Erna de Vries

Erna de Vries

Erna de Vries (* 21. Oktober 1923 in Kaiserslautern; gebürtig Erna Korn) ist eine deutsche Überlebende des Holocaust.

Seit 1998 berichtet sie in Schulen und Bildungseinrichtungen über ihr Schicksal. Für ihre Verdienste ehrte die Samtgemeinde Lathen Erna de Vries mit der Ehrenbürgerschaft; die Bundesrepublik Deutschland verlieh ihr die Verdienstmedaille des Bundesverdienstkreuzes.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Erna de Vries wurde 1923 in Kaiserslautern geboren. Ihr Vater Jacob Korn war evangelischer Christ, ihre Mutter Jeanette Korn, geborene Löwenstein, war Jüdin. Die Eltern erzogen ihre Tochter im jüdischen Glauben. Der Vater betrieb mit einem Geschäftspartner die Spedition „Sauerhöfer und Korn". Er starb 1931. Die Mutter führte das Unternehmen zusammen mit dem Partner ihres verstorbenen Mannes weiter. Aufgrund der Repressalien gegen Juden wurde eine Zusammenarbeit in der Firma mehr und mehr unmöglich, so dass die Mutter sich aus dem Geschäft zurückzog und mit ihrer Tochter von ihrem Ersparten aus dem Geschäftsanteil lebte. Die Tochter besuchte zunächst eine private katholische Mädchenschule, später jedoch konnte sie das Schulgeld nicht mehr aufbringen und wurde in die jüdische Sonderklasse einer Schule in Kaiserslautern versetzt. Sie arbeitete nach der Schule in einer jüdischen Wäschenäherei. Ihr Wunsch war es, Ärztin zu werden.

Am Morgen nach der Pogromnacht vom 9. zum 10. November 1938 wurde das Heim der Korns verwüstet. „Ich bemerkte auch, dass meine Mutter hilflos war, wie mehr oder weniger alle Juden, und dass sie mir nicht mehr helfen konnte. Von da an bin ich nicht mehr mit meinen kleinen Sorgen zu ihr gekommen (...)", berichtete Erna de Vries später. [1]

1939 begann Erna Korn eine Ausbildung zur Hauswirtschafterin in einem jüdischen Altenheim in Köln und arbeitete als Altenpflegerin. 1941 begann sie eine Ausbildung zur Krankenschwester. Nachdem sie von Deportationen von Juden erfahren hatte, gab sie die Ausbildung auf, kehrte nach Kaiserslautern zurück, um bei ihrer Mutter sein zu können, und arbeitete in einer Eisengießerei. Im Juli 1943 sollte ihre Mutter deportiert werden. Erna Korn begleitete ihre Mutter freiwillig zunächst bis Saarbrücken, wo sie ins Gestapo-Gefängnis gebracht wurden. „So bin ich mit meiner Mutter ins Gefängnis Saarbrücken gekommen. Sie war unglücklich, dass ich das geschafft habe. Aber das war mir ganz egal (...)., ich wollte bei meiner Mutter sein.“ [2] Ihre Mutter sollte ins KZ Auschwitz-Birkenau gebracht werden. Erna Korn bestand darauf, ihre Mutter zu begleiten. Mutter und Tochter trafen Ende Juli 1943 in dem Konzentrationslager an. Sie arbeiteten im Außenlager Harmense in der Fischzucht, wobei sich Erna Korn eine nicht heilende Verletzung am Bein zuzog. Am 15. September 1943 wurde sie deswegen in den Todesblock 25 verlegt. Am frühen Morgen des folgenden Tags wurden die Insassinnen des Blocks zu Lastwagen getrieben. „Ich hatte einen Wunsch, ich wollte die Sonne noch mal sehen. Ich hab gedacht, wenn ich die Sonne sehe, dann kann mir doch nichts passieren. (...) ... und ich habe die Sonne gesehen.“ [3]

Erna Korn wurde von der Hinrichtung verschont, weil ein SS-Mann sie aus der Gruppe herausholte, da sie als so genannter jüdischer Mischling ersten Grades ins KZ Ravensbrück gebracht werden sollte. Es gelang ihr in der Folgezeit noch, sich von ihrer Mutter zu verabschieden, die am 8. November 1943 ermordet wurde. Erna Korn arbeitete in Ravensbrück bis zu dessen Schließung am 15. April 1945 im zugehörigen Siemenslager. Nach der Räumung des KZ Ravensbrück ab April 1945 schleppte sie sich beim Todesmarsch der Insassinnen bis Mecklenburg, wo ihr Treck von alliierten Soldaten befreit wurde. Mit drei Freundinnen hielt sie sich bei Banzkow durch Betteln über Wasser. Die befreiten Frauen sollten in ein Auffanglager nach Lübeck gebracht werden, doch kam Erna Korn bei einer Bauernfamilie unter.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs lebte sie in Köln, wo sie Josef de Vries kennenlernte, den sie 1947 heiratete. Mit ihm hat sie drei Kinder. Ihr Mann war Jude und zwischen 1939 und 1945 Häftling in den Konzentrationslagern Neuengamme, Sachsenhausen und Auschwitz-Birkenau gewesen. Mit ihm ging sie in seinen Heimatort Lathen im Emsland, wo sie nach dem Tod ihres Mannes blieb.

Aus der Zeit in Ravensbrück bewahrte sie ihr gestreiftes Häftlingskleid auf, das seit 2001 in der Ausstellung der Mahn- und Gedenkstätte des KZ Ravensbrück gezeigt wird.

Im Alter erfüllt sie den Wunsch ihrer Mutter, die ihr beim Abschied auf den Weg gegeben hatte: „Du wirst überleben und erzählen, was man mit uns gemacht hat.“ [4]

Auszeichnungen

Die Samtgemeinde Lathen verlieh Erna da Vries die Ehrenbürgerwürde. Die Bundesrepublik Deutschland würdigte sie 2006 mit der Verleihung der Verdienstmedaille. [5]

Dokumentationen über Erna de Vries

Über das Leben Erna de Vries’ fertigten Studenten der Universität Münster im Rahmen des Projekts Zeitlupe die Filmdokumentation „Erna de Vries – Ich wollte noch einmal die Sonne sehen“ an, die am 22. November 2007 im Fürstenberghaus der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster erstaufgeführt wurde.

Die Sendung „Erna de Vries: Meine Geschichte – Verfolgt von den Nazis“ wurde im Februar 2008 vom Fernsehsender Phoenix ausgestrahlt. [6]

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Erna de Vries über die Pogromnacht 1938
  2. Erna de Vries über die Deportation
  3. Erna Korn: Ich wollte die Sonne noch einmal sehen
  4. Jeanette Korn, geb. Löwenstein
  5. Verleihung der Verdienstmedaille 2006 an Erna de Vries auf der Seite der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit Osnabrück
  6. Phoenix-Sendungen über Erna de Vries im Februar 2008

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