- Erpresserischer Menschenraub
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Der erpresserische Menschenraub ist nach deutschem Strafrecht gem. § 239a Strafgesetzbuch (StGB) ein Verbrechen, bei dem der Täter einen Menschen entführt oder sich eines Menschen bemächtigt, um die Sorge des Opfers um dessen Wohl oder die Sorge eines Dritten um das Wohl des Opfers zu einer Erpressung (§ 253 StGB) auszunutzen, oder die von ihm durch eine solche Handlung geschaffene Lage eines Menschen zu einer solchen Erpressung ausnutzt. Laut Kriminalitätsstatistik wurden 2004 in Deutschland 94 Fälle von Erpresserischen Menschenraub erfasst, wovon 80 Fälle (85,1%) aufgeklärt wurden.
Entstehungsgeschichte
Der Paragraf wurde 1936 von den Nationalsozialisten als Erpresserischer Kindsraub ins StGB aufgenommen (RGBl. I S. 493). Grund hierfür war die Entführung eines Kindes unter Nachahmung des Lindbergh-Falls. Danach wurde ausschließlich mit dem Tod bestraft, wer ein Kind unter 18 Jahren entführte und dies zu einer Erpressung nutzte.
Nach Gründung der Bundesrepublik wurde der Straftatbestand in anderer Form und mit anderem Strafmaß ins StGB übernommen. Der Schutzbereich wurde auf alle Menschen ausgedehnt und die Mindeststrafe auf drei Jahre festgesetzt. Im Zuge spektakulärer Entführungsfälle auch zur RAF-Zeit wurde das Strafmaß auf mindestens fünf Jahre festgesetzt.
Merkmale und allgemeine Lehren
Die Entführung oder das Sich-Bemächtigen eines anderen Menschen wird vorausgesetzt. Das bedeutet, dass der Täter das Opfer durch Verbringen an einen anderen Ort so in seine Gewalt bringen muss, dass es seinem ungehinderten Einfluss preisgegeben ist, oder jedenfalls ohne Ortsveränderung eine Herrschaftsgewalt über den Körper des anderen begründet wird. Beim Alter des Menschen wird nicht differenziert. Auch Kinder jeder Altersstufe fallen unter den Begriff, keinesfalls jedoch die Entführung oder Entfernung von lieb gewonnenen Tieren oder Gegenständen. Hier kommt lediglich der Grundtatbestand der Erpressung in Betracht. Ist die Erpressung nicht Ziel der Tat, so ist im Zweifel eine Geiselnahme anzunehmen. Die Erpressung muss in einem zeitlich-funktionalen Zusammenhang zu der Entführung liegen.
Der Tatbestand wird eng ausgelegt, damit nicht jede Freiheitsberaubung mit Raubabsicht, etwa wenn der Täter sein Opfer packt und in eine dunkle Ecke zerrt um es dort zu berauben, als erpresserischer Menschenraub angesehen werden kann, mit der Folge, dass die vergleichsweise hohe Mindeststrafe einschlägig werden würde. Für das Sich-Bemächtigen im Sinne des § 239a ist daher eine stabile Lage verlangt.
Wegen solcher Probleme und der schwierigen Abgrenzungsmöglichkeiten zur Geiselnahme und zum erpresserischen Menschenraub wird der § 239a von der Rechtslehre kritisch betrachtet.
Der minderschwere Fall (§ 239a Abs. 2 StGB) wurde vom Gesetzgeber vorgesehen, um die notwendigen Verhandlungen zwischen Entführer und Polizei nicht unnötig durch die heraufgesetzten Strafandrohungen zu erschweren. Es kann auch unter Berücksichtigung dieser Absicht daher als grober Gesetzgebungsfehler angesehen werden, dass auch der minderschwere Fall im Höchstmaß mit 15 Jahre Freiheitsstrafe belegt werden kann. Vom gleichen Zweck getragen ist die Vorschrift des Absatz 4, die dem Täter trotz Vollendung der Tat bei tätiger Reue eine Strafmilderung einräumt.
Die in § 239a Absatz 3 StGB genannte Erfolgsqualifikation des erpresserischen Menschenraubs mit Todesfolge (vgl. Tötungsdelikt) setzt eine erhöhte Fahrlässigkeit (siehe § 18 StGB), sog. Leichtfertigkeit, voraus.
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