FLATZ

FLATZ
Wolfgang Flatz (Oktober 2008)

Wolfgang Flatz (* 4. September 1952 in Dornbirn, Vorarlberg) ist ein österreichischer Aktionskünstler, Bühnenbildner, Musiker und Komponist.

Inhaltsverzeichnis

Werdegang

Geboren in Dornbirn, aufgewachsen in Dornbirn und Feldkirch, hat 1967 in Feldkirch eine Lehre zum Goldschmied absolviert, die er 1971 abschließt. In Graz studierte er von 1972 bis 1974 zunächst Metalldesign an der Höhere technische Bundes- Lehr- und Versuchsanstalt, bevor er 1975 nach München »emigrierte« (Original-Ton), um dort an der Akademie der Bildenden Künste erst Goldschmiedekunst und dann Malerei bei K. F. Dahmen und Günter Fruhtrunk zu studieren. Zur gleichen Zeit studierte er Kunstgeschichte an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Seit 1988 hat Flatz immer wieder Gastprofessuren in der Bundesrepublik Deutschland und anderen Ländern inne. Flatz lebt seit 1975 in München.

Im Juli 2009 soll in seiner Geburtsstadt Dornbirn das "Offene Museum FLATZ" eröffnet werden. [1]

Werk

Eines der bekanntesten Flatz-Zitate ist wohl der Slogan »Fressen, Ficken, Fernsehen«, den er für eine Postkarte im schwarz, rot, goldenen Outfit gestaltete.

Projekte von Wolfgang Flatz waren und sind extrem und immer auf Provokation angelegt gewesen. Diese Provokation soll nach seiner Aussage der Verstärkung von Wahrnehmung dienen, um so der menschlichen Teilnahmslosigkeit entgegenzuwirken. So posierte er z. B. als nackte Dartscheibe, die vom Publikum mit Pfeilen beworfen werden sollte, oder er ließ sich kopfüber als Glockenschwengel an einem Seil aufhängen, um zu Walzerklängen zwischen aufgespannten Metallplatten hin- und her zu knallen. Eine weniger körperlich schmerzhafte Aktion war jene zur documenta 6 (1977), als er Flugblätter verteilte, auf denen er ankündigte, dass er an der documenta nicht teilnehmen werde; an der documenta IX nahm er dann tatsächlich teil.

1996 arbeitete er als Darsteller (er spielte sich selbst), Set- und Kostümdesigner in dem deutschen Thriller „Der kalte Finger“ mit.

Der Körper als Objekt der Kunst

1974 setzte sich Flatz während einer Modenschau im Grazer Hotel Steirer Hof mit verbundenen Augen in die erste Reihe. Sobald das Publikum applaudierte, klatschte der ›begeisterte‹ Besucher Flatz mit. Am Ende der Schau, die zu der seinen werden sollte, verließ er, weiterhin mit verbundenen Augen, wortlos den Saal. Diesem ersten Ergebnis der Flatzschen Auseinandersetzung mit zeitgenössischer Kunst, vor allem mit dem Happening und den Wiener Aktionisten, folgten 1975 weitere Durchkreuzungen herkömmlichen ›Wahrnehmens‹ und ›Fühlens‹. Eine davon brachte ihm einen Aufenthalt im örtlichen Stadtgefängnis und eine anschließende Einweisung in die psychiatrische Abteilung der „Landesirrenanstalt Valduna“ ein: als er im Palais Liechtenstein im österreichischen Feldkirch während einer Ausstellungseröffnung einen schwarzen Sack über den Kopf gestülpt trug. Die Wiederholung eines solchen Klinikaufenthaltes brachte eine andere Aktion mit sich, bei der Flatz sich zwölf Stunden lang auf einer Straßenbrücke neben ein 140 mal 140 Zentimeter großes Schild gestellt hatte, dem zu entnehmen war, dass er an diesem Ort einen Unfall mit beträchtlichen Folgen verursacht habe.

Flatz bezieht 1992 auf der Kasseler DOCUMENTA IX zum ersten Mal das Publikum physisch in sein Konzept mit ein. ›Bodycheck/Physical Sculpture No. 5‹ ist der Titel dieser Arbeit: im zweiten Obergeschoss des Fridericianums in Kassel hängen, den gesamten Raum ausfüllend, eine Vielzahl zylindrischer Körper, ›Sandsäcken‹ ähnlich, wie sie die Boxer zum Training benutzen, 120 Zentimeter hoch, bei einem Durchmesser von 40 Zentimetern und einem Gewicht von 60 Kilogramm, was Flatz’ Körpergewicht entspricht. Das Entscheidende dabei ist, dass jeder Besucher der dahinter liegenden Ausstellungsräume durch diesen ›Skulpturenwald‹ hindurch muss, ihm dabei jedoch lediglich ein Zwischenraum von 40 Zentimetern bleibt, fünf Zentimeter weniger, als die durchschnittliche Schulterbreite des Menschen ausmacht. Aus diesem Grund muss jeder Besucher die Skulptur berühren und wegschieben. »Sie erlaubt ihm die Fortbewegung nur als bewusste Handlung«, so Flatz in seinem Konzept-Papier, »als direkte körperliche und geistige Auseinandersetzung mit der Skulptur selbst.«

Autoaggression und Voyeurismus

Die Performances von Flatz, die er (wie auch seine späteren ›Demontagen‹) ›Stücke‹ nennt, sind häufig autoaggressiv ausgerichtet, also auf den eigenen Körper bezogen. Bei Teilen des Publikums schien dies mehr Aufsehen zu erregen, als dies gemeinhin bei einer gegen andere gerichteten Gewalt der Fall gewesen wäre. So etwa bei der Aktion ›Teppich‹: Flatz ließ sich in den Windfang der Münchner Akademie der Bildenden Künste legen, eingenäht in einen Teppich, auf den die Hineingehenden traten, mehr oder minder gezwungen. Die Schmerzen, die die Tritte verursachten, artikulierte Flatz jeweils mit einem schrillen Pfiff. Zwölf Stunden sollte auch dieses ›Stück‹ andauern. Doch nach etwa einem Drittel der Zeit wurde der ›menschengefüllte‹ Teppich von zwei Männern weggezerrt und zur Seite geworfen.

Eine andere Aktion im österreichischen Bludenz, bei der Flatz sich 15 Minuten lang von einem Mann ohrfeigen ließ, während das Auditorium Schläger und Geschlagenen auf einem Videomonitor beobachten konnte, wurde ebenfalls von einer Frau aus dem Publikum abgebrochen.

Jochen Gerz hat zwei Jahre später mit seiner Performance ›Purple cross for absent now‹ ähnlich agiert, als er sich ein Gummiseil um den Hals legte, an dem der Mensch ziehen und das ›Ergebnis‹ im Monitor ›überprüfen‹ durfte.

Aber auch den Voyeurismus und die direkte Gewaltbereitschaft hat Flatz immer wieder provoziert. So führte er 1979 in Stuttgart eine Aktion durch, bei der er sich für ein ›Preisgeld‹ von 500 DM mit Dart-Pfeilen bewerfen ließ. Ein kommunaler Kulturpolitiker versuchte dies zunächst zu verhindern, wurde aber später dabei beobachtet, wie er selbst Pfeile auf Flatz warf, was ihn am Ende das Amt kostete.

Eine weitere autoaggressive Performance inszenierte Flatz zu Silvester 1990 und in der orthodoxen Neujahrsnacht am 14. Januar 1991 in der georgischen Hauptstadt Tiflis, wo er, wie in Sankt Petersburg, eine Gastprofessur innehatte. Ort des Geschehens war die dortige alte Synagoge, die zur Zeit des kommunistischen Regimes als Kader- und nach dem Zusammenbruch als anarchische Kulturstätte benutzt wurde. Er ließ zwei 1,50 mal 2,80 Meter große Stahlplatten an die Decke hängen. Zwischen diesen hing er mit dem Kopf nach unten, an den Händen gefesselt. Diese wiederum waren mit einem Seil verbunden, mit dem ein unten stehender Mann Flatz’ Körper fünf Minuten lang zwischen den beiden Platten hin- und herpendelte und aufschlagen ließ. Im Anschluss an dieses ›Glockenläuten‹ tanzte ein Paar den ›Kaiserwalzer‹ von Johann Strauss. Eine mögliche Interpretation ergibt sich aus der Historie: zur Zeit der Zaren wurden politisch Unbeugsame in die Glocken gehängt, bis sie ›sangen‹.

Weitere Projekte

Flatz bescheinigt sich selbst einen erheblichen Perfektionsdrang; so richtete er 1984 in München den Friseursalon ›Rosana‹ nicht nur mit von ihm entworfenen Möbeln ein, sondern ersetzte die sonst üblichen Spiegel durch Videokameras bzw. -monitore. Die Wurzeln dieser Arbeitsweise liegen womöglich in seiner Ausbildung zum Goldschmied und Metalldesigner. Er hatte sich an der Münchner Akademie der Bildenden Künste auch in der Goldschmiedeklasse von Hermann Jünger beworben, dies allerdings mit Fotografien seines Körpers.

In der Folge entwirft er auch Bühnenbilder, etwa an den Münchner Kammerspielen. Er inszeniert selbst, so für die Opernfestspiele in München. Er gewinnt, mit Florian Aicher und Uwe Drepper, den Architekturwettbewerb zur ›Laimer Unterführung‹. Er realisiert die Videoskulptur ›Modell America‹, einen elektrischen Stuhl, bei dem ein Verurteilter im Todeskampf zu sehen ist und konzipiert Ausstellungen.

Sein Stück ›Demontage II‹ wird in verschiedensten Variationen aufgeführt. In der Rosenheimer Fassung von 1987 durchbrach Flatz mit einem Presslufthammer eine Mauer, während eine Sopranistin Lieder deutscher Klassiker sang.

Anfang der 1990er Jahre verkaufte Flatz „Softkiller“, den ersten kaufbaren Computervirus. Dieses Programm wurde für 1800 DM je Diskette im 20er Diskettenpack verkauft. Nach dem Start zeigte der Virus den Kopf des Künstlers und einige Warnungen. Überging der Anwender diese wiederholt, so löschte Softkiller die Festplatte und zerstörte sich selbst. Sogar bayrische Behörden wurden auf das Programm aufmerksam und prüften, ob der Tatbestand der Computersabotage erfüllt sei. Flatz dazu: „Die Entscheidung triffst du beim Kauf. Was immer du damit auch anstellst – da beginnt die Anwendung.“

Einige Kunstkritiker vertreten die Meinung, dass Flatz aufgrund seines Hanges zur Trivialität der Pop Art näher stehe als der konzeptionellen oder Aktionskunst. Als Beispiele werden dafür seine Werkserien mit Titeln wie "Zeige mir einen Helden und ich zeige dir eine Tragödie", "Einige mehr oder weniger wichtige historische Zwischenfälle" oder "Die Liebe und der Tod" herangezogen.

Diskografie

  • 1998 Physical Sculpture
  • 2000 Wunderkind
  • 2000 Love and Violence
  • 2001 Fleisch

Auszeichnungen

Literatur

  • Detlef Bluemler: Der Körper als Organ der Sprache. In: Künstler – Kritisches Lexikon der Gegenwartskunst, Ausgabe 18/1992.
  • Eckhart Gillen (Hrsg.): deutschlandbilder. Kunst aus einem geteilten Land, Katalog zur Ausstellung der 47. Berliner Festwochen im Martin-Gropius-Bau, 7. September 1997 bis 11. Januar 1998, DuMont, Köln 1997, ISBN 3-7701-4173-3 (Katalogausgabe)

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Künstler Flatz will Dornbirn Werke schenken (27. Februar 2009)

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