Euphemismustretmühle

Euphemismustretmühle
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Die Euphemismus-Tretmühle (englisch euphemism treadmill) ist eine sprachwissenschaftliche Theorie. Sie besagt, dass jeder Euphemismus irgendwann die negative Konnotation seines Vorgängerausdrucks annehmen wird, solange sich die tatsächlichen Verhältnisse nicht verändern.

Euphemismus-Tretmühle

Der Begriff der Euphemismus-Tretmühle wurde von Steven Pinker eingeführt. Er beobachtete den Effekt, dass euphemistische Neologismen alle negativen Assoziationen jener Wörter aufnahmen, die sie ersetzten, also eine Bedeutungsverschlechterung erlebten.

Die deutsche Sprache kennt viele Beispiele für den Prozess der Euphemismus-Tretmühle. Ein deutsches Wort in diesem Zusammenhang ist das euphemistische Wort „abwickeln“, welches den Begriff „Schließung von Betrieben und Einrichtungen“ ersetzen sollte, aber bald dessen negativen Charakter übernahm.

Ebenso kann man behaupten, dass beispielsweise die Assoziationen, die man bei den neuen Wörtern „Behinderter“ oder „Azubi“ hat, sich bei vielen Menschen nicht von denen unterscheiden, die man früher bei „Krüppel“ und „Lehrling“ hatte. So wurde das Wort „behindert“ schon bald nach seiner Einführung in den Alltag ebenso für viele Menschen zum Schimpfwort wie einst „Krüppel“. Beispiel: KrüppelInvalideBehinderter – Mensch mit Behinderung. Im Englischen wird als Nachfolgebegriff für „behindert“ (disabled, wörtlich entfähigt) „anders befähigt“ („differently-abled“) genannt, was im Deutschen noch völlig ungebräuchlich ist. Hier wird teilweise versucht, „Mensch mit besonderen Bedürfnissen“ zu etablieren. Besonders auffällig wird die Tretmühle, wenn kurz hintereinander mehrere Begriffe mit derselben Bedeutung verwendet werden, etwa Neger – Schwarzer – Farbiger – Afro-Amerikaner, ein Trend, der in den USA deutlich sichtbar wird.

Auch die Bezeichnung „Jugendliche mit Migrationshintergrund“, die eingeführt wurde, weil einerseits viele der Angehörigen deutsche Staatsbürger sind und andererseits „Ausländerkinder“ oder „Gastarbeiterkinder“ pejorativ empfunden wurde, bekam sehr schnell die implizite Zusatzbedeutung von in gewisser Weise sozial auffälligen Jugendlichen, da der Begriff meistens in diesem Zusammenhang benutzt wurde.

Allerdings gibt es auch andere Euphemismen, vornehmlich im politisch-wirtschaftlichen Bereich, bei denen bislang diese Negativierung der Bedeutung entgegen dieser Theorie (noch) nicht eingetreten ist:

  • „Konflikt“ wird für „Krieg“ gesetzt, ist aber trotz medialer Dauerpräsenz mindestens seit Mitte der 1990er Jahre immer noch wesentlich weniger negativ konnotiert als „Krieg“ (Kosovo-„Konflikt“, aber wenige Jahre zuvor noch Golf„krieg“).
  • „Rückführung“ statt „Abschiebung“ wird ebenfalls schon seit Jahren von offiziellen Stellen benutzt, hat aber dennoch keinen so negativen Klang.
  • „Opfer“ für bei Katastrophe oder Krieg umgekommene Person(en). Hier wird ein religiöser Begriff in die säkulare Gesellschaft transportiert. Im ursprünglichen Sinn sollte damit größerer Schaden von der Bevölkerung abgewendet werden und wäre ein Zoll, den die Gesellschaft zu entrichten hätte. Davon kann bei Todesfällen in Krieg und Katastrophe in der säkularen Gesellschaft nicht die Rede sein.

Dysphemismus-Tretmühle

Seltener verwendet wird der Begriff Dysphemismus-Tretmühle für die Tatsache, dass ursprünglich negativ besetzte Begriffe eine positive Konnotation annehmen (vgl. Geusenwörter). Ein ursprünglich pejorativer Begriff wird positiv verwendet, da die zunächst euphemistischen Begriffe inzwischen einen negativen Klang haben.

„Schwuler“ war ursprünglich ein Schimpfwort für männliche Homosexuelle, wird aber jetzt von der Schwulen-Bewegung als (positiv besetzte) Selbstbezeichnung verwendet, während die Bezeichnung „Homo(sexueller)“ eher beleidigenden Charakter annimmt – noch stärker engl. gay ‚hübsch‘ zu ‚schwul‘, dann aber zum Imageträger (gay pride). Ähnliches gilt für die Begriffe „Krüppel“, „Hure“/„Nutte“/„Luder“, oder „Nigger“, „Kanake“, die ebenfalls als Selbstbezeichnung ihren herabwürdigenden Charakter verlieren – allerdings sind diese als Fremdbezeichnung immer noch beleidigend.

Als Eigen- und Fremdbezeichnung hatte das Adjektiv „geil“ Anfang der siebziger Jahre noch eine überwiegend negative Bedeutung, wurde dann aber in der Jugendsprache positiv verwendet. Diese Bedeutung hat das Wort auch heute noch. Einen ähnlichen Wertwandel machte das Adjektiv „ätzend“ durch, welches aber heute wieder ausschließlich negativ besetzt ist.


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