Egon Schultz

Egon Schultz
Egon Schultz
Gedenkveranstaltung am Tatort zum zehnten Jahrestag des Mauerbaus (13. August 1971)
Gedenktafel am Haus Strelitzer Straße 55, in Berlin-Mitte

Egon Schultz (* 4. Januar 1943 in Groß Jestin; † 5. Oktober 1964 in Berlin), ein Unteroffizier der Grenztruppen der DDR, wurde 21-jährig im Hinterhof der Strelitzer Straße 55 in Berlin, wo der Tunnel 57 gegraben worden war, während eines von Fluchthelfern begonnenen Schusswechsels erschossen. Bei dieser Fluchtaktion konnten innerhalb von zwei Nächten 57 Flüchtlinge von Ost-Berlin nach West-Berlin flüchten.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Egon Schultz wurde am 4. Januar 1943 als Sohn einer Serviererin und eines Kraftfahrers geboren, war als Unterstufenlehrer in Putbus und von September 1962 bis November 1963 als Lehrer in Rostock-Dierkow tätig, bis er zum Wehrdienst einberufen wurde.

Tod

Als er mit zwei Angehörigen des MfS den Hof der Strelitzer Straße 55 betrat, kam es zu einem Schusswechsel, in dessen Verlauf Schultz von einer Kugel aus der Pistole von Christian Zobel in die Schulter getroffen wurde. Er ging zu Boden und wurde beim Versuch, wieder aufzustehen, versehentlich von einem Genossen mit dessen AK-47 erschossen.

Von der DDR-Führung wurde nach dem Tod von Schultz behauptet, dieser sei von „westlichen Agenten“ oder vom Schleuser Christian Zobel erschossen worden. Tatsächlich war ihr aber bereits zu dieser Zeit bekannt, dass Schultz bei dem Feuergefecht versehentlich von seinen eigenen Genossen erschossen wurde. Öffentlich vertrat die Regierung der DDR aber stets ihre Version und stellte Schultz als Volkshelden dar. Dieses wurde durch Manipulation von Beweisen untermauert. So wurde unter anderem ein Foto der Jacke von Schulz so beschnitten, dass die Einschusslöcher der Sturmgewehrprojektile nicht mehr zu sehen waren. In der DDR galten die beteiligten Fluchthelfer als Agenten und Mörder. Erst durch die Öffnung der Stasi-Akten konnte richtiggestellt werden, dass die tödlichen Schüsse aus der Waffe eines Grenzsoldaten abgegeben wurden. Allerdings war zu diesem Zeitpunkt der Fluchthelfer, der den ersten Schuss abgegeben hatte und seitdem für den Mörder gehalten wurde, bereits verstorben. Einer der beteiligten Fluchthelfer war der spätere Astronaut Reinhard Furrer.

Nachwirken

Nach seinem Tod wurden in der DDR mehrere Schulen z. B. eine Berliner Schule (POS), eine Rostocker Schule, die Hönower Schule, ein Wehrlager im Rahmen des Wehrunterrichtes in Prerow und eine Unteroffiziersschule nach ihm benannt. An der Schule im Rostocker Stadtteil Dierkow war Egon Schultz auch als Lehrer tätig. Weiterhin wurden auch mehrere Brigaden, sowie ab 1966 eine Straße in Berlin-Mitte und andere Straßen, Kasernen und Erholungsheime nach ihm benannt. Ein Kinderbuch wurde über ihn verfasst, fast jeder DDR-Bürger kannte seinen Namen aus dem Schulunterricht und den Medien.

Auch in den Medien und der Öffentlichkeit der Bundesrepublik Deutschland erregte der Fall großes Aufsehen, da der Stern-Chefredakteur Henri Nannen durch den Vorabkauf der Exklusivrechte am Tunnelbau diesen mitfinanziert hatte und für die Spannungen mit der DDR mitverantwortlich gemacht wurde. Überdies wurde westdeutschen Politikern vorgeworfen, durch ihre Unterstützung des Tunnels möglicherweise ein härteres Vorgehen der DDR gegen die Opposition verschuldet zu haben.

Britta Wauer beleuchtet die dem tödlichen Schusswechsel vorausgehende Fluchtaktion Tunnel 57 aus dem Oktober 1964 in ihrer 2001 erstellten Dokumentation Heldentod – Der Tunnel und die Lüge (Arte/ZDF). Der Dokumentarfilm, der mit dem Deutschen Fernsehpreis ausgezeichnet wurde, lief erstmals am 8. August 2001 auf Arte unter dem Titel Heldentod – Wer erschoss Egon Schultz?

Am 1. Dezember 1991 wurde die Berliner Egon-Schultz-Straße in Strelitzer Straße zurück benannt. Eine weitere Umbenennung fand auch mit der Rostocker Egon-Schultz-Oberschule statt, die heute den Namen Käthe-Kollwitz-Gymnasium trägt. Der dortige Gedenkstein, der von Eltern und Schülern mitfinanziert wurde, ist inzwischen abgeräumt.

1995 wurde die Hönower Egon-Schultz-Oberschule bei Berlin von der Schulkonferenz in Gebrüder-Grimm-Grundschule umbenannt. Der gleichfalls von der Schulkonferenz vorgelegte Antrag, den Gedenkstein mit der Inschrift „Unser Vermächtnis – Vorbild der Jugend“ zu beseitigen, wurde von den Schülern, Lehrern und Gemeindevertretern abgelehnt, der Bürgermeister von Hönow erklärte gegenüber der Berliner Zeitung: „Es gibt keinen Grund, darüber zu diskutieren. Wir müssen lernen, mit unseren Denkmälern zu leben.“[1]

2004 wurde auf Initiative von ehemaligen Fluchthelfern, Flüchtlingen und Freunden von Egon Schultz anlässlich der 40-jährigen Wiederkehr dieses Ereignisses in Zusammenarbeit mit dem Dokumentationszentrum Berliner Mauer eine Erinnerungstafel am Todesort angebracht.

Literatur

  • Marion Detjen: Ein Loch in der Mauer. Die Geschichte der Fluchthilfe im geteilten Deutschland 1961–1989. Siedler Verlag, München 2005, ISBN 3-88680-834-3, S. 150–158. 
  • Hans-Hermann Hertle, Maria Nooke: Die Todesopfer an der Berliner Mauer 1961–1989. Ein biographisches Handbuch. 1. Auflage. Ch. Links, Berlin 2009, ISBN 978-3-86153-517-1. 

Weblinks

 Commons: Egon Schultz – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/archiv/.bin/dump.fcgi/1996/0626/marzahnhellersdorf/0041/index.html

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