Edgar Bauer

Edgar Bauer

Edgar Bauer (* 7. Oktober 1820 in Charlottenburg; † 18. August 1886) war ein politisch-philosophischer Schriftsteller und Aktivist. Er publizierte auch unter dem Pseudonym Martin von Geismar.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Edgar Bauer, der elf Jahre jüngere Bruder des neben Ludwig Feuerbach bedeutendsten Junghegelianers Bruno Bauer, studierte zunächst Theologie, dann Rechtswissenschaft an der Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin. Er brach sein Studium 1842 ab und entfaltete als Freier Schriftsteller eine umfangreiche publizistische Tätigkeit, so u.a. als Mitarbeiter der Rheinischen Zeitung. Wegen seines Buches Der Streit der Kritik mit Kirche und Staat wurde er 1843 zu vier Jahren Festungshaft in Magdeburg verurteilt.[1] Nach seiner Entlassung beteiligte er sich in Berlin an den Kämpfen der Märzrevolution und ging dann Anfang 1849 nach Hamburg. Später lebte er unter falschem Namen in Altona und arbeitete ab 1851 als Redakteur für die Altonaer Zeitung, die im Schleswig-Holsteinischen Krieg auf Seiten Dänemarks stand. Auf der Flucht vor der preußischen Polizei gelangte er über Kopenhagen nach London. Dort traf er oft Karl Marx, den er von Berlin her kannte. Das Verhältnis zwischen den beiden war jedoch nicht sehr gut. Jenny Marx schrieb in einem Brief an Friedrich Engels im August 1857: „Vor ein paar Abenden war der Clown Edgar Bauer bei uns; der ist aber wirklich ohne Lebertran zu einem Stockfisch geworden, der dabei noch geistreich sein will. Die Efforts waren so schrecklich, dass ich beinahe ohnmächtig, Karl aber nicht figürlich, sondern wirklich zum Brechen kam“.[2] Bauer war in seiner Londoner Zeit als Informant für die dänischen Behörden tätig und verfasste zwischen November 1852 und Mai 1861 mehr als hundert Berichte über politische Aktivitäten von Emigranten. Im September 1856 distanzierte er sich ausdrücklich von der revolutionären Bewegung: „Ich bin dem Gange der Demokratie gefolgt, ich habe diese Vorkämpfer der Freiheit erst mürrisch, dann verstockt, dann in ihren Berechnungen fast kindisch werden sehen, bis hier eine Phrase, dort ein Grundsatz, dort ein Zukunftscalcül wie dürre Blätter von ersterbendem Baume abfielen und am Ende nichts übrig blieb als Unsicherheit, Schwankung, geistiger Jammer“.[3] Die Amnestie von 1861 erlaubte es ihm, nach Deutschland zurückzukehren. Er lebte zunächst als Redakteur in Berlin, gründete 1870 in Altona die konservativen Kirchlichen Blätter. Eine Zeitschrift für christliche Freiheit und christliches Recht, die in seinem Verlag und unter seiner Redaktion bis März 1872 erschienen, und ging dann nach Hannover, wo er publizistisch für die protestantischen Anhänger des 1866 durch Preußen abgesetzten Welfenhauses wirkte.

Werk

Bauers frühe Schriften sind so von Freiheitsdrang beseelt, dass Max Nettlau, der Historiker des Anarchismus, ihn avant la lettre in die Ahnenreihe des Anarchismus gestellt hat.[4] Schon früher hatte Gustav Landauer den jungen Edgar Bauer als den Mann bezeichnet, „der den Anarchismus für Deutschland eigentlich begründete“,[5] und einen verschollenen Text von ihm veröffentlicht.[6] Nach 1848 entwickelte er sich vom vormärzlichen Revolutionär zum „staatstragenden“ Bürger.

Sein Nachlass befindet sich im Archiv der sozialen Demokratie in Bonn.[7]

Schriften

  • Geschichte Europas seit der ersten französischen Revolution (von Archibald Alison). In: Deutsche Jahrbücher für Wissenschaft und Kunst, 14./15./16. Dezember 1842
  • Der Streit der Kritik mit Kirche und Staat; Charlottenburg, 1843
  • Denkwürdigkeiten zur Geschichte der neuern Zeit, 12 Hefte; 1843–1844 (mit Bruno Bauer)
  • Die Geschichte der konstitutionellen Bewegungen im südlichen Deutschland während der Jahre 1831–34, 3 Bände; Charlottenburg, 1845
  • Die Kunst der Geschichtsschreibung und Herrn Dahlmanns Geschichte der französischen Revolution; Magdeburg, 1846
  • Geschichte des Luthertums; (unter dem Namen Martin von Geismar), Leipzig, 1846–1847
  • Über die Ehe im Sinn des Luthertums; Leipzig, 1847
  • Der Mensch und die Ehe vor dem Richterstuhle der Sittlichkeit. In: Die Epigonen. Fünfter Band (1848), S. 317–343 (anlässlich eines Buches gleichen Titels von Wilhelm Marr)
  • Englische Freiheit; Leipzig, 1857
  • Die Rechte des Herzogtums Holstein; Berlin, 1863
  • Die Deutschen und ihre Nachbarn; Hamburg, 1870
  • Das Teutsche Reich in seiner geschichtlichen Gestalt; Altona, 1872
  • Die Wahrheit über die Internationale; Altona, 1873
  • Artikel V, der deutsche Gedanke und die dänische Monarchie; Altona, 1873
  • Der Freimaurerbund und das Licht; Hannover, 1877
  • Der Magus des Nordens. Novelle; 1882
Nachdrucke
  • Der Streit der Kritik mit Kirche und Staat. In: Heinz und Ingrid Pepperle (Hrsg.): Die Hegelsche Linke; Leipzig: Philipp Reclam jun. 1985, S. 579–712
  • Geschichte Europas seit der ersten französischen Revolution (von Archibald Alison). In: Heinz und Ingrid Pepperle (Hrsg.): Die Hegelsche Linke; Leipzig: Philipp Reclam jun. 1985, S. 522–545

Literatur

  • Erik Gamby: Edgar Bauer – Junghegelianer, Publizist und Polizeiagent. Mit Bibliografie u. Dokumentenanhang. Trier: Karl-Marx-Haus 1985
  • Wolfgang Essbach: Die Junghegelianer. Soziologie einer Intellektuellengruppe. München: Wilhelm Fink 1988; ISBN 3-7705-2434-9 (S. 71, 193–203, passim)
  • Ichiro Tamura: Die Aufhebung des modernen Staates: die politische Philosophie des jungen Edgar Bauer im deutschen Vormärz. Berlin: Logos 2005; ISBN 3-8325-0708-6

Weblinks

Quellen

  1. Darüber hat Bauer eine drastisch-ironische Schilderung geschrieben: Die Reise auf öffentliche Kosten. In: Die Epigonen, Band V, 1847, S. 9–112
  2. Marx/Engels Werke. Bd. 29. Dietz, Berlin 1970. S. 644
  3. Erik Gamby (Hrsg.): Konfidentenberichte über die europäische Emigration in London 1852–1861. Karl-Marx-Haus, Trier 1989. ISBN 3-926132-06-X. Die Edition beruht auf dem Bestand des Reichsarchivs Kopenhagen
  4. Max Nettlau: Der Vorfrühling der Anarchie; Berlin: Verlag Der Syndikalist, Fritz Kater 1925, S. 178
  5. Vgl. Zur Geschichte des Wortes Anarchie. In: Der Sozialist, 1. Juni 1909
  6. Edgar Bauer: Die Kirche, der Staat und das Individuum. In: Der Sozialist, 1. Januar 1910
  7. Nachlass von Edgar Bauer

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