Elektroneneinfang

Elektroneneinfang
Elektroneneinfang

Elektroneneinfang ist eine Art der Radioaktivität, bei der ein Atomkern sich in einen stabileren Kern umwandelt, indem er ein Elektron aus einer inneren Schale (Orbital) der Elektronenhülle einfängt. Als Formelsymbol des Vorgangs wird EC (für engl. electron capture) oder auch \epsilon, der griechische Buchstabe Epsilon, geschrieben. Daher wird der Elektroneneinfang gelegentlich auch Epsilonzerfall genannt.

Der Elektroneneinfang wurde 1935 von Hideki Yukawa theoretisch vorhergesagt und ist 1937 erstmals von Luis Walter Alvarez experimentell nachgewiesen worden. Der Prozess wird durch die schwache Wechselwirkung vermittelt und gehört zur Beta-Radioaktivität. Er verwandelt das jeweilige Nuklid in das gleiche Tochternuklid wie ein Beta-plus-Zerfall.

Inhaltsverzeichnis

Beschreibung

Der Elektroneneinfang ermöglicht ebenso wie der Beta-plus-Zerfall den Ladungserhalt bei der Umwandlung eines Protons in ein Neutron unter Erhaltung der Massenzahl des Kerns und Abgabe eines Neutrinos. Der Kern gewinnt zusätzlich die Ruheenergie des eingefangenen Elektrons.

\mathrm{p}+ \mathrm{e}^- \rightarrow\mathrm{n} + {\nu}_e

Nur wenn die Umwandlungsenergie (d.h. die in Energie umgerechnete Differenz der Atommassen von Mutter- und Tochternuklid) mindestens 1022 keV beträgt, tritt zusätzlich als weiterer, alternativer Zerfallskanal der Beta-plus-Zerfall auf, bei dem kein Elektron absorbiert wird und ein Positron erzeugt werden muss. Umgekehrt kommt daher bei jedem Positronen emittierenden Nuklid auch Elektroneneinfang vor.

Die Elektronen der K-Schale haben die größte Aufenthaltswahrscheinlichkeit am Ort des Atomkerns. Deshalb stammt das eingefangene Elektron in ca. 90 Prozent aller Elektroneneinfänge aus dieser Schale. Diesen Elektroneneinfang bezeichnet man als K-Einfang. Der seltenere Elektroneneinfang aus höheren Schalen wird entsprechend L-Einfang bzw. M-Einfang genannt. Etwas ungenau wird "K-Einfang" gelegentlich auch als Bezeichnung für jeden Elektroneneinfang verwendet; daher findet man anstatt EC oder \epsilon manchmal das K als Formelbezeichnung.

Die durch die Kernumwandlung frei werdende Energie wird als kinetische Energie an das Neutrino abgegeben (entweder komplett oder ein Teil verbleibt im Kern). Die Maximalenergie des Neutrinos ergibt sich daher aus der Bindungsenergie des eingefangenen Elektrons und nach E = mc2 aus dem Massenunterschied des Kerns vor und nach der Umwandlung.

Der durch die Umwandlung entstandene Kern (Tochterkern) kann in einem angeregten Zustand verbleiben, wenn nicht die gesamte Energie an das Neutrino abgegeben wird. Dies führt zu einem diskreten Energiespektrum (Linienspektrum) der emittierten Neutrinos, je nach dem Energieniveau, in dem der Kern zurückbleibt. Geht der Kern anschließend in seinen Grundzustand über, wird die verbliebene Energie als Photon (Gammastrahlung) abgegeben.

Das durch das eingefangene Elektron entstandene Loch in der inneren Schale der Elektronenhülle wird durch ein Elektron aus einer äußeren Schale wieder besetzt (Spontane Emission). Die dabei frei werdende Energie wird als Photon (Röntgenstrahlung entsprechend einer Linie des Röntgenspektrums des Tochterelements) oder als Auger-Elektron abgestrahlt.

Zerfallswahrscheinlichkeit

Wie die Innere Konversion wird auch der Elektroneneinfang als eine Art der Radioaktivität betrachtet. Jedoch hängt seine Wahrscheinlichkeit neben den inneren Eigenschaften des Mutterkerns auch von Verhältnissen der Hülle ab, nämlich der Aufenthaltswahrscheinlichkeit der Elektronen am Ort des Kerns. Seine Zerfallswahrscheinlichkeit und damit die Halbwertszeit kann daher durch Änderung der chemischen Bindung des Atoms etwas beeinflusst werden. Experimentell wurden Veränderungen bis zur Größenordnung Prozent beobachtet.[1]

Beispiele

Elektroneneinfang neben \beta^{\operatorname +}-Zerfall:

\mathrm{{}^{26}_{13}Al}+\mathrm{e}^- \rightarrow\mathrm{{}^{26}_{12}Mg}+{\nu}_e
\mathrm{{}^{59}_{28}Ni}+\mathrm{e}^- \rightarrow\mathrm{{}^{59}_{27}Co}+{\nu}_e
\mathrm{{}^{13}_{\ 7}N}+\mathrm{e}^- \rightarrow\mathrm{{}^{13}_{\ 6}C}+{\nu}_e
\mathrm{{}^{18}_{\ 9}F}+\mathrm{e}^- \rightarrow\mathrm{{}^{18}_{\ 8}O}+{\nu}_e
\mathrm{{}^{110}_{\ 49}In}+\mathrm{e}^- \rightarrow\mathrm{{}^{110}_{\ 48}Cd}+{\nu}_e

Nur Elektroneneinfang, kein β + -Zerfall:

\mathrm{{}^{205}_{\ 82}Pb}+\mathrm{e}^- \rightarrow\mathrm{{}^{205}_{\ 81}Tl}+{\nu}_e

Bei einigen Nukliden tritt Elektroneneinfang als dritter Zerfallskanal neben \beta^{\operatorname -}- und \beta^{\operatorname +}-Zerfall auf, z. B. beim Kalium-40:

\mathrm{{}^{40}_{19}K}+\mathrm{e}^- \rightarrow\mathrm{{}^{40}_{18}Ar}+{\nu}_e \quad \mathrm{(Anteil:\ 11\,%)}
\mathrm{{}^{40}_{19}K} \rightarrow\mathrm{{}^{40}_{20}Ca}+\mathrm{e}^- +\overline{{\nu}_e} \quad \mathrm{(Anteil:\ 89\,%)}
\mathrm{{}^{40}_{19}K}\rightarrow\mathrm{{}^{40}_{18}Ar}+\mathrm{e}^+ +{\nu}_e \quad \mathrm{(Anteil:\ 0{,}001\,%)}

Einzelnachweise

  1. G. T. Emery, Perturbation of Nuclear Decay Rates, Annu. Rev. Nucl. Sci. 22 (1972) S. 165-202

Siehe auch


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