- Ettore Tolomei
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Ettore Tolomei (* 16. August 1865 in Rofreit/Rovereto (damals Welschtirol, heute Trentino/Italien); † 25. Mai 1952 in Rom) war ein italienischer Politiker, Senator, Nationalist und Faschist. 1937 wurde er als Conte della Vetta geadelt. Als Verfechter der Brennergrenze und der Italianisierung Südtirols wurde er von deutscher Seite auch als „Totengräber Südtirols“ und wegen seiner Ortsnamenübersetzungen als „Ortsnamensfälscher“ bezeichnet. Auf italienischer Seite wird er dagegen häufig als Patriot betrachtet.Leben und Tätigkeit
Tolomei wurde 1865 als Sohn einer nach Trient zugewanderten Familie geboren. Während seines Studiums der Geographie und Geschichte sowie Sprachwissenschaften und Literatur in Florenz und Rom wurde er zum Verfechter der These, dass die Staatsgrenze gemäß der Wasserscheide am Alpenhauptkamm zu ziehen sei. 1890 wurde Tolomei Herausgeber der nationalistischen italienischen Zeitschrift La Nazione Italiana. Bereits ab 1901 begann er intensiv mit seinen Bestrebungen der Einverleibung Südtirols ins italienische Königreich. Dazu zählten vor allem die Übersetzungen aller geografischen Bezeichnungen ins Italienische und in sehr vielen Fällen mangels historischer Namen auch italienische Neubenennungen, um eine angebliche Italianità des gesamten Gebietes bis zum Alpenhauptkamm vorzugaukeln.
1904 bestieg Tolomei den Klockerkarkopf im hinteren Ahrntal, bezeichnete sich fortan als Erstbesteiger (tatsächlich war der Berg bereits 1895 bestiegen worden) und benannte den Berg Vetta d'Italia („Spitze Italiens“).
1906 gründete er das Archivio per l'Alto Adige mit Sitz in Montan im Südtiroler Unterland. Dort hatte er im Jahr 1905 den Thalerhof gekauft.
Nach dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs übersiedelte Tolomei nach Rom und arbeitete nach dem Kriegseintritt Italiens im Jahre 1915 als Freiwilliger im italienischen Generalstab. 1916 wurde er offiziell mit der Erstellung des Prontuario dei nomi locali dell'Alto Adige betraut, in dem unter anderem alle Südtiroler Orte, Berge, Flüsse und Gewässer mit teilweise erfundenen italienischen Bezeichnungen versehen wurden. Diese Bezeichnungen sind im Übrigen seit 1923 bis heute die amtlich einzig gültigen.
In Südtirol ist bis heute die Ansicht weit verbreitet, der Name Vetta d’Italia habe den in Geografie und Geschichte Europas recht wenig bewanderten US-Präsidenten Woodrow Wilson bei den Verhandlungen zum Friedensvertrag von St. Germain 1919 von der Legitimität der Brennergrenze überzeugt.
Nach Kriegsende und nachdem Südtirol im Friedensvertrag von St. Germain 1919 Italien zugesprochen worden war, begann er als Leiter des Commissariato Lingua e Cultura per l'Alto Adige mit den ersten konkreten Italianisierungsmaßnahmen. Die Machtergreifung des Faschismus 1922 gab ihm umfangreiche Möglichkeiten, sein Programm zur „Assimilierung“ der Südtiroler Bevölkerung und auch der Sprachinseln der Zimbern im Trentino (Lusern, Fersental), Venetien (Sappada, Sieben Gemeinden, Dreizehn Gemeinden) und Friaul (Timau, Sauris) durchzusetzen (unter anderem Verbot der deutschen Schule, Italianisierung nicht nur der geografischen Namen, sondern auch der Vor- und Familiennamen).
Ab 1919 war Tolomei Mitglied der faschistischen Partei in der Provinz Bozen und organisierte 1922 die Einnahme des Bozener Rathauses durch die faschistischen Schwarzhemden. Tolomei ließ bei dieser Gelegenheit Flugblätter verteilen, in denen er faschistische Hasstiraden gegen die deutschsprachige Tiroler Bevölkerung verbreitete: „Ein Schrei genügt und wir haben diesen schweinischen Abschaum eines überständigen Österreich hinweggefegt.“
In Bozen präsentierte Tolomei 1923 sein Programm:
1. Vereinigung des Alto Adige und des Trentino in einer einzigen Provinz mit Hauptstadt Trient.
2. Ernennung italienischer Gemeindesekretäre.
3. Revision der (Staatsbürgerschafts-) Optionen und Schließung der Brennergrenze für alle Personen, denen die italienische Staatsbürgerschaft nicht zuerkannt worden war.
4. Einreise- und Aufenthaltserschwernisse für Deutsche und Österreicher.
5. Verhinderung der Einwanderung Deutscher.
6. Revision der Volkszählung von 1921.
7. Einführung des Italienischen als Amtssprache.
8. Entlassung der deutschen Beamten bzw. Versetzung in die alten Provinzen.
9. Auflösung des "Deutschen Verbandes".
10. Auflösung aller Alpenvereine, die nicht dem italienischen Alpenverein unterstanden; Übergabe der Schutzhütten an den italienischen Alpenverein.
11. Verbot des Namens "Südtirol" und "Deutsch-Südtirol".
12. Einstellung der in Bozen erscheinenden Tageszeitung "Der Tiroler".
13. Italianisierung der deutschen Ortsnamen.
14. Italianisierung der öffentlichen Aufschriften.
15. Italianisierung der Straßen- und Wegbezeichnungen.
16. Italianisierung der verdeutschten Familiennamen.
17. Entfernung des Denkmals Walthers von der Vogelweide vom Bozner Waltherplatz.
18. Verstärkung der Carabinieritruppe unter Ausschluß deutscher Mannschaften.
19. Begünstigung von Grunderwerb und Einwanderung von Italienern.
20. Nichteinmischung des Auslandes in Südtiroler Angelegenheiten.
21. Beseitigung deutscher Banken, Errichtung einer italienischen Bodencreditbank.
22. Errichtung von Grenzzollämtern in Sterzing und Toblach.
23. Großzügige Förderung der italienischen Sprache und Kultur.
24. Errichtung italienischer Kindergärten und Volksschulen.
25. Errichtung italienischer Mittelschulen.
26. Strenge Kontrolle von Auslands-Hochschuldiplomen.
27. Ausbau des Istituto di Storiaper l'Alto Adige.
28. Änderung des Gebietsumfangs des Bistums Brixen und strenge Kontrolle der Aktivität des Klerus.
29. Verwendung des Italienischen bei Prozessen und vor Gericht.
30. Staatliche Kontrolle der Handelskammer Bozen und der landwirtschaftlichen Körperschaften (Corporazioni).
31. Umfangreiche Programme für neue Eisenbahnknoten, um die Italianisierung des Alto Adige zu erleichtern (Bahnprojekte Mailand-Mals, Veltlin-Brenner, Agordo- Brixen).
Nach dem weitgehenden Scheitern seiner Maßnahmen propagierte Tolomei die Umsiedlung der deutschsprachigen Bevölkerung und der Zimbern nach Deutschland. 1939 kam es schließlich zum entsprechenden Abkommen zwischen Hitler und Mussolini, der so genannten Option, wobei er als Hauptinitiator und -organisator fungierte.
Für seine Verdienste um die Nation wurde Tolomei von den Faschisten zum Senator ernannt und im Jahr 1938 von König Viktor Emanuel III. zum Conte della Vetta („Graf des Gipfels“) geadelt.
Nach dem Einmarsch deutscher Truppen in Italien 1943 wurde Ettore Tolomei von der deutschen Wehrmacht verhaftet und in einem Lager im Thüringer Wald interniert. 1945 wurde er befreit und übergab die Leitung des Archivio seinem Schüler und Assistenten Carlo Battisti.
Er behielt seinen Titel als Senator, den er während der Faschistenzeit erhalten hatte, wurde wiederum Berater der italienischen Regierung und wurde nach seinem Tod am 26. Mai 1952 mit einem Staatsbegräbnis geehrt und in Montan begraben.
Weblinks
- Literatur von und über Ettore Tolomei im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Presseartikel über das Leben und Wirken von Tolomei aus Südtiroler Sicht * * [1]
- Tolomeis Werke in der italienischen Nationalbibliothek * * [2]
Literatur
- Haller, Franz J., Regele, Ludwig Walther (2003) Dokumentarfilm : Ettore Tolomei und der italienische Nationalismus in Südtirol (76' Min) Deutsch. Fernsehfassung RAI-Sender Bozen (2004). 2009 Version in Ladinischer Sprache >>> Landesbibliothek Dr. Tessmann, Bozen
- Framke, Gisela (1987). Im Kampf um Südtirol. Ettore Tolomei (1865-1952) und das ‚Archivio per l'Alto Adige'. Tübingen: M. Niemeyer. ISBN 3-484-82067-5.
- Benvenuti, Sergio; Hartungen, Christoph von (eds.) (1998). Ettore Tolomei (1865-1952). Un nazionalista di confine. Die Grenzen des Nationalismus. Trento: Museo Storico in Trento.
- Steininger, Rolf (2003). South Tyrol: a minority conflict of the twentieth century. New Brunswick, N.J., U.S.A: Transaction Publishers. ISBN 0-7658-0800-5.
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