- Entführungsfall Abu Sayyaf
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Der Entführungsfall Abu Sayyaf bezeichnet eine Geiselnahme von ausländischen Touristen auf der philippinischen Insel Jolo durch die Rebellengruppe Abu Sayyaf im Jahr 2000.
Ablauf der Geiselnahme
Am Ostersonntag, dem 23. April 2000, wurden 22 Touristen und Hotelangestellte eines auf Tauchurlaube spezialisierten Hotelbetriebs auf der malaysischen Insel Sipadan vor der Ostküste Borneos in der Celebessee in die Gewalt von Entführern der Rebellengruppe Abu Sayyaf gebracht. Die Kidnapper um den Anführer Ghalib Andang fuhren mit Schnellbooten über das Wasser und stürmten vermummt und mit Sturmgewehren in der Hand das idyllische Urlaubsparadies. Sie verschleppten die Urlaubsgäste unter Erschießungsdrohung auf ihren Schnellbooten über die Sulusee auf die philippinische Insel Jolo, mit Ausnahme eines amerikanischen Ehepaares, das sich auch nach Gewehrkolbenschlägen und unter Erschießungsdrohung strikt geweigert hatte, in ein Boot zu steigen.
Unter den Verschleppten befanden sich auch drei Touristen aus Göttingen, Renate Wallert, ihr Ehemann Werner und ihr gemeinsamer Sohn Marc. Die Geiseln wurden in ein Lager mitten im Dschungel verbracht. Nach einem gewaltsamen Befreiungsversuch der philippinischen Armee wurde der Aufenthalt der Geiseln und ihrer Bewacher mehrfach verlegt. Den Entführern folgten später rund drei Dutzend Journalisten, die sich in Hotels der Insel einquartierten und bei mehreren Terminen die Dschungelcamps besuchen konnten, wodurch die deutsche Öffentlichkeit im Fernsehen vor allem Renate Wallert zu Gesicht bekam. Sie war durch zwölf Wochen Gefangenschaft mit Gewalt- und Todesdrohungen und durch den ständigen Schusswaffengebrauch der Entführer nervlich am Ende.
Die Rebellen ließen Renate Wallert wegen ihres schlechten Gesundheitszustandes als erste Geisel frei. Daraufhin wurde sie sofort nach Deutschland geflogen, wo ihr nach einer medizinischen Untersuchung im Göttinger Klinikum ein „überraschend guter“ Allgemeinzustand attestiert wurde.[1] Erst am 27. August 2000 kam ihr Mann nach 127 Tagen Geiselhaft frei und knapp zwei Wochen später auch Sohn Marc. Der libysche Staatschef Muammar al-Gaddafi zahlte mehrere Millionen US-Dollar, welche seine Unterhändler überbrachten. Die Lösegeldzahlung Libyens an die Abu Sayyaf wird allgemein als Einstieg Libyens zur Korrektur seiner internationalen Ächtung infolge der Verwicklung Libyens in den Lockerbie-Anschlag gesehen und teils dem Hintergrundeinfluss des deutschen Außenministeriums unter Joschka Fischer sowie der Aktivität des Krisenstabes zugerechnet. Öffentlich war das Geld als Entwicklungshilfe deklariert; offizielle Stellungnahmen zu einer Lösegeldzahlung waren jedoch vom Außenministerium in diesem Fall und auch in anderen Entführungsfällen wie stets nicht zu erhalten.
Anzunehmen ist, dass die deutsche Bundesregierung für die Freilassung der Wallerts kein Geld zahlte, sondern Libyen erfolgreich zu einer Zahlung motivieren konnte, mit der Aussicht, die internationale Ächtung Libyens werde hiernach aufgehoben oder gemildert, wie dies dann auch eintrat. Werner Wallert sagte nach seiner Befreiung: „Ich würde mich freuen, wenn ich irgendwann mal lesen würde, dass die verhaftet und ihrem gerechten Schicksal zugeführt worden sind.“ Ghalib Andang, der Chef der Rebellengruppe, der sich den Kampfnamen „Commander Robot“ gab, wurde 2003 vom philippinischen Militär festgenommen und bei der Festnahme in einer Schießerei schwer verletzt; er verlor ein Bein. Er starb im März 2005 bei einer Gefängnisrevolte.
Weblinks
- Geiseldrama auf Jolo - Tagesspiegel Online, 17. Juli 2000
- Was macht eigentlich...: Werner Wallert - stern.de, 29. Juli 2003
- Berliner Zeitung: Entführer der Familie Wallert getötet, 15. März 2005
- „Entwicklungshilfe“ für Entführer - WDR.de, 27. August 2005
Einzelnachweise
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