Ernst Moritz Engert

Ernst Moritz Engert

Ernst Moritz Engert (* 24. Februar 1892 in Yokohama, Japan; † 14. August 1986 in Lich) war ein Silhouettenkünstler, Graphiker und Maler.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Ernst Moritz Engert wurde in Japan als Sohn des Kaufmanns und Bankiers Moritz Engert und der Lehrerin und Journalistin Hedwig Engert geboren. Im Jahre 1900 siedelte er mit seiner Familie nach Deutschland um. Ab 1902 besuchte er das Gymnasium in Gera, später in Rinteln an der Weser. 1908 zog er nach München um, wo er von 1909 bis 1911 an der Kunstschule von Wilhelm von Debschitz studierte.

Briefmarke der Deutschen Post zum 125. Geburtstag von Joachim Ringelnatz unter Verwendung eines Scherenschnitts von Ernst Moritz Engert.

In den Jahren 1911 bis 1912 bewohnte Engert ein Atelier in Berlin. Dort führte er im Neopathetischen Cabaret am 6. und 7. Abend des Neuen Clubs ein Schattenspiel mit dem Titel Sansara auf. Er war eng mit Georg Heym, der zeitweilig bei ihm wohnte, Jakob van Hoddis und Karl Otten befreundet. Nach dem Tode Heyms pendelte Engert bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges zwischen Berlin, Leipzig, München und Bonn. Er war mit Ernst Rowohlt, Kurt Pinthus und Walter Hasenclever Mitglied des Stammtisches Wilhelms Weinstube in Leipzig. Bei seinen München-Aufenthalten wohnte er in der Schwabinger Künstlerpension Fürmann; er trat gemeinsam mit Emmy Hennings, Johannes R. Becher und seinem ersten Verleger Heinrich F.S. Bachmair im Kabarett Die Mördergrube auf. In Bonn nahm er 1913 mit Franz Henseler, August Macke, Max Ernst und anderen an der ersten Ausstellung des Rheinischen Expressionismus im Kunstsalon Cohen teil. 1914 heiratete er Alette von Anders, mit der er drei Kinder hatte.

Nach dem Ersten Weltkrieg wurde er 1919 Mitbegründer der Darmstädter Sezession. In den Folgejahren lebte er weiter abwechselnd in München, Darmstadt, Burgthann, Bonn und Berlin, bevor er sich 1930 ebendort niederließ. Nach der Trennung von Alette von Anders heiratete er 1932 Anna Luise Fischer (gen. Libussa), mit der er eine Tochter hatte. Engert lebte zu dieser Zeit hauptsächlich von Arbeiten für Zeitungen (General-Anzeiger, D.A.Z, Deutsche Theaterzeitung), von Buchillustrationen und Portraitsilhouetten. Zu seinem engeren Freundeskreis zählten Lotte Pritzel, Hans Bellmer, Carl Georg von Maassen, John Höxter und Joachim Ringelnatz. Im Zweiten Weltkrieg wurde er zunächst als Kartograph dienstverpflichtet. 1944 verließ er Berlin und zog nach Hadamar, wurde aber noch eingezogen und geriet für kurze Zeit in Kriegsgefangenschaft. Nach Kriegsende wohnte er mit seiner Schwester Dora Engert weiter in Hadamar, bis beide 1981 zu seiner Tochter Ursula, einer Keramikerin mit überregional bekannter Werkstatt (Die Dippemühle) nach Lich übersiedelten.

Ab 1953 diente die ehemalige Synagoge in Hadamar Engert als Atelier

Ernst Moritz Engert starb in Lich (Hessen) und wurde in Hadamar beigesetzt.

Werk

Engert begann schon als Kind zu zeichnen und Silhouetten zu schneiden. Zu seinen ersten eigenständigen Arbeiten zählten neben den scharf gezeichneten Portraitsilhouetten ein Reihe von kubistisch stilisierten Holzschnitten, darunter die Tänzerin nach rechts schreitend (1913) oder das in der Aktion abgedruckte Bildnis Asta Nielsen (1914). In dieser Zeit experimentierte Engert zudem mit Kaltnadelradierungen und Tuschezeichnungen, aber auch mit Schattenspielen. So entwickelte er ein Schattenspiel, welches in dem Film Schatten (1923) von Arthur Robison zur Aufführung kommt. Es gelang ihm, den Scherenschnitt von seinem Bierdermeier-Image zu lösen und zu zeigen, dass diese Technik ein zeitgenössisches künstlerisches Ausdrucksmittel sein kann. Nach dem Ersten Weltkrieg fokussierte er sich nahezu ausschließlich auf den Scherenschnitt. Die stilistische Radikalität der frühen Arbeiten wurde von naturalistischeren Sujets und Formen abgelöst, was sich exemplarisch an den Theater-Silhouetten, die in der Regel als Auftragsarbeiten für Zeitungen entstanden, verfolgen lässt. Viele Arbeiten kennzeichnete seither ein subtiler Humor, der gelegentlich ins Groteske gesteigert wurde. Nach 1945 kamen gefälligere Motive dazu. Insgesamt entstanden mehrere Tausend Silhouetten (Portraits und andere Motive) zum Teil in verschiedenen Varianten. Ein Werkverzeichnis existiert bislang nicht.

Engerts Arbeiten sind in zahlreichen öffentlichen und privaten Sammlungen vertreten. In Hadamar (Stadtmuseum) und Limburg an der Lahn (Kunstsammlungen der Stadt) sind Dauerausstellungen zu sehen, in Bonn (Verein August Macke Haus) befindet sich eine umfangreiche Sammlung von Portraitsilhouetten.

Ehrungen

Publikationen

Einzelveröffentlichungen

  • Sieben Zeichnungen. München, Bachmair, 1913.
  • Konrad Weinmayer (Hg.): E.M. Engert, Verzeichnis seiner graphischen Arbeiten. München, Franz Seybold's Verlagsbuchhandlung, 1914.
  • Silhouetten. Mit einer Einführung von Hans Schiebelhuth. Frankfurt, Verlag Zinglers Kabinett, 1919.
  • Kleine Mappe. Hannover, 1919.
  • Schwabinger Köpfe. Scherenschnitte von Ernst Moritz Engert mit einleitender Prosa von Hans Schiebelhuth. Hannover, Paul Steegemann Verlag, 1921. (Die Silbergäule Band 80/82).
  • Operas. Siluetas. Introduccion de Juan Gualterio. Limburg, Bensemann, ca. 1960.

Beiträge, Illustrationen

  • Die neue Kunst. Zweimonatsschrift. 1. Jahr, 1. Heft. München, Bachmair, 1913.
  • Revolution. Zweiwochenschrift. Jg. 1913, Nrn. 1-4. München, Bachmair, 1913.
  • Martin Knapp: Deutsche Schatten- und Scherenbilder aus drei Jahrhunderten. Dachau bei München, Der Gelbe Verlag, 1914.
  • Die Aktion. Wochenschrift für Politik, Literatur, Kunst. 5. Jg., Heft 31/32, 7. August 1915, Berlin-Wilmersdorf.
  • Deutsche Kunst und Dekoration, Jg. XX, Heft 7-8, April / Mai 1917, Darmstadt, Alexander Koch Verlag.
  • Eos. Dreimonatsschrift für Kunst und Dichtung. 1. Jg., 1. Heft. Berlin, Verlag Die Wende, 1918.
  • Das Hohe Ufer. 1. Jg., Heft 7, Juli 1919, Hannover, Verlag Ludwig Ey, 1919.
  • Das Tribunal. Hessische radikale Blätter. 1. Jg. 1919, 1. Heft, Januar 1919. Darmstadt, Die Dachstube, 1919.
  • Die neue Bücherschau. Jg. 1919, 6. Heft. München, Verlag Albert Karl Lang , 1919.
  • Kurt Martens: Der Emigrant. Hannover, Paul Steegemann, 1919. [Titelill. von Engert]
  • Hans Schiebelhuth: Der kleine Kalender. Darmstadt, Die Dachstube, 1919. [Titelill. von Engert]
  • Der Marstall. Zeit- und Streit-Schrift. Heft 1/2. Hannover / Leipzig / Wien / Zürich, Paul Steegemann, 1920.
  • Der Zweemann. Monatsblätter für Dichtung und Kunst. 1. Jg., 7. Heft, Sondernummer E.M. Engert. Hannover, Der Zweemann Verlag, 1920.

Literatur

  • Verzeichnis von modernen Original-Radierungen, Lithographien und Holzschnitten. Berlin, Naumann, 1913.
  • Jahrbuch der Münchener Kunst. 1. Jg. 1917 / 1918. München, 1918.
  • Katalog Darmstädter Sezession. Kunsthalle Darmstadt, 1919.
  • Deutscher Expressionismus. Darmstadt, 1920.
  • Joachim Heusinger von Waldegg (Hg.): E.M. Engert. Monographie mit Dokumentation, (Rheinisches Landesmuseum Bonn, Ausstellung 4. August-6. September 1977). Köln, Rheinland-Verlag, 1977.
  • Die rheinischen Expressionisten. August Macke und seine Malerfreunde. Recklinghausen, Bongers, 1979.
  • Karl Wyrwoll (Hg.): E.M. Engert. Hadamar, 1980.
  • Engert und das Theater. (Ausstellung in den Kunstsammlungen der Stadt Limburg 31. August-27. Oktober 1985). Limburg an der Lahn, 1985.
  • Franz Josef Hamm (Hg.): Engert und seine Künstlerfreunde. Boheme in München und Berlin. (Ausstellung in den Kunstsammlungen der Stadt Limburg 3. Dezember 1989-28. Januar 1990). Limburg an der Lahn, 1989.
  • Tom Lamberty (Hg.): Ernst Moritz Engert. Ein Silhouettist im 20. Jahrhundert. Ausstellungskatalog der Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz. (Ausstellung vom 5. November-19. Dezember 1992). Berlin, Edition Hentrich, 1992.
  • Verein August Macke Haus (Hg.): Ernst Moritz Engert. Bonner Köpfe und Theater. Silhouetten als Zeitzeugen. (Ausstellung im August Macke Haus 6. Dezember 1992-14. Februar 1993). Bonn, 1992.
  • Otto Kirchner: Das Automotiv bei Ernst Moritz Engert. In: Ursula und Otto Kirchner (Herausgeber): Unterwegs. Wie und wohin? Das Motiv der Fortbewegung im Scherenschnitt, München 2010. Seite 48-61. ISBN 978-3-940061-40-9

Weblink


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