T. Gorbatenko stand und unter panamaischer Flagge fuhr, befanden sich 768 jüdische Flüchtlinge, die zumeist aus der Bukowina und Bessarabien stammten. Große Vorräte befanden sich keine an Bord, da man für die Überfahrt nach Istanbul nur 14 Stunden eingeplant hatte. Auch Rettungsmittel befanden sich keine an Bord.

Die Überfahrt und die Lage in Istanbul

Bereits kurz nach dem Auslaufen aus Constanza setzte der Motor der Struma immer wieder aus. Dies führte dazu, dass das Schiff erst nach vier Tagen, am 16. Dezember 1941, Istanbul erreichte. Kurz vor der Ankunft brach die Maschine komplett zusammen, weswegen die Struma von einem Schlepper in den Hafen gezogen werden musste.

Die britische und die türkische Regierung führten in den folgenden zehn Wochen Geheimverhandlungen mit der Jewish Agency in Jerusalem über das Schicksal der Passagiere, die die britische Regierung wegen der fehlenden Visa nicht in Palästina einreisen und die die türkische Regierung wiederum nicht an Land lassen wollte, um zu verhindern, dass sie in der Türkei blieben. Die Versorgungslage und die hygienischen Verhältnisse auf dem ohnehin überfüllten Schiff verschlechterten sich währenddessen von Tag zu Tag. Bereits am 24. Dezember 1941 hatte Kapitän Gorbatenko die türkischen Hafenbehörden über die katastrophalen Zustände an Bord unterrichtet und zudem darauf hingewiesen, dass er die Verantwortung im Falle eine Weiterreise des Schiffes wegen der als mangelhaft einzustufenden Seetüchtigkeit nicht übernehmen könne. Am 10. Januar 1942 wurde Gorbatenko erneut bei den türkischen Hafenbehörden vorstellig und wies wiederum auf die menschenunwürdigen Zustände an Bord hin; zudem hatte es auf der Struma die ersten Fälle von Ruhr gegeben.

Für nur fünf Passagiere wurden im Januar und Februar 1942 Ausnahmeregelungen erreicht, so dass Mitte Februar 1942 noch 763 jüdische Flüchtlinge an Bord waren. Während Verhandlungen über die Weiterreise wenigstens der 11- bis 16-jährigen Kinder nach Palästina noch im Gange waren, ließen die türkischen Behörden das Schiff am 23. Februar 1942 schließlich aufs offene Meer (Schwarzes Meer) hinausschleppen; außerhalb der türkischen Hoheitsgewässer drehte der Schlepper dann ab.

Die Versenkung

Die fahrunfähige Struma wurde in den Morgenstunden des nächsten Tages, dem 24. Februar 1942, etwa 14 Seemeilen nordnordöstlich des Bosporus, von dem sowjetischen U-Boot ShCh-213 (unter dem Kommando von Oberleutnant D. M. Denezhko) gesichtet und aus einer Distanz von rund 1.200 Metern durch einen Torpedoschuss versenkt. Der Torpedotreffer brachte das über 60 Jahre alte Schiff innerhalb weniger Minuten zum Sinken. Beim Untergang starben 762 jüdische Flüchtlinge sowie eine nicht sicher eruierte Zahl von Crewmitgliedern (sechs?), zumeist wird jedoch die Zahl von 768 Toten genannt. Vermutlich überlebten vier Personen den Untergang, darunter drei Crewmitglieder und - was als gesichert gilt - nur ein einziger jüdischer Passagier: David Stoliar. Der 19-Jährige überlebte an ein Wrackteil geklammert bis zur Ankunft von Rettungskräften am nächsten Tag und lebt heute (2010) in den USA.

Das U-Boot ShCh-213, das den verhängnisvollen Torpedo abgefeuert hatte, wurde knapp acht Monate später, am 14. Oktober 1942, vor Tulcea (Rumänien) von dem deutschen U-Boot-Jäger UJ-116 Xanten mit Wasserbomben versenkt. Von der 43 Mann starken Crew überlebte niemand.

Wirkungsgeschichte

In einem 1987 veröffentlichten Buch von Götz Aly wurde die Geschichte der Versenkung der Struma in einer anderen Version dargestellt. In dem Buch heißt es, dass das Schiff von einem deutschen Schnellboot am 25. Februar 1942 versenkt worden sei.[1]

Im Juli 2004 fand ein türkisches Taucherteam etwa an der Stelle, an der die Struma gesunken war, ein Schiffswrack. Die Identität des Schiffes konnte jedoch nicht abschließend geklärt werden. Am 3. September 2004 trafen sich Angehörige der Struma-Passagiere, Vertreter der türkischen jüdischen Gemeinde, Delegierte aus Großbritannien und den USA und der israelische Botschafter zu einer Gedenkveranstaltung am Ort des Geschehens.

Der türkische Schriftsteller Doğan Akhanlı verarbeitete in seinem Roman „Der letzte Traum der Madonna“ (Madonna'nın Son Hayali, 2005) die Ereignisse um die Struma. Das Buch wurde von türkischen Kritikern und Schriftstellern zu den besten zehn Romanen des Jahres 2005 gerechnet.

Literatur

  • Douglas Frantz, Catherine Collins: Death on the Black Sea: The Untold Story of the Struma and World War II's Holocaust at Sea, ISBN 0-06-093685-1
  • Doğan Akhanlı: Madonna'nın Son Hayali (Roman) Istanbul 2005, ISBN 975-8859-25-0
  • Zülfü Livaneli: Serenad (Roman) Istanbul 2011
  • Jürgen Rohwer, Die Versenkung der jüdischen Flüchtlingstransporter Struma und Mefkure im Schwarzen Meer (Februar 1942, August 1944) : Historische Untersuchung, Frankfurt/M. : Bernard & Graefe 1965

Siehe auch

  • Mefkure, ein jüdisches Flüchtlingsschiff, das 1944 von dem sowjetischen U-Boot ShCh-215 versenkt wurde, es gab 305 Tote.
  • Exodus, Immigrantenschiff, 1947.
  • Der Film Irrfahrt der Atlantic (engl. Titel Atlantic Drift) ist ein Dokumentarfilm über die Fahrt eines von den Nazis initiierten und genehmigten Fluchtunternehmens von Juden beginnend im Jahr 1940 aus Österreich über die Donau, das Mittelmeer bis zur damals englisch verwalteten Insel Mauritius.
  • Struma (Fluss)
  • MS St. Louis

Weblinks

Einzelnachweise

  1. H.D. Heilmann, Aus dem Kriegstagebuch des Diplomaten Otto Bräutigam. In: Götz Aly u.a. (Hrsg.): Biedermann und Schreibtischtäter. Materialien zur deutschen Täter-Biographie, Institut für Sozialforschung in Hamburg: Beiträge zur nationalsozialistischen Gesundheits- und Sozialpolitik 4, Berlin 1987, S. 165.

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