- Faustregeln (Luftfahrt)
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Piloten arbeiten bei ihren Flügen oft mit Merksprüchen, um sich Arbeitsabläufe einzuprägen und mit Faustregeln, die zu rechnerischen Näherungslösungen mit ausreichender Genauigkeit führen. Wegen der hohen Arbeitsbelastung im Einmanncockpit hat der Pilot oft keine geistigen Kapazitäten frei, um sich auf eine genaue Rechnung zu konzentrieren.
Im Sichtflug verlangt die Luftraumbeobachtung seine volle Aufmerksamkeit. Turbulenzen stellen ein zusätzliches Hindernis dar, um in Ruhe mit Papier, Stift und Taschenrechner eine Berechnung durchzuführen. Diese idealen Arbeitsbedingungen hatte nur der Flugingenieur in älteren Verkehrsflugzeugen. Viele Berechnungen sind zeitkritisch, ihre Genauigkeit ist dagegen meist nicht so wichtig.
Von Piloten wird erwartet, dass sie eine Menge wissen. Deshalb benutzen sie alle möglichen Hilfen, um sich Arbeitsabläufe einzuprägen, Situationen zu analysieren und Berechnungen anzustellen. Aus diesem Grund gibt es viele Merksprüche in der Luftfahrt. Um bei Fluggeschwindigkeiten bis knapp unter die Schallgrenze weit genug vorausplanen zu können, benutzen Piloten die verschiedensten Faustformeln für ihre Berechnungen (ausschließlich Kopfrechnen).
Diese Annäherungen an die exakten Werte dienen meist der Flugdurchführung und Leistungseinstellung. Sie sind ein kurzer Weg zu Informationen, die sonst wesentlich mehr Konzentration erfordern würden und die allgemeine Aufmerksamkeit von der Beobachtung der Gesamtsituation ablenken würden.
Bei den Überschlagsrechnungen handelt es sich oft nur um recht genaue Schätzungen. Wenn die Überschlagsrechnung für die Flugzeugleistung oder die Flugdurchführung ergibt, dass der Sicherheitsspielraum eng wird, wird auch der Pilot genaue Berechnungen anstellen und Tabellen und Diagramme zur Berechnung benutzen.
Auch bei der Flugplanung werden „Arbeitserleichterungen“ eingeführt. Viele Fluglinien haben eigene Betriebshandbücher, die von der staatlichen Luftfahrtbehörde zugelassen werden müssen. In diesen sind nur die wenigen Flugzeugtypen aufgeführt, die bei der Gesellschaft geflogen werden und die wenigen Flughäfen, die angeflogen werden. Der Pilot muss dann für Start und Landung keine langwierigen Berechnungen mehr durchführen (Gewichte, Bahnlänge - siehe: Weight and Balance), sondern nur noch nachsehen, ob laut Betriebshandbuch alle Werte im „grünen Bereich“ liegen. Bei gegebener Temperatur und Flugzeuggewicht, braucht er nur nachschauen, und erfährt, dass er dann bei Regen nur auf einer bestimmten Landebahn landen darf. Praktisch hat der Pilot nie eine Berechnung gesehen. Diese Berechnung wurde nur einmal bei der Erstellung des Betriebshandbuches durchgeführt.
Beispiele sind TOLD-Cards (Take-Off and Landing Cards), auf denen die verschiedenen Start- und Landegeschwindigkeiten stehen. Der Pilot hat einen ganzen Satz Karten und muss nur jeweils die TOLD-Karte zu seinem aktuellen Flugzeuggewicht verwenden.
Inhaltsverzeichnis
Beispiel: Kartenmaßstab
Der Abstand zwischen der Daumenspitze und dem ersten Daumengelenk entspricht auf US-Luftfahrtkarten ca. 10 NM.
Beispiel: cross wind (Seitenwindkomponente)
Wenn die Windrichtung von der Startbahn-Richtung mehr als 15° abweicht, dann ist die Seitenwindkomponente 25 % (also 1/4) der Windgeschwindigkeit. Bei 30° sind es 50 %, bei 45° sind es 75 % und bei 60° sind es 100 % der gemeldeten Windgeschwindigkeit. Mit dieser Faustformel wird die Seitenwindkomponente etwas höher angegeben, als sie rechnerisch ist, aber damit ist der Pilot auf der sicheren Seite.
Beispiel: Sinkflug
Ein wichtiges Problem des Piloten ist es, den richtigen Zeitpunkt für den Beginn des Sinkfluges zu berechnen. Man versucht einerseits möglichst lange auf der Reiseflughöhe zu bleiben, um Treibstoff zu sparen und andererseits den Sinkflug nicht extrem steil durchzuführen (begrenzte Sinkgeschwindigkeit für das bestimmte Flugzeugmuster). Angestrebt wird ein 3°-Sinkflug, was 318 Fuß sinken je 1 NM bedeutet. Diese Zahl ist aber nicht sehr tauglich für Kopfrechenaufgaben.
- Sinkrate für einen 3°-Sinkflug (ILS): GS x 5 = Sinkrate FPM. Z. B. 110 x 5 = 550 FPM Sinkrate für den 3°-ILS-Anflug.
- Sinkrate für einen 3°-Sinkflug (ILS): bei hoher Arbeitsbelastung rechnet man lieber: mal 10 durch 2 (statt mal 5), zur Vereinfachung wird die IAS (Indicated Airspeed), statt die GS (Ground Speed) genommen. IAS nehmen, eine Null hinten anhängen, durch 2 teilen. Z. B. IAS 150 kt, 1500 : 2 = 750 FPM Sinkrate für den Anflug; Z. B. IAS 120 kt, 1200 : 2 = 600 FPM Sinkrate.
- DME-Entfernung (in NM) für den Beginn des Sinkfluges berechnen (Distance to Descent) - bei einer Sinkrate von 1.000 FPM und einer Geschwindigkeit von 200 KIAS: von der Höhe, um die gesunken werden soll, die letzten drei Nullen wegstreichen), mal 3, plus 10. Z. B: von FL 230 auf 4.000 ft sinken (Höhe des Initial Approach Fix - IAF), also 19.000 ft sinken. 19 x 3 = 57 NM; 57 + 10 = 67 NM vor dem IAP mit dem Sinken beginnen. Diese Rechnung sehr grob (der Wechsel auf QNH am Transition Level - TL - wurde auch nicht berücksichtigt), aber mit einem kleinen Sicherheitspolster ausgestattet.
- (Gegenprobe: IAS 200 kt, also 3,33 NM je Min., für 67 NM brauchen wir 20 Min., in 20 Min. sinken wir bei 1.000 FPM insgesamt 20.000 ft, da wie aber nur 19.000 ft sinken wollten, haben wir noch eine kleine Zeitreserve von 1 Minute)
- Distance to Descent: Flughöhe, um die gesunken werden soll (ohne die letzten drei Nullen) x 3. Z. B. von 12.000 ft auf 2.000 ft sinken, also um 10.000 ft sinken. Die letzten drei Nullen wegstreichen - 10. Und jetzt rechnen: 10 x 3 = 30. Also 30 NM vorher mit dem Sinkflug beginnen. Die Sinkrate muss dabei die halbe Geschwindigkeit x 10 betragen. Z. B. 155 KIAS, die Hälfte ist ca. 75. Weiter rechnen: 75 x 10 = 750 FPM Sinkrate erforderlich.
Die wichtigste Faustregel in der Luftfahrt
Auf alle Werte sollte noch ein Sicherheitszuschlag von 20 % draufgeschlagen werden, denn das Flughandbuch wurde nach der Erprobung durch erfahrene Testpiloten mit einem nagelneuen Flugzeug erstellt.
Siehe auch
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