Eduard Strelzow

Eduard Strelzow
Denkmal für Strelzow am Eingang des nach ihm benannten Stadions.

Eduard Anatoljewitsch Strelzow (russisch Эдуа́рд Анато́льевич Стрельцо́в; * 21. Juli 1937 in Perowo bei Moskau; † 22. Juli 1990 in Moskau) war ein bekannter sowjetischer Fußballspieler. Der auch als „russischer Pelé“ bezeichnete Strelzow, nach dem noch heute in Russland der Hackentrick benannt ist, gilt als der beste russische Feldspieler aller Zeiten. Er ist in seiner Heimat ähnlich populär wie die Torwartlegende Lew Jaschin, wenngleich seine Karriere weit weniger glücklich verlief.

Inhaltsverzeichnis

Karriere

Strelzow war gerade 19 Jahre, als er beim Fußballturnier der Olympischen Sommerspiele von 1956 entscheidenden Anteil daran hatte, dass die Mannschaft der Sowjetunion das Finale erreichte. Weil sich sein Stürmerkollege von Torpedo Moskau, Walentin Iwanow, im Halbfinale verletzte und daher im Finale nicht eingesetzt werden konnte, Nationalcoach Gawriil Katschalin im Angriff aber auf Blockbildung setzen wollte, verpasste auch Strelzow das Finale. In diesem setzte sich die Mannschaft der Sowjetunion mit 1:0 gegen Jugoslawien durch und gewann die olympische Goldmedaille. Weil die Medaille jedoch nur jenen Spielern ausgehändigt wurde, die auch das Finale bestritten hatten, ging Strelzow leer aus.

Für die Fußball-Weltmeisterschaft 1958 in Schweden galt seine Teilnahme als sicher. Doch dann kam jene schicksalhafte Nacht vom 25. auf den 26. Mai 1958, keine zwei Wochen vor dem Beginn des großen Turniers am 8. Juni. Am nächsten Morgen saß Strelzow bereits in Untersuchungshaft. Zur Last gelegt wurde ihm die Vergewaltigung einer jungen Frau, die er bei einer Feier in jener Nacht kennen gelernt hatte. In einem Schnellverfahren wurde das hoffnungsvolle Fußballtalent zu einer zwölfjährigen Haftstrafe verurteilt. Nach fünf Jahren wurde er vorzeitig aus der Haft entlassen und weitere zwei Jahre später wurde ihm die Erlaubnis erteilt, wieder in der höchsten sowjetischen Liga Fußball spielen zu dürfen.

Obwohl er nicht mehr so schnell und trickreich war wie vor seiner Haftzeit, feierte er nunmehr seine größten Erfolge. Gleich in seinem ersten Jahr (1965) gewann er mit seinem Stammverein Torpedo die Meisterschaft und drei Jahre später (1968) den Sowjetpokal. Außerdem wurde er 1967 und 1968 zweimal hintereinander zum Fußballer der Sowjetunion gewählt.

Die Inhaftierung und ihre möglichen Hintergründe

Bis zum heutigen Tag ist der Vorwurf der Vergewaltigung eine ungeklärte Frage. Die Indizien scheinen eher dafür zu sprechen, dass Strelzow für andere „Vergehen“ abgestraft wurde. Da war zum einen der Versuch, ihn zu einem der das Sowjetsystem repräsentierenden Vereine, den KGB-Club Dynamo oder den Armeeklub ZSKA, zu holen. Doch der bei Torpedo verwurzelte Streltsov blieb selbst dann noch bei seiner ablehnenden Haltung, als Dynamos Torwartlegende Jaschin vorgeschickt wurde, um ihn umzustimmen. Torpedo und Spartak aber galten in den Augen der Sowjetelite als die „Schmuddelkinder“. So kritisierte eine interne Aktennotiz aus Sowjetzeiten „die schlechte Erziehungsarbeit bei Torpedo“.

Aber nicht nur wegen seiner Treue zu Torpedo wurde Strelzow von der Sowjetelite zum Systemfeind abgestempelt. Auch beobachtete man ihn mit Argusaugen, weil er angeblich bereits 1957 Freunden anvertraut haben soll, dass er von einer Auslandstournee mit Torpedo am liebsten nicht in die Sowjetunion zurückgekehrt wäre. Aufgrund seiner unbekümmerten und systemfeindlich anmutenden Haltung befürchtete man außerdem eine Art Schneeballeffekt, der sich aufgrund der zunehmenden Popularität des genialen Fußballers leicht auf andere Jugendliche hätte übertragen können. Diese Vorstellung gefiel den Machthabern aus leicht nachvollziehbaren Gründen nicht.

Der entscheidende Grund, ihn abzustrafen, dürfte aber in einer Affäre gelegen haben, die eine hochrangige Politikerin zutiefst verletzt haben muss. Strelzow hatte nämlich eine kurzzeitige Liaison mit Svetlana Furtsewa, der 16 Jahre jungen Tochter von Jekaterina Furzewa, der einzigen Frau, die es je ins Politbüro der UdSSR geschafft hat. Als diese ihn aufforderte, ihre Tochter zu heiraten, ließ er sie wissen, dass er schon verlobt sei und ihre Tochter keinesfalls ehelichen würde. Außerdem soll er sich nach diesem Vorfall einmal sehr beleidigend über Svetlana Furtsewa ausgelassen haben, was der Politikerin bald zu Ohren kam. Insofern glauben viele an ein Komplott gegen Strelzow.

Diese Annahme wird noch durch eine Aussage seines ehemaligen Auswahltrainers Gawriil Katschalin untermauert, der einem Journalisten kurz vor seinem Tode anvertraute: „Als ich mich für Strelzow einsetzen wollte, sagte mir die Polizei, dass Chruschtschow über den Vorgang informiert ist.“ Eine klare Anweisung, sich aus der Angelegenheit herauszuhalten.

Strelzows widersprüchliche Haltung

Für die Schuld Strelzows spricht sein eigenes Geständnis, die Vergewaltigung begangen zu haben. Doch scheint es sich hierbei um ein „fingiertes Geständnis unter falschen Voraussetzungen“ gehandelt zu haben. Denn es machten schon bald Gerüchte die Runde, dass man Strelzow nahe gelegt habe, ein Geständnis abzulegen, weil er dann bei der WM 1958 spielen dürfe. Strelzow fiel dieser Version zufolge auf den „Deal“ herein – und reiste ins Straflager statt nach Schweden.

Nach Verbüßung seiner Strafe sprach Strelzow niemals über seine Haftzeit und ob er schuldig war oder nicht. Unmittelbar vor seinem Tod aber ließ er seine Frau ans Sterbebett rufen und beteuerte seine Unschuld. Bald kursierten Gerüchte, dass Strelzow nie über den Fall gesprochen habe, weil er ansonsten seine Familie in Gefahr gebracht hätte. Demnach soll das Sowjetregime Strelzow mit dem Tod seiner gesamten Familie gedroht haben, falls er jemals über den Fall oder das Verfahren sprechen sollte.

Grabstein Strelzows auf dem Wagankowoer Friedhof in Moskau

Nachruf

Eduard Strelzow starb einen Tag nach seinem 53. Geburtstag an Kehlkopfkrebs. Viele glauben, dass die Krankheit das Resultat seiner Arbeit im GULAG war.

Eduard Strelzow bestritt zwischen 1954 und 1970 insgesamt 222 Spiele für Torpedo Moskau und erzielte dabei 100 Tore. Außerdem wurde er zwischen 1955 und 1968 insgesamt 38 Mal ins Auswahlteam der Sowjetunion berufen und brachte es dabei auf insgesamt 25 Treffer.

Ihm zu Ehren wurde das frühere Torpedo-Stadion mittlerweile in Eduard-Strelzow-Stadion umbenannt und auf dem Stadiongelände ein Denkmal aufgestellt.

Einzelnachweise und Weblinks


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