Flächenfallschirm

Flächenfallschirm
Slider-Patent zur Reduzierung des Öffnungsstoßes am Flächenfallschirm
Ein Fallschirmspringer bei der Landung mit einem Flächenfallschirm.

Ein Flächenfallschirm, auch Gleitfallschirm, ist ein Gleitsegel, eine luftgefüllte, aus mehreren Kammern bestehende, textile Tragfläche, die auf eine Verwendung als Fallschirm ausgelegt und mit der Nutzlast oder dem Fallschirmspringer durch ein System aus Leinen und Gurten verbunden ist. Die Formgebung der Tragfläche ist auch für die Bezeichnungen "Flächenfallschirm" oder "Matratze" verantwortlich.

Inhaltsverzeichnis

Eigenschaften

Flächenfallschirme weisen im Vergleich zu anderen Fallschirmsystemen eine wesentlich bessere Gleitfähigkeit und Steuerbarkeit auf. Es können mit ihnen daher sehr sanfte Präzisionslandungen durchgeführt werden. Gleitfallschirme unterscheiden sich von Gleitschirmen dadurch, dass sie in der Luft, nach einer Freifallphase, geöffnet werden können. Sie sind also einerseits stabiler ausgelegt und weisen andererseits ein Reffsystem für die Vermeidung der schlagartigen Kappenentfaltung auf (Slider, Spider, schrittweise Entfaltung in Spannweitenrichtung). Sie erreichen im Allgemeinen aber nicht die Leistungsfähigkeit (Gleitzahl) der Gleitschirme.

Gleitfallschirme fliegen durch die räumliche Trennung von Schwerpunkt (in der Nähe der Nutzlast) und Auftriebszentrum (in der textilen Tragfläche) sehr eigenstabil. Richtungsänderungen werden über Steuerleinen, die links und rechts an der Gleitfallschirmhinterkante befestigt sind, eingeleitet. Mit ihnen verformt man den Gleitfallschirm asymmetrisch.

Größe und Belastung

Die Größe von Flächenfallschirmen wird traditionell in sqft gemessen. Tandemschirme haben etwa 330 bis 400 sqft, Schülerschirme 200 bis 300 sqft, Profis fliegen mit Schirmen bis unter 84 sqft. Die Fallschirmbelastung (Wing-Load) liegt bei Schülern zwischen 0,8 und 1,1 lbs/sqft. Üblich ist eine Wingload von bis zu 2,8 lbs/sqft.

Anwendungen

In jüngerer Zeit werden auf Gleitfallschirmen basierende selbststeuernde Systeme entwickelt, die mittels der Satellitennavigation (GPS) ein vorher festgelegtes Ziel ansteuern und ihre Nutzlast dort abliefern. Diese Anwendung ist für die preiswerte und präzise Rückführung von Weltraumlasten sowie die Lieferung humanitärer Güter interessant.

Arbeitsgruppe ADS

Die wissenschaftlich wichtigste Anlaufstelle für alle Fragen zu Fallschirmen und Gleitfallschirmen ist die Arbeitsgruppe ADS (Aerodynamic Decelerator Systems) des AIAA (American Institute of Aeronautics and Astronautics). Die alle zwei Jahre stattfindenden Konferenzen und die zugehörigen Berichte geben die jeweils aktuellen Forschungsergebnisse und Projekte wieder.

Entwicklungsgeschichte

Fallschirme waren lange Zeit meist entweder nicht oder nur schlecht steuerbare Rundkappen mit relativ hoher Sinkgeschwindigkeit. Heute sind Rundkappenfallschirme im Prinzip nur noch dort gebräuchlich, wo Steuerbarkeit weitgehend nutzlos oder gar unerwünscht ist. Dies trifft (mit Ausnahmen) hauptsächlich auf Lasten- und Rettungsfallschirme zu. Bei den meisten anderen Anwendungen und speziell im Fallschirmsport sind heute Schirme üblich, deren Entwicklung in den 50er und 60er Jahren begann.

Anfangs der 1960er Jahre wurde in Zusammenhang mit den ehrgeizigen Raumfahrtplänen der USA und der damaligen UdSSR auch die Entwicklung von Fallschirmen vorangetrieben, um die Landekapseln von Raumschiffen nach Missionsende gegebenenfalls besser zur Erde zurückbringen zu können (siehe auch Gleitsegel).

Nach der Weiterentwicklung u. a. der bereits in den 1950ern verfolgten "Rogallo-" und "Mehrzeller-Konzepte", wurde dabei 1962 mit dem Para Commander US eine steuerbare Hochleistungsrundkappe zum Patent angemeldet.

Am 1. Januar 1963 folgte Domina Jalbert mit dem Patent eines speziellen mehrzelligen Fallschirms.

Im März 1963 veröffentlichte Jalbert seine Erkenntnis, dass man sich zur effektiven Leistungssteigerung wohl grundsätzlich von der parabolischen Form der Fallschirme verabschieden müsste und stattdessen luftgefüllte Zellen in Tragflächenform verwenden sollte.

Zeichnungen des am 1. Oktober 1964 von Jalbert angemeldeten Patents seines "Multi-Cell Wing"

Am 1. Oktober 1964 erfolgte durch Jalbert die Anmeldung eines entsprechenden kasten- oder matratzenförmigen mehrzelligen Fallschirmkonzeptes (Parafoil), mit dem er im Prinzip Rogallos frühere Ideen (siehe auch Gleitsegel) aufgriff. Noch im selben Jahr flog eine erste motorisierte Version von Nicolaides (siehe auch Motorschirm).

Da die NASA doppelflächigen Fallschirmsystemen damals skeptisch gegenüberstand, wurde von Dave Barish ein rechteckiger Einzelflächen-Schirm (siehe auch Sailwing) entwickelt und ebenfalls 1964 patentiert. Dessen Weiterentwicklung von 1965, der Sailwing, kann als erster Gleitschirm der Geschichte gelten.

Nachdem Steve Snyder Öffnungsverzögerungen (Slider) für den Parafoil von Jalbert entwickelt hatte, konnte Paul Poppenhager wohl den ersten Fallschirmabsprung mit einem Parafoil ausführen. 1967 erfolgten Sprünge damit, aber offenbar noch mit "offenem Schirm" oder mit sofortiger Öffnung und erst Fortentwicklungen der Öffnungsverzögerung durch Snyder ermöglichten endgültig freifalltaugliche Schirme. Ebenfalls 1967 wurde durch Walter Neumark wohl auch der erste Fußstart mit einem Parafoil ausgeführt (siehe auch Gleitsegeln und Bergfliegen).

Bereits 1968 stiegen die Golden Knights, eine bekannte amerikanische Fallschirmspringer-Truppe, vom Parawing des Rogallo-Typs auf einen Parafoil-Fallschirm um.

Im Laufe der folgenden zehn Jahre setzten sich die neuen Matratzen-Fallschirme dann weltweit durch und hatten ca. 1980 die früheren Rundkappensysteme im Fallschirmsport weitgehend ersetzt. Die Matratzenschirme - und nicht etwa der frühere, technisch abweichende erste Gleitschirm Barishs von 1965 - stellten nun zugleich die Basis für die Entwicklung des neuen Gleitschirmsports dar.



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