Faktorsubstitution

Faktorsubstitution

Der Begriff Faktorsubstitution bezeichnet in den Wirtschaftswissenschaften das Austauschen von Produktionsfaktoren nach dem ökonomischen Prinzip. Es wird dabei entweder eine Maximierung des Outputs bei gegebenen Produktionsfaktoren angestrebt oder bei gegebener Ausbringungsmenge die Minimierung der aufzuwendenden Inputfaktoren. Im Rahmen des Produktionsprozesses unterstützen Produktionsfunktionen die Entscheidung, ob und in welchem Maße ein Produktionsfaktor durch einen anderen ersetzt (substituiert) wird.

Inhaltsverzeichnis

Historische Einordnung

Nach Johann Heinrich von Thünens Pionierarbeit auf dem Gebiet der Produktions- und Verteilungstheorie in der Mitte des 19. Jahrhunderts, gelang es Knut Wicksell das Konzept der Produktionsfunktionen zu entwickeln. Im Jahr 1893 setzte Wicksell die von Thünen entwickelten Theorien erstmals in eine konsistente mathematische Formulierung um. Dabei wird meist unterstellt, dass die Produktionsfaktoren substituierbar sind.[1]

Produktionsprozess

Im Produktionsprozess verwandeln Unternehmen Inputs in Outputs (Produkte). Die Inputs bzw. Produktionsfaktoren werden meist in die Kategorien Arbeit, Boden (Rohstoffe) und Kapital eingeteilt, die jeweils enger definierte Unterkategorien umfassen können. Zum Input einer Bäckerei gehören beispielsweise die Arbeit der Mitarbeiter, die Rohstoffe wie Mehl und Zucker sowie das in Backöfen und andere Ausrüstungsgegenstände investierte Kapital. Diese Inputfaktoren werden für die Produktion von Outputs, wie in diesem Beispiel Brot, Kuchen und Gebäckstücke, benötigt.[2]

Produktionsfunktion

Die Beziehung zwischen den Inputs für den Produktionsprozess und den daraus resultierenden Outputs wird durch die Produktionsfunktion beschrieben. Eine Produktionsfunktion gibt die höchste Produktionsmenge q an, die ein Unternehmen mit jeder angegebenen Kombination von Inputs produzieren kann.[3] Erzielen verschiedene Kombinationen von Produktionsfaktoren die gleiche Ausbringungsmenge, können sie grafisch in einer Kurve, genannt Isoquante, zusammengefasst werden.[4] Die Isoquante zeigt die Flexibilität der Unternehmen bei Produktionsentscheidungen, da ein bestimmter Output auch bei unterschiedlicher Zusammenstellung der Inputs erreicht werden kann. Bei einer gegebenen Produktionsfunktion wird die Wahl der Faktorkombination von den Kosten der möglichen Produktionsfaktoren beeinflusst.[5] Eine veränderte Kombination der Produktionsfaktoren ermöglicht unter Umständen eine Kostensenkung und Gewinnmaximierung.[6]

Es ist zu beachten, dass die Produktionsfunktion auf eine bestimmte Technologie abzielt. Gemeint ist ein bestimmter Kenntnisstand über die verschiedenen Methoden, die zur Umwandlung der Faktoreinsatzmengen in Gütermengen eingesetzt werden können. Wenn die Technologie weitere Fortschritte macht und sich die Produktionsfunktion ändert, kann ein Unternehmen bei einer gegebenen Inputmenge einen größeren Output erzielen.[7]

Letztendlich beschreibt die Produktionsfunktion was technisch machbar ist, wenn das Unternehmen effizient arbeitet – das heißt, wenn das Unternehmen jede Inputkombination so effektiv wie möglich einsetzt. Es ist angemessen anzunehmen, dass gewinnorientierte Unternehmer keine Ressourcen verschwenden und daher die Produktion stets technisch effizient gestalten.[8]

Faktorsubstitution

Entsprechend der Produktionsfunktion können die Gütermengen auf unterschiedliche Art und Weise hergestellt werden.[9] Aus Gründen der Vereinfachung wird davon ausgegangen, dass lediglich zwei Produktionsfaktoren existieren. Sowohl Input als auch Output sollen beliebig teilbar sein. Im Modell wird angenommen, dass der Output gleich bleibt und auf bestimmte Mengen des einen Faktors verzichtet werden kann, wenn die Einsatzmenge des anderen Faktors erhöht wird. Der Output steigt oder bleibt mindestens gleich, insofern der Einsatz eines Faktors bei Konstanz des anderen erhöht wird. (Daher haben die Isoquanten eine negative Steigung.) Wenn immer weniger Einheiten des einen Produktionsfaktors vorhanden sind, muss eine Einheit dieses Faktors durch umso mehr Einheiten des anderen Faktors ersetzt bzw. substituiert werden. (Somit verlaufen die Isoquanten bei den meisten Produktionstechnologien konvex.)[10]

Um das Modell besser zu veranschaulichen, wird angenommen, dass die Inputs Arbeit L und Kapital K bestehen. Die Produktionsfunktion q gibt hierbei die höchste Ausbringungsmenge wie folgt an.

q = F(K,L)\!\,

Für die Produktionsfunktion in der Gleichung kann dies bedeuten, dass mehr Kapital und weniger Arbeit eingesetzt wird oder umgekehrt. So kann beispielsweise Wein auf arbeitsintensive Weise mit vielen Arbeitskräften oder auf kapitalintensive Weise mit Hilfe von Maschinen und unter Einsatz von nur wenigen Arbeitern hergestellt werden. In diesem Beispiel wird der Faktor Arbeit durch den Faktor Kapital substituiert.[11]

Grenzrate der Faktorsubstitution

Da auch in der Haushaltstheorie eine Grenzrate der Substitution bestimmt wird, bezeichnet man sie in der Produktionstheorie als Grenzrate der technischen Substitution (GRTS) oder Faktorsubstitution.[12] Die GRTS entspricht der Steigung der Isoquante und gibt an, wie viele Einheiten des einen Faktors durch eine Einheit des anderen Faktors ersetzt werden können, während der Output konstant bleibt.[13] Grundidee ist hier, dass ein Produzent mehrere Produktionsfaktoren (vereinfachend meist zwei) bei der Herstellung seines Gutes einsetzen kann. Das Faktoreinsatzverhältnis ist jedoch in den meisten Fällen nicht eindeutig vorgegeben, so dass ein Produktionsfaktor durch einen anderen substituiert werden kann. Im folgenden Beispiel beschreibt die GRTS, wie viele zusätzliche Einheiten Arbeit L benötigt werden, um bei einer Einheit Kapital K weniger den gleichen Output zu erzielen. Dabei sei ΔL die zusätzlich eingesetzte Menge Arbeit, ΔK die weniger eingesetzte Menge Kapital.

GRTS_{LK}= \frac{\Delta L}{\Delta K}

Da dem Zuwachs (+) beim einen Faktor, ein Rückgang (-) beim anderen gegenübersteht, nimmt die Grenzrate der Faktorsubstitution einen negativen Wert an. Die GRTS sinkt bei ständigem Mindereinsatz eines Faktors (ΔK), da dieser immer durch Mehreinsatz des anderen Faktors (ΔL) ausgeglichen werden muss. Folglich vermindert sich die "Substitutionskraft" des ersetzenden Faktors (ΔL).[14]

Die Grenzrate der Faktorsubstitution spielt vor allem bei der Verwendung unterschiedlicher Produktionsfunktionen eine Rolle.

Auswirkungen spezieller Produktionsfunktionen

Abbildung 1: Die Isoquanten bei Inputs, die vollkommene Substitute sind

Vollkommene Substitute

Um den möglichen Grad der Substitution darstellen zu können, wird die Produktionsfunktion in zwei Extremfälle unterteilt. Im ersten Extrem (siehe Abbildung 1) sind die Produktionsfaktoren vollkommene Substitute. In diesem Fall ist die GRTS in allen Punkten der Isoquante konstant. Infolgedessen kann die gleiche Gütermenge (beispielsweise q3) fast ausschließlich mit Kapital (in Punkt A), fast ausschließlich mit Arbeit (im Punkt C) oder mit einer ausgeglichenen Kombinationen von beiden (im Punkt B) produziert werden. So können beispielsweise Musikinstrumente fast ausschließlich mit Werkzeugmaschinen oder mit nur sehr wenigen Werkzeugen und hoch qualifizierter Arbeit produziert werden.[15]

Festes Einsatzverhältnis der Substitute

Im anderen Extrem mit festem Einsatzverhältnis in der Produktionsfunktion, besteht keine Möglichkeit die Inputs untereinander zu substituieren. Das heißt für jedes Produktionsniveau ist eine spezielle Kombination von Arbeit und Kapital erforderlich.

Abbildung 2: Die Produktion mit festem Einsatzverhältnis

Zusätzliche Gütermengen können nur erzielt werden, wenn Arbeit und Kapital jeweils in einem bestimmten Verhältnis hinzugefügt werden. Folglich haben die Isoquanten eine L-förmige Gestalt, ebenso wie die Indifferenzkurven, wenn zwei Güter vollkommene Komplementärgüter sind. Ein Beispiel dafür ist der Bau von Betonfußwegen mit Hilfe von Presslufthämmern. Zur Bedienung eines Presslufthammers wird eine Person gebraucht – die Produktion wird weder durch zwei Personen und einen Presslufthammer noch durch eine Person und zwei Presslufthämmer gesteigert.

In Abbildung 2 stellen die Produkte A und B technische effiziente Inputkombinationen dar. Beispielsweise kann zur Produktion der Gütermenge q1 wie im Punkt A eine Arbeitsmenge L1 und eine Kapitalmenge K1 eingesetzt werden. Bleibt das Kapital fix bei K1, wird durch die Erhöhung der Arbeit die Gütermenge nicht verändert. Dies geschieht auch nicht, wenn bei fixem L1 das Kapital erhöht wird. Folglich ist in den vertikalen und horizontalen Abschnitten der L-förmigen Isoquanten entweder das Grenzprodukt des Kapitals oder das Grenzprodukt der Arbeit gleich null. Höhere Gütermengen werden nur erzielt, wenn sowohl das Kapital als auch die Arbeit erhöht werden, wie dies beim Wechsel von der Inputkombination A zur Inputkombination B der Fall ist.[16]

Belege

  1. Fritz Söllner: Die Geschichte des ökonomischen Denkens. 2. Auflage. Springer, Berlin/Heidelberg 2001, S. 69-70.
  2. Robert S. Pindyck, Daniel L. Rubinfeld: Mikroökonomie. 6. Auflage. Pearson Studium, München 2005, S. 262.
  3. Robert S. Pindyck, Daniel L. Rubinfeld: Mikroökonomie. 6. Auflage. Pearson Studium, München 2005, S. 262.
  4. Dirk Diedrichs, Marco Ehmer, Nikolaus Rollwage: Mikroökonomik. 3. Auflage. WRW-Verlag, Köln 1999, S. 25.
  5. Bernd Woeckener: Einführung in die Mikroökonomik. Springer, Berlin/Heidelberg 2006, S. 214.
  6. Robert S. Pindyck, Daniel L. Rubinfeld: Mikroökonomie. 6. Auflage. Pearson Studium, München 2005, S. 277.
  7. Robert S. Pindyck, Daniel L. Rubinfeld: Mikroökonomie. 6. Auflage. Pearson Studium, München 2005, S. 263.
  8. Robert S. Pindyck, Daniel L. Rubinfeld: Mikroökonomie. 6. Auflage. Pearson Studium, München 2005, S. 263.
  9. Robert S. Pindyck, Daniel L. Rubinfeld: Mikroökonomie. 6. Auflage. Pearson Studium, München 2005, S. 263.
  10. Winfried Reiß, Heide Reiß: Mikroökonomische Theorie: historisch fundierte Einführung. 5. Auflage, S. 322-323.
  11. Robert S. Pindyck, Daniel L. Rubinfeld: Mikroökonomie. 6. Auflage. Pearson Studium, München 2005, S. 262-263.
  12. Eberhard Feess-Dörr: Mikroökonomie, 3. Auflage. Metropolis-Verlag, Marburg 1995, S. 114.
  13. Eberhard Feess-Dörr: Mikroökonomie. 3. Auflage. Metropolis-Verlag, Marburg 1995, S. 488.
  14. Dirk Diedrichs, Marco Ehmer, Nikolaus Rollwage: Mikroökonomik. 3. Auflage. WRW-Verlag, Köln 1999, S. 30.
  15. Robert S. Pindyck, Daniel L. Rubinfeld: Mikroökonomie. 6. Auflage. Pearson Studium, München 2005, S. 280.
  16. Robert S. Pindyck, Daniel L. Rubinfeld: Mikroökonomie. 6. Auflage. Pearson Studium, München 2005, S. 280-282.

Literatur

  • Robert S Pindyck, Daniel L Rubinfeld: Mikroökonomie. 6. Auflage. Pearson Studium, München/Boston 2005, ISBN 978-3-8273-7164-5.
  • Eberhard Feess-Dörr: Mikroökonomie. 3. Auflage. Metropolis-Verlag, Marburg 1995, ISBN 3-926570-23-7.
  • Anton Frantzke: Grundlagen der Volkswirtschaftslehre. 2. Auflage. Schäffer-Poeschel, Stuttgart 2004, ISBN 978-3-7910-2066-2.
  • Harald Wiese: Mikroökonomie. Springer, Berlin 2005. ISBN 3-540-24203-1.
  • Renate Ohr: Die Linder-Hypothese. In: Wirtschaftswissenschaftliches Studium. München 14. Jg. 1985, H. 12 (Dez.). ISSN 0340-1650.
  • Marion Steven: Produktionstheorie. Gabler, Wiesbaden 1998. ISBN 978-3-409-12930-5.
  • Paul Krugman, Maurice Obstfeld: Internationale Wirtschaft. Pearson Studium, München 2004. ISBN 3-827-37081-7.

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