- Druckraum
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Drogenkonsumräume, umgangssprachlich Fixerstuben, Druckräume oder Gassenstübli genannt, sind Einrichtungen, die die Ausstattung für einen risikominimierenden, meist intravenösen Konsum von Heroin, Kokain, sowie deren Derivaten bereitstellen. Dies beinhaltet z. B. die Bereitstellung von sterilem Spritzbesteck und die Ausgabe von Pflastern und Tupfern. Der Besitz der mitgebrachten Substanz zum Eigenverbrauch wird passiv geduldet, sie sind damit Bestandteil der Akzeptierenden Drogenarbeit.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Der weltweit erste Drogenkonsumraum entstand 1986 in Bern.[1] Zürich, das unter einer großen offenen Drogenszene litt, folgte diesem Weg 1994 im Rahmen eines bundesweiten Versuchsprogrammes.[2]
Der erste Fixerraum in Nordamerika entstand 2003 in Vancouver unter dem Namen „safe injection site“. Als Vorbild dienten Amsterdam und Zürich, deren Erfahrungen zuvor eingeholt wurden.[3]
In Österreich soll 2009 in Graz der erste legale „Fixerraum“, unter der Bezeichnung „Kontaktladen“, entstehen. Bislang existierten lediglich Ausgabestellen für Drogenersatzpräparate, etwa am Karlsplatz in Wien, der als Zentrum der österreichischen Drogenszene gilt.[4]
Rechtliche Situation
In Deutschland wird der Begriff des Drogenkonsumraumes durch das Betäubungsmittelgesetz (BtMG) und seinen §10a Abs.1 definiert:
- (Eine Einrichtung), in deren Räumlichkeiten Betäubungsmittelabhängigen eine Gelegenheit zum Verbrauch von mitgeführten, ärztlich nicht verschriebenen Betäubungsmitteln verschafft oder gewährt wird.
Der eigentliche Konsum von Betäubungsmitteln ist nicht verboten, da er als straffreie Selbstschädigung gilt.
Drogenpolitische Zielsetzung
Die Ziele der Einrichtungen sind die Akuthilfe bei einer lebensgefährlichen Überdosis, Vermeidung von Infektionskrankheiten durch unhygienische Bedingungen beim Konsum der Drogen und die Möglichkeit, durch „akzeptanzorientierte Drogenhilfe“ Schwerstabhängige an weiterführende Hilfsangebote zu vermitteln.
Politische Debatten
Der Suchtstoffkontrollrat / International Narcotics Control Board (INCB) des UN Office on Drugs and Crime (UNODC) hat über Jahre die Einrichtung von Drogenkonsumräumen als Verstoß gegen UN-Konventionen über psychotrope Substanzen gewertet. Im Mai 2003 besuchte erstmals eine hochrangige INCB-Kommission den Drogenkonsumraum in Münster. Auch in der bundesdeutschen Drogenpolitik bleiben diese Einrichtungen genauso wie die Medikamentenstudie zur opiatgestützten Behandlung (Originalstoffsubstitution, Heroinvergabe) umstritten. Kritiker verweisen auf die Unvereinbarkeit einer repressiven Drogenpolitik mit der Förderung des Drogenkonsums, während Befürworter die sinkenden Drogentotenzahlen und die Zustände beim illegalen Konsums als Grund anführen.
Rechtspolitisch ergeben sich aus der Struktur der passiven Duldung des Besitzes von Betäubungsmitteln einige offene Fragen. Das Offizialprinzip verpflichtet Polizisten, jeder Straftat nachzugehen. Dies gilt auch für den Besitz von Betäubungsmitteln zum Eigenverbrauch, auch wenn in der Regel eine Einstellung des Verfahrens zu erwarten ist. Da jedoch ein repressives Verhalten der Polizei mit dem niedrigschwelligen Ansatz eines Drogenkonsumraumes am gleichen Ort unvereinbar ist, verpflichten die Landeserlaubnisverordnungen die Polizisten zum aktiven Ignorieren, sofern es nur den Kreis des Besitzes zum Eigenverbrauch angeht.
Drogenkonsumräume weltweit
Heute (2009) gibt es 18 „Fixerräume“ in der Schweiz, je 16 in Deutschland und in den Niederlanden sowie seit 2003 zwei in Vancouver als einzige in Kanada.[4] Weitere Drogenkonsumraumprojekte existieren in Australien, Norwegen, Luxemburg und in Österreich.
Deutschland
Derzeit existieren Erlaubnisverordnungen für den Betrieb von Drogenkonsumräumen in folgenden Bundesländern:
Berlin, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Saarland.
Die Einrichtung von Drogenkonsumraum wurde in Deutschland vielfach wissenschaftlich begleitet, so dass Aussagen über die Auswirkungen getroffen werden können. Jedoch hängen die konkreten Auswirkungen von der konkreten Ausgestaltung des jeweiligen Drogenkonsumraums (z. B. Einbindung in die anderen Strukturen der Drogenarbeit und Sozialarbeit, Lage, Situation der lokalen Drogenszene etc.) ab.
In Berlin wurden folgende Erfahrungen gesammelt:
- Die Akzeptanz der Drogenkonsumräume im Wohnumfeld war mit 70 % bis 80 % Zustimmung relativ hoch. Als Hauptursache wurde genannt, dass die (im Vorfeld vielfach befürchtete) Ausweitung der Szenebelastung nahe der Konsumräume vermieden wurde.
- Die Zahl der Nutzer der Drogenkonsumräume war relativ gering und betrug ca. 15 % der geschätzten Konsumenten harter Drogen. Auch gelang es nicht, Nutzer neu anzusprechen, die von der bisherigen Drogenarbeit nicht erfasst wurden
- Die Nutzer geben als Nutzen primär die Vermittlung gesundheitsbezogener Inhalte und medizinische Behandlungen an. Darüber hinaus erklärte ein Drittel der, zur Aufnahme weiterführender Hilfen motiviert worden zu sein[5]
Schweiz
Der erste Drogenkonsumraum der Welt entstand 1986 in der Münstergasse in Bern und existiert auch heute noch.[1]
In Zürich dauerte es bis 1994 bis zu diesem Schritt. Dort wurde weiterhin die, wenn auch nicht erfolgreiche, jahrzehntelang erprobte Strategie der Repression und Vertreibung fortgesetzt, um die Drogenszene zu beseitigen. Die repressive Drogenpolitik wurde nach 1968 eingeführt, mit der Folge, dass die Drogenszene immer wieder von Ort zu Ort vertrieben wurde: vom „Odeon“, an der Riviera, im Bunker, auf dem Hirschenplatz, am Stadelhofen, im Autonomen Jugendzentrum (Fixerraum), und ab 1986 schließlich ließ sich die Szene am Platzspitz, einem Park im Zentrum der Stadt, direkt neben dem Hauptbahnhof, nieder, der bald den Spitznamen „Needlepark“ bekam. Die Drogensüchtigen reisten mittlerweile aus der ganzen Schweiz und auch aus dem Ausland an, die Szene erreichte einen Umfang von bis zu 1.500 Personen, darunter etwa 200 bis 300 Drogenhändler. Die Stadt war überfordert und „fühlte sich vom Rest der Schweiz mit ihrem Problem allein gelassen“.[6] Drogenhilfeeinrichtungen zur medizinischen Versorgung, die auch sterilisierte Spritzen abgaben sowie Methadon-Programme wurden eingerichtet, um die Verelendung und AIDS-Infektionen einzudämmen.[6]
Nach der Schließung und Vertreibung aus dem Park ließ sich die Szene im Gebiet unter der Kornhausbrücke am Bahnhof Letten nieder, wo sich der Drogenmüll zu türmen begann. Diese Bilder gingen um die Welt und setzten die Zürcher Politik, das ein Image als Finanzmetropole zu verlieren hatte, weiter unter Druck. Bilder der offenen Drogenszene „geisterten“, so die Neue Zürcher Zeitung, „in der ersten Hälfte der neunziger Jahre als Schreckensbilder durch die Welt“. Gezwungenermaßen „rafften“ sich in Zürich die zuständigen Stellen zusammen, um nach neuen Wegen zu suchen, um mit der Drogenszene umzugehen. Die Folge war die Einführung der akzeptierenden Drogenarbeit, die die Einrichtung der ersten „Fixerstüblis“, Räume, in denen unter Aufsicht Heroin gespritzt wurde, zur Folge hatte.[6]
Literatur
- Sebastian Poschadel et al.: Evaluation der Arbeit der Drogenkonsumräume in der Bundesrepublik Deutschland. Endbericht im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit. Nomos, Baden-Baden 2003, ISBN 3-8329-0073-X.
Siehe auch
Weblinks
- dt. Bundesregierung: Einrichtung von Drogenräumen hat sich bewährt, Stand August 2001
- JES – Junkies, Ehemalige und Substituierte
- Drogenkonsumraum Essen, NRW
Einzelnachweise
- ↑ a b Renate Künzi: 20 Jahre Fixerstübli: Auch Drogensüchtige sind Menschen swissinfo, 16. September 2006 (abgerufen am 20. März 2009)
- ↑ Thomas Gerber: Zürich hat Europas größte offene Drogenszene. Berliner Zeitung (Onlinearchiv), 7. September 1994 (abgerufen am 20. März 2009)
- ↑ Schwierigkeiten im Paradies – Vancouvers Probleme mit Downtown Eastside. Neue Zürcher Zeitung, 25. September 2007 (online; abgerufen am 20. März 2009)
- ↑ a b Michael Simoner („simo“): Fixerräume anerkannt und umstritten. Der Standard, 3. März 2009, S. 11
- ↑ Abschlussbericht der Evaluation in Berlin, Juli 2005
- ↑ a b c Von der Konfrontation zur Kooperation – Der lange, beschwerliche Weg der Zürcher Drogenpolitik. Neue Zürcher Zeitung, 12. März 2001 (online, abgerufen am 20. März 2009)
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