Erica Pappritz

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Erica Pappritz

Erica Pappritz (* 25. Juni 1893 in Lissa; † 4. Februar 1972 in Bonn), zuweilen irrtümlich als Gräfin geführt, war in der Adenauer-Ära stellvertretende Protokollchefin im Auswärtigen Amt und löste in den 1950er und 1960er Jahren eine Diskussion der Etikette aus, die sie der Bonner Republik zu verordnen suchte.

Inhaltsverzeichnis

Biographie

Erica Pappritz kam als Tochter eines Offiziers (Rittmeister[1]) zur Welt. Sie wollte ursprünglich Krankenpflegerin, Krankenschwester oder Ärztin werden. Ihre Eltern waren aber dagegen, so dass sie diese Karriere nicht einschlug.

Nach einer kaufmännischen Ausbildung nahm Erica Pappritz 1919 eine Tätigkeit im Bürodienst der neu eingerichteten Außenhandelsstelle des Auswärtigen Amts an und wurde später Mitarbeiterin des Leiters der Annahme- und Ausbildungsabteilung des diplomatisch-konsularischen Nachwuchses. Zu ihren Aufgaben gehörte nach eigenen Angaben auch die Betreuung des Diplomatischen Corps auf den Reichsparteitagen in Nürnberg. Am 1. Januar 1940 war sie der NSDAP beigetreten. 1943 setzte der Chef des Protokolls Alexander Freiherr von Dörnberg durch, dass Erica Pappritz mit ihrem 50. Geburtstag die Besoldung eines Legationsrates 1. Klasse erhielt.[1] Im Auswärtigen Amt in der Berliner Wilhelmstraße war sie zuletzt Leiterin des Referats Zeremonial- und Rangfragen. Vor Kriegsende setzte sie sich auf dienstliche Anweisung mit anderen Staatsbeamten nach Bayern ab. Über ihre Entnazifizierung ist nichts bekannt.

1949 wurde sie Referentin und persönliche Stellvertreterin des damaligen Protokollchefs im Bundeskanzleramt, Hans Herwarth von Bittenfeld; 1950 erfolgte die Übernahme in die dem Bundeskanzleramt unterstehende Dienststelle für Auswärtige Angelegenheiten, dem späteren Auswärtigen Amt. 1952 wurde sie zur Vortragenden Legationsrätin ernannt und war Stellvertreterin des Chef des Protokolls im deutschen Auswärtigen Amt. Als Referatsleiterin in der Protokollabteilung gab sie auch Unterrichtsstunden auf dem Gebiet des Protokollwesens zunächst in der Ausbildungsstätte des Auswärtigen Amts in Speyer, später in Bonn.

1956 kam Das Buch der Etikette von Karlheinz Graudenz und Erica Pappritz heraus, das bei seinem Erscheinen starke öffentliche Kritik hervorrief.[2] Laut Spiegel haben es Leute „in der Protokollabteilung [...] der Pappritz sehr [verübelt], daß sie die ganze Abteilung, die ohnehin permanent im Geruch leichter Lächerlichkeit steht, abgrundtief blamiert hat.“[1] Der konservative Feuilletonist Friedrich Sieburg bemerkte dazu: „Allen Beteiligten wäre gedient, wenn Fräulein Pappritz... in den wohlverdienten Ruhestand träte.“[3]

Pappritz ging 1958 in den Ruhestand. Sie hielt nach ihrer Pensionierung gelegentlich Vorträge zur Etikette für Tourismusunternehmen,[4] Stahlkonzerne[5] und andere Vertreter der westdeutschen Wirtschaft.[6] Sie verstarb 1972 an Herzversagen.[3]

Das Buch der Etikette

Das 1956 erschienene Buch der Etikette, an dem Pappritz mitgeschrieben hatte, gab Benimmregeln bis ins kleinste Detail vor. Neben den Regeln für gutes Benehmen und passende Kleidung schrieb es sogar vor, in welcher Häufigkeit die Toilettenspülung zu betätigen sei, was bald als die Eti-Kette ziehen verspottet wurde.[7] Nicht nur Konrad Adenauer frotzelte über das Buch,[1] auch die rheinischen Karnevalisten nahmen die ausgefallensten Anstandsregeln, beispielsweise das Verbot langer Unterhosen („Lange Unterhosen bleiben unmännlich und häßlich, auch wenn sie kaum jemand sieht“), aufs Korn: „Auf dem Bonner Marktplatz schnitt“, so berichtete Der Spiegel, „eine monokelbewehrte Pseudo-Pappritz vor jubelndem Karnevalsvolk die Hosenbeine von langen Herren-Unterhosen ab.“[1] Das Motto des Buches, „Wo wir sind, ist oben“, wurde in späteren Ausgaben ersetzt. Josef Müller-Marein nannte das Werk in einem mit Symptom Pappritz: Der falsche gute Ton überschriebenen Zeit-Artikel einen „Wälzer, den ein Snob zum hochwohllöblichen Gebrauch für Snobs verfaßte“.[8] Der Hauptautor Karlheinz Graudenz nahm Pappritz dagegen in Schutz und betonte, sie habe bei dem Buch primär als Beraterin gewirkt.

Der Deutsche Bundestag beschäftigte sich sogar in einer Debatte mit dem Benimmbuch. Die damalige Alterspräsidentin des Bundestags, Marie Elisabeth Lüders, bezeichnete es als arrogant, anrüchig und taktlos. Die SPD-Politikerin Annemarie Renger kritisierte insbesondere die Tatsache, dass Pappritz dem Buch durch ihre Mitautorenschaft einen amtlichen Charakter verliehen hätte. Das Auswärtige Amt antwortete auf eine entsprechende Kleine Anfrage, dass Pappritz ausschließlich privat schriftstellerisch tätig gewesen, und das Buch nicht Grundlage der Diplomatenausbildung sei.

Literatur

  • Karlheinz Graudenz: Das Buch der Etikette. Unter Mitarbeit von Erica Pappritz. Perlen-Verlag, Marbach am Neckar 1956
  • Karlheinz Graudenz, Erica Pappritz: Etikette neu. 12. völlig neu bearbeitete Auflage. Südwest-Verlag, München 1971, ISBN 3-517-00026-4
  • Erica Pappritz: Etikette neu. Der Knigge aus den Wirtschaftwunderjahren. Neu bearbeitete und gekürzte Auflage. Verlags-Anstalt Handwerk, Düsseldorf 2008, ISBN 978-3-87864-919-9

Sekundärliteratur

  • Biographie in: Ursula Müller, Christiane Scheidemann (Hrsg.): Gewandt, geschickt und abgesandt. Frauen im diplomatischen Dienst. Olzog Verlag, München 2000, ISBN 3-7892-8041-0
  • Maria Keipert (Red.): Biographisches Handbuch des deutschen Auswärtigen Dienstes 1871–1945. Herausgegeben vom Auswärtigen Amt, Historischer Dienst. Band 3: Gerhard Keiper, Martin Kröger: L–R. Schöningh, Paderborn u. a. 2008, ISBN 978-3-506-71842-6

Einzelnachweise

  1. a b c d e Die Tiefe des Gemüts Der Spiegel 12/1957, 20. März 1957
  2. Zeitmosaik Die Zeit Nr. 23, 6. Juni 1957
  3. a b Gestorben: Erica Pappritz Der Spiegel 8/1972, 14. Februar 1972
  4. Berufliches: Erica Pappritz Der Spiegel 7/1959, 11. Februar 1959
  5. Gesellschaftliches: Erica Pappritz Der Spiegel 16/1959, 15. April 1959
  6. Erica Pappritz Der Spiegel 51/1958, 17. Dezember 1958
  7. Der Spiegel berichtete... Der Spiegel 10/1957, 6. März 1957
  8. Symptom Pappritz: Der falsche gute Ton, Die Zeit Nr. 10, 7. März 1957

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