Evaneszente Welle

Evaneszente Welle
Evaneszente Felder hinter der Grenzfläche bei Totalreflexion

Evaneszent (etwa: dahinschwindend)

Trifft eine Welle auf ein Medium, in dem sie sich nicht ausbreiten kann, so fällt ihre Amplitude an der Grenzfläche nicht unstetig auf Null, sondern klingt von der Grenzfläche an exponentiell ab, ihr Wellenvektor k ist also komplex. Eine solche Welle heißt evaneszent. Dieser Effekt lässt sich nur wellenmechanisch erklären.

Evaneszente Wellen sind lange in der Akustik, z. B. in Rohren oder anderen Leitungen bekannt.

In der Quantenmechanik (als Wahrscheinlichkeitsinterpretation einer Wellenmechanik) führt dies dazu, dass sich Teilchen in einem klassisch verbotenen Bereich aufhalten können, da in ihm die Aufenthaltswahrscheinlichkeiten exponentiell absinken, aber noch vorhanden sind. Dies ermöglicht zum Beispiel den Tunneleffekt.

Evaneszente Wellen treten z. B. in oder hinter Flächen auf, an denen Wellen reflektiert werden. Da keine Energie wegtransportiert wird, gilt dies auch bei vollständiger Reflexion und Totalreflexion an einer Grenzfläche zweier Medien.

Nachweis durch verhinderte Totalreflexion

Aufgrund Auskoppelung evaneszenter Felder verhinderte Totalreflexion im Prisma

Bringt man zwei Glasprismen sehr nahe zusammen (siehe Abbildung), kann man Licht messen, wo keines sein dürfte, nämlich nach dem zweiten Prisma (rosa Lichtstrahl). Die Intensität sinkt exponentiell mit dem Abstand der Prismen. Diesen Effekt nennt man verhinderte Totalreflexion, da eigentlich alles Licht nach oben reflektiert werden müsste. Aufgrund des evaneszenten Feldes hinter dem Prisma kann aber trotzdem Licht transmittiert werden, falls ein zweites Prisma in das evaneszente Feld eintaucht. Dies ähnelt dem endlich hohen Potentialtopf in der Quantenmechanik, wo die Wellenfunktion im verbotenen Bereich exponentiell abklingt. Daher ist dieser Effekt auch als optischer Tunneleffekt bekannt.

Der Effekt der gestörten Totalreflexion wird bei der ATR-Spektroskopie ausgenutzt, um Verunreinigungen und Fehler von Oberflächen und dünnen Schichten sichtbar zu machen.

Auch die Optische Nahfeldmikroskopie nutzt evaneszente Wellen.

Die aus Lochblech bestehende Tür von Mikrowellenherden muss durch eine zusätzliche Scheibe geschützt werden, da die Mikrowellen im Ofeninneren zwar nicht durch die Tür gelangen können, jedoch unmittelbar hinter den Löchern evaneszente Felder erzeugen, die bei Annäherung z. B. eines Fingers zur Auskoppelung von Mikrowellen führen würden.

In Lichtwellenleitern befinden sich evaneszente Wellen im niedrigbrechenden cladding der Faser. Das cladding verhindert einen Strahlungsaustritt aus dem Faserkern, indem es verhindert, dass sich Schmutz oder der Fasermantel dem evaneszenten Feld um den Kern nähern und so die Totalreflexion stören.

Siehe auch

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