Franz Graf Harrach

Franz Graf Harrach

Franz (František) Maria Alfred Graf von Harrach (* 26. Juli 1870 in Traunkirchen am Traunsee, Oberösterreich; † 14. Mai 1937 in Iglau) war ein böhmischer Adeliger und k. u. k. Kämmerer. Berühmt wurde Harrach als Begleiter des Erzherzogs Franz Ferdinand von Österreich-Este während seiner Bosnienreise 1914 und vor allem als Augenzeuge des Attentats von Sarajevo.

Harrachs Gräf & Stift

Inhaltsverzeichnis

Jugend

Harrach war der Sohn von Alfred Karl Graf Harrach und Anna von Lobkowicz und Erbe des Schlosses Velké Meziříčí in den Böhmisch-Mährischen Höhen. Während des k. u. k. Kaisermanövers im September 1909 war dort das Hauptquartier der Manöverleitung untergebracht. An dem Manöver nahmen neben Franz Josef I. auch der deutsche Kaiser Wilhelm II. und der österreichisch-ungarische Thronfolger Franz Ferdinand von Österreich-Este teil, die im Schloss Logis bezogen. Hierbei entwickelte sich eine freundschaftliche Beziehung zwischen Franz Ferdinand und Harrach. So kam es, dass Harrach den Thronfolger als dessen Adjutant im Juni 1914 zu k. u. k. Militärmanövern nach Bosnien begleitete.

Das Attentat von Sarajewo

Hauptartikel: Attentat von Sarajevo

Am Sonntag, dem 28. Juni 1914, stellte Harrach, ein Mitglied des Freiwilligen Automobilkorps, Franz Ferdinand seinen sechssitzigen Doppel-Phaeton der Marke Gräf & Stift (mit dem Wiener Kennzeichen A-III-118) für die Fahrt durch Sarajevo zur Verfügung. Die geplante Fahrtstrecke führte vom so genannten „Defensionslager“ am Rande der Stadt zum Rathaus, und von dort zum Konak, dem Sitz des Gouverneurs.

Auf einer Photographie, die in der Österreichischen Nationalbibliothek aufbewahrt wird, und in Dedijers Monographie Sarajevo 1914 (Belgrad, 1. Ausgabe 1968) auf S. 1004-1005 abgedruckt ist, kann man die vollständige Besatzung des Harrachschen Wagens vor der Abfahrt zum Rathaus sehen: Franz Ferdinand und seine Gemahlin nahmen auf den Sitzen im Fond des Wagens Platz, vor ihnen, auf einem Klappsitz, der Gouverneur Oskar Potiorek und Harrach. Vorne saßen der Chauffeur Leopold Lojka und Hofkammerbüchsenspanner Gustav Schneiberg, der eine Galauniform trug.

Auf der Hinfahrt zum Rathaus entlang des Appelkais, der Uferstraße des Miljacka-Flusses, verübte der serbische Anarchist Nedeljko Cabrinovic um 10:26 mit einer Wurfbombe einen Anschlag auf das fürstliche Paar. Die Bombe verfehlte jedoch ihr Ziel - wohl aufgrund der geistesgegenwärtigen Reaktion des Chauffeurs Lojka, der, als er die Bombe durch die Luft auf sich zufliegen sah, den Wagen beschleunigte; ebenso aufgrund einer Reflexreaktion Franz Ferdinands, der die Bombe mit dem linken Arm abgelenkt habe, so dass sie zunächst auf das heruntergezogene Verdeck des Wagens fiel und dann auf die Straße rollte. Sie explodierte schließlich unter dem nachfolgenden Fahrzeug, wobei zwei Wageninsassen, Oberleutnant Erich von Merizzi und Graf Alexander Boos-Waldeck, verletzt wurden, und das Vehikel durch die Explosion unbrauchbar gemacht wurde. Der Erzherzog ließ seinen Wagen anhalten und Harrach nach den Verletzten sehen. Nachdem dieser ihm Meldung erstattet hatte, wurde der von einen Bombensplitter am Kopf verletzte und blutende Merizzi in das Sarajevoer Garnisonsspital gebracht. Wie die Neue Freie Presse am 29. Juni 1914 berichtete, soll Franz Ferdinand Cabrinovics Anschlag mit den folgenden Worten kommentiert haben: „Das war irgendein Irrer. Meine Herrschaften, fahren wir mit dem Programm fort.“

Man setzte die Fahrt zum Rathaus fort, wobei Harrach sich laut eigener Aussage auf das Trittbrett auf der linken Seite des Wagens gestellt haben soll, um Franz Ferdinand „mit seinem Leibe zu decken“. Der österreichische Historiker und Sarajewo-Forscher Friedrich Würthle fand hingegen später heraus, dass dies in Wahrheit der Kammerbüchsenspanner Gustav Schneiberg gewesen ist. Später ist Schneiberg in Anerkennung dieses Verdienstes ausnahmsweise (weil nicht seinem Rang entsprechend) mit einem silbernen Verdienstkreuz mit Krone und einem Geldgeschenk dekoriert worden, worüber eine Aufzeichnung im HHStA Oberststallmeisteramt (Zl. 928/1914) existiert, die seinen lebensgefährlichen Einsatz besonders hervorhebt. Würthle wurde von Gustav Schneiberg, dem Sohn des genannten Beamten, auf diesen Umstand hingewiesen (Würthle, Dokumente, S. 28).

Nach einem kurzen Aufenthalt im Rathaus von Sarajewo bestiegen Franz Ferdinand, seine Gemahlin Sophie, Potiorek, Lojka, Harrach und Schneiberg erneut den Wagen, um vom Rathaus entlang des Appelkais ins Garnisonskrankenhaus von Sarajewo zu fahren. Dabei stellte sich Schneiberg erneut auf das linke, der Uferpromenade zugewandte Trittbrett des Wagens, um mit seinem Körper ein Schutzschild für den Erzherzog zu bilden. Diese Sicherheitsmaßnahme verhinderte jedoch nicht das Attentat wenige Minuten später an der Schillerecke, an der Kreuzung Franz-Josef-Straße und Appelkai, das von der "ungedeckten", rechten, Seite aus erfolgte.

Nach dem Attentat überlieferte Harrach der Nachwelt die - mutmaßlichen - letzten Worte Franz Ferdinands. Das Batisttaschentuch, mit dem er Franz Ferdinands Blut von den Lippen abgewischt hatte, bewahrte er auf. Es ist heute im Schloss Velké Meziříčí ausgestellt, wo Besucher „das erste im Ersten Weltkrieg vergossene Blut“ betrachten können.

Die gerichtliche Untersuchung des Attentates und der Prozess

Im sogenannten "Sarajewoer Prozess", der in den folgenden Monaten gegen die sechs eigentlichen Attentäter und ihre Helfer geführt wurde, trat Harrach als indirekter Zeuge der Anklage auf: Seine Eidesstattliche Versicherung fand Eingang in den Prozess als Belastungsbeweis.

Bemerkenswert ist jedoch, dass Harrach wie die anderen höhergestellten Personen in der Suite des Thronfolgers, vom Untersuchungsrichter Leon Pfeffer nicht verhört wurden. Pfeffer befragte nur Graf Alexander Boos-Waldeck, der bei Princips Attentat gar nicht zugegen war, sowie Lojka und zwei andere Chauffeure, Karl Divjak und Max Thiel. Auffallenderweise wurden weder die Insassen, noch die Chauffuere, der ersten beiden Wagen,[1] die ja sehr viel näher am Geschehen waren, vernommen.

Es steht nicht fest, wer die anderen Personen, die Sarajevo in der Nacht vom 28. auf den 29. Juni verließen, befragt hat. Die Aussagen von Harrach und einigen anderen Zeugen[2] erfolgten schriftlich. Zudem ist es, vom formal-juristischen Standpunkt gesehen, unverständlich, dass in ihren Vernehmungsprotokollen kein Vernehmungsbeamte angegeben wird.

Ebenso ist unklar, wer Potiorek einvernommen hat. Sein Einvernahmeprotokoll vom 28. Juni ist nicht gegengezeichnet. Der Historiker Würthle billigt diesem Dokument eher den Charakter eines "Diktates als (den) einer Befragung durch eine Gerichtsperson." zu.[3] Den Zweck dieser Geheimnistuerei sieht er darin, Potioreks verhängnisvolle Rolle beim so genannten „Fahrtirrtum“ zu kaschieren. Dieser hatte die Änderung der Fahrtroute nicht an den Chauffeur Leopold Lojka weitergegeben, weswegen es zur Verwirrung beim Schillereck kam.[4]

Für Harrachs Aussageprotokolle, siehe Fußnote.[5]

Nachwirken

Im Harrachschen Familienschloss Velké Meziříčí ist heute ein regionales Museum untergebracht, das in anderer Form seit 1893 in der gleichnamigen schlossnahen Ortschaft Meziříčí existierte, wo es im Rathaus untergebracht war. Die historischen, ethnografischen und naturwissenschaftlichen Sammlungen des Museums wurden nach 1948 um das schlosseigene Mobiliar erweitert, als das Museum ins Schloss übersiedelte. In Wien wurde jahrelang vor Gericht um die Besitzansprüche an Harrachs berühmten Automobil gestritten. Schließlich mussten es seine Nachkommen dem Heeresgeschichtlichen Museum überlassen, wo es besichtigt werden kann.

Ehen und Nachkommen

Harrach war dreimal verheiratet: In erster Ehe (geschlossen in Wien am 29. Mai 1895) mit Gabriele Gräfin von Khevenhüller-Metsch (* 15. November 1874 in Fronsburg [Niederösterreich]; † 12. September 1896 in Baden bei Wien), in zweiter Ehe (geschlossen am 30. Juni 1902 in Wien) mit Sarah Prinzessin zu Hohenlohe-Waldenburg-Schillingfürst (* 4. Dezember 1880 in Ságh; † 10. Juni 1908 in Groß Meseritsch), in dritter Ehe (geschlossen in Seefeld am 1. Februar 1910) mit Alice Gräfin zu Hardegg auf Glatz und Machlande (* 10. Juli 1879 in Groß-Harraß; † 10. Februar 1962 in Aschach).

Harrach in der medialen Rezeption des Attentats

In Fritz Kortners Film „Sarajewo. Um Thron und Liebe“ (1955) wird Graf Harrach von Hans Unterkircher gespielt. Graf Harrach ist darüber hinaus auf einigen Fotos vom Tag des Attentats, sowie auf einigen Holzschnitten des Künstlers Hans Fronius von 1987 über die Ereignisse des Attentats zu sehen.

Anmerkungen

  1. Polizeibeamte Maksimović, Bürgermeister Ćurčić und Regierungskommissär Dr. Gerde.
  2. So Oberleutnant Robert Grein, Andreas Freiherr von Morsey, Karl Freiherr von Rumerskirch, Frau Vilma Lanjus, Oberst Dr. Karl Bardolff, Josef Graf zu Erbach-Fürstenau, Major Paul Höger, Oberleutnant Adolf Egger und Major Erich Ritter von Hüttenbrenner.
  3. Würthle: Dokumente, S. 45.
  4. Ders. Ibid.
  5. Protokoll 1 (aus Pharos/Kohler: Der Prozeß gegen die Attentäter von Sarajewo, Berlin 1918, S. 158-159): "Das mit dem G r a f e n H a r r a c h aufgenommene Protokoll (Das Protokoll ist in deutscher Sprache verfaßt, und Gerichtsrat Naumowicz übersetzt es ins Kroatische. Er sagt, er wolle es nur nach seinem hauptsächlichen Inhalt übersetzen, da es der Hauptsache nach mit dem Sr. Exzellenz des Landeschefs Potiorek übereinstimme. Er beginnt die Übersetzung, dann nimmt der Senatspräsident v. Curinaldi das Schriftstück und übersetzt.) Graf Harrach führt ausdrücklich an, er habe beim ersten Attentat, bevor die Bombe fiel, deutlich einen Schuß gehört. Ferner sagt er, er habe vor dem zweiten Attentat bei der Fahrt vom Rathaus auf dem Trittbrett des Automobils auf der Quaiseite gestanden, um das hochselige Erlauchte Paar mit seinem Leibe zu decken, falls etwa eine Kugel von der Uferseite abgeschossen würde. (Während der Verlesung dieses Protokolls herrscht im ganzen Saale gespannte Aufmerksamkeit. Die Angeklagten lassen mit Ausnahme von Princip den Kopf hängen; Čabrinović zupft nervös an seinem Barte.) Als wir zu der Franz-Josef-Straße führenden Straßenbiegung kamen, fielen Schüsse, aber von der entgegengesetzten Seite, wo ich nicht stand. Kurze Zeit darauf fiel ihm (dem Erzherzog) die Herzogin auf den Schoß, und er neigte sich zu ihr. Ich stand dicht bei ihnen und hörte, wie er ihr sagte (der Präsident liest mit zitternder Stimme und mit Tränen in den Augen): "Sopherl, Sopherl, sterbe nicht, bleibe am Leben für unsere Kinder!" (Im Saale herrscht große Ergriffenheit. Der Präsident kann nicht mehr weiterlesen. Er wirft dem Gerichtsrat Naumowicz den Akt zu, der ihn auffängt, aber sich im Augenblicke nicht zurechtfinden kann. Einige Augenblicke herrscht im Saale Grabesstille, bis man sich beruhigt. Auch auf die Angeklagten wirkte dieses Schauspiel sehr erschütternd, ja, sogar Princip senkte das Haupt und schloß die Augen.) Ich wandte mich sogleich zu Sr. k. u. k. Hoheit und frug ihn, ob ihn etwas schmerze, und er antwortete mir schwacher Stimme: "Es ist nichts! Es ist nichts!" Dann fiel er in Ohnmacht. Präsident: Ich unterbreche die Sitzung auf 5 Minuten. Während der Pause tritt der Verteidiger Dr. Feldbauer zu Princip und fragt ihn, ob dieses erschütternde Schauspiel im Saale während der Verlesung des mit dem Grafen Harrach aufgenommenen Protokolls auf ihn keinen Eindruck gemacht habe. Princip antwortet mit einer heftigen Handbewegung: "Glauben Sie, ich sei ein Tier und habe keine Gefühle?"" Protokoll 2 (aus Albert Mousset: L'attentat de Sarajevo. Documents inédits et texte intégral des sténogrammes du procès, Paris 1930, S. 443-444: P. — Voici maintenant le N° 16: déposition de Son Excellence le comte Harrach. (L'asseseur Naumović la lit en allemand, puis la tradui en croate, mais au bout de quelques instants il remet le document au président qui en poursuit la lecture.) Le témoin fait au début une déposition identique à celle du gouverneur général: il rapelle à quelle allure marchait l'automobile et comment la bombe fut lancée contre l'épouse de l'héritier du trône; avec cette différence qu'il déclare positivement avoir entendu auparavant, sans erreur possible, tirer un coup de feu et passer une balle entre leurs têtes. "Quand nous arrivâmes à l'angle de la rue François-Joseph, des coups de feu retentirent. Je n'étais plus assis, mais debout, pour protéger de mon corps Leurs Altesses impériales du côté du quai, afin q'on ne pût pas le viser. Mais cette fois, les coups de feu partirent de l'autre côté et, peu après, la duchesse s'affaissa sur les genoux de l'archiduc qui se pencha vers elle. J'étais tout près d'eux et je l'ai entendu dire: "Sophie, Sophie, ne meurs pas; reste en vie pour nos enfants." (Vive émotion dans la salle. Le président rend la pièce à l'assesseur Naumovic. Un silence prolongé.) Je me tournai aussitôt vers S. A. impériale et royale et lui demandait s'il avait du mal; il me répondit d'une voix faible mais en se tenant droit: "Ce n'est rien." Il répéta six à sept fois de suite, d'une voix toujours plus faible: "Ce n'est rien." Puis il s'évanouit. Quand on arriva au Konak, il expira, et elle ne lui survécut que quelques minutes." P. — J'interromps l'audience pour cinq minutes. Protokoll 3 (aus W. A. Dolph Owings: The Sarajevo Trial, Chapel Hill 1984, S. 326-327): Pr.: — No. 16: the statement of his Excellence Count Harrach (Naumowicz reads it in German and translates it into Croatian). At the beginning this witness makes statements very similar to those of the Provincial Governor, how they were driving and the bomb was thrown at the Heir and his wife, only with the difference that he explicitely says that he knew for sure that a gunshot was fired too and that he directly heard how the bullet whizzed past their heads. When they came to the corner where the second attempt was carried out, he was not sitting, but standing so that he could protect them with his body so that they could not be hit from the direction of the quay. But this time the shots came from the other side and shortly thereafter the Archduchess fell on the Archduke's knees. He said to her: "Sophie, don't die, stay alive for our children!" At that he says that he asked the Heir: "Whether something was hurting him," and he replied, holding his right side: "That's nothing!" and then he repeated six or seven times with a gradually weakening voice: "It's nothing!" When they reached the Konak he died, and a few minutes later she died too. The hearing is recessed for five minutes.

Literatur

  • Vladimir Dedijer: Sarajevo 1914. Prosveta, Belgrad 1966.
  • Friedrich Würthle: Die Spur führt nach Belgrad. Molden, Wien 1975, ISBN 3-217-00539-2.
  • Friedrich Würthle: Dokumente zum Sarajevoprozess. Österreichischen Staatsarchivs, Wien 1978 (Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs, Ergänzungsband 9).
  • W. A. Dolph Owings (Vojislav Bogićević): The Sarajevo Trial. Documentary Publications, Chapel Hill 1984, ISBN 0-89712-122-8.
  • Albert Mousset: L'attentat de Sarajevo. Payot, Paris 1930.

Weblinks


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