Franz Ronneberger

Franz Ronneberger

Franz Ronneberger (* 15. März 1913 in Auma; † 30. März 1999 in Nürnberg) war ein deutscher Nationalsozialist, Politik- und Kommunikationswissenschaftler.

Inhaltsverzeichnis

Biografie

Franz Ronneberger studierte Rechts- und Staatswissenschaften an den Universitäten Kiel und München. 1935 Erste juristische Staatsprüfung. Am 1. Mai 1937 offizieller NSDAP-Eintritt (Migliedsnr. 5152299). [1]. Von 1935 bis 1939 wissenschaftlicher Assistent am Südost-Institut München. 1938 Promotion mit dem Thema "Bismarck und Südosteuropa". 1942 Zweite juristische Staatsprüfung. 1939-1944 Leiter einer dem Auswärtigen Amt des Kriegsverbrechers Ribbentrop zugeordneten Informations- und Forschungsstelle in Wien, der sogenannten "Dienststelle Dr. Ronneberger", die er als Mitarbeiter des SS-Sicherheitsdienstes (SD) und "junger nationalsozialistischer Multifunktionär" (Lutz Hachmeister 2008: 14) aufgebaut hatte. Zudem publizierte Ronneberger, ein typischer Vertreter der von Michael Wildt analysierten "Generation des Unbedingten", in der Wiener Ausgabe des Völkischen Beobachters und anderen Blättern "harte antisemitische Prosa" (Hachmeister, ebd.). 1944 Habilitation an der Hochschule für Welthandel Wien mit der Schrift "Wege staatswissenschaftlicher Forschung in Südosteuropa". Dozent für Staatswissenschaften bis zur Dienstenthebung 1945. Nach der Kriegsgefangenschaft von 1948-1958 Leiter des Ressorts Dokumentation, Wissenschaftsredakteur, Kommentator und Ausbilder der Volontäre für die Westdeutsche Allgemeine Zeitung in Essen. Gleichzeitig seit 1952 Dozent an der Verwaltungs- und Wirtschaftsakademie Bochum. 1958-1960 Referent für Hochschulfragen und akademische Nachwuchsförderung im Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft Essen. 1960 erneute Habilitation, diesmal durch die Universität Münster, dort Lehrbefugnis für Verfassungs- und Verwaltungslehre. 1960-1964 Professor für Soziologie und Sozialpädagogik an der Pädagogischen Hochschule Bielefeld. Ab 1964 bis zur Emeritierung 1980 Professor und Inhaber eines neu eingerichteten Lehrstuhls für Politik- und Kommunikationswissenschaft an der Universität Erlangen-Nürnberg.

Werk

Franz Ronneberger entwarf im deutschsprachigen Raum anfang der 1960er Jahre, wie auch Elisabeth Noelle oder die "Münsteraner Schule" der "funktionalen Publizistik", erste Skizzen einer empirischen Theorie der Kommunikationswissenschaft. Sein Ansatz basiert auf organisierten Handlungen und Kommunikationen der Menschen. Davon ausgehend, verpflichtete Ronneberger die Kommunikationswissenschaft, primär Massenkommunikation bzw. öffentliche Kommunikation (Publizistik) als gesellschaftliche Realitäten zu beschreiben, zu erklären und beratend zu gestalten. Anders als die methodisch normativ vorschreibende Publizistik- und Zeitungswissenschaft strebte er empirisch-analytische Verfahren an, unter Bezugnahme auf Organisationsformen, in Interrelation zu Gesellschaftsverhältnissen. Erkenntnistheoretisch operiert er in Bereichen, die nach heutigem Sprachgebrauch strukturell-funktionale Systemtheorie bzw. Kybernetik erster Ordnung genannt werden. Vor einem weitgezogenen sozialwissenschaftlichen Verständnishorizont aus bearbeitete er empirische Theorien der Kommunikationspolitik, der Massenkommunikation, der Public Relations, der Presse und des Rundfunks, der politischen Parteien, Verbände, Behörden und der landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften im ehemaligen Jugoslawien. Südosteuropa war schon seit seiner Tätigkeit für Ribbentrop sein Schwerpunkt gewesen. Zudem widmete sich Ronneberger der Systematisierung von Medien- bzw. Kommunikationspolitik.

Franz Ronneberger war als Gutachter und Berater, Organisator in Wissenschaftsgesellschaften und Herausgeber wissenschaftlicher Zeitschriften und Schriftenreihen, auch als Lobbyist für die Wissenschaft tätig.

Kadertätigkeiten

  • Gründungsmitglied des Sozialwissenschaftlichen Forschungszentrums Univ. Erlangen-Nürnberg
  • Mitglied des Direktoriums des Instituts für Freie Berufe, Nürnberg
  • Mitglied des Sonderforschungsbereichs 22 "Sozialisations- und Kommunikationsforschung" Uni Erlangen-Nürnberg
  • Mitglied der Südosteuropa-Gesellschaft München
  • Mitglied der Dt. Gesellschaft für Osteuropakunde
  • Mitglied der Studiengesellschaft für mittel- und osteuropäische Partnerschaft Bonn
  • Mitglied der Dt. Vereinigung für politischen Wissenschaft
  • Mitglied der Reformkommission des Dt. Beamtenbundes
  • Mitglied und erster Vorsitzender der Dt. Gesellschaft für Publizistik und Kommunikationswissenschaft
  • Gründungs- und Vorstandsmitglied der Arbeitsgemeinschaft für Kommunikationsforschung München
  • Mitglied der International Public Relations Association
  • Vorsitzender der Vereinigung zur Förderung der PR-Forschung
  • Mitglied des ZDF Fernsehrates
  • Mitglied der Freiwilligen Selbstkontrolle Illustrierter Zeitschriften
  • Vorsitzender der Gesellschaft für Humanwissenschaften
  • Mitglied des Kulturbeirats der Stadt Nürnberg u.v.m.

Ronneberger operierte im Grenzbereich zwischen den gelehrten Stilisten sozialwissenschaftlicher Ein-Mann-Betriebe und den im Teamwork das Feld erforschenden Spezialisten der heutigen Zeit. Ronnebergers Generation, die im Nationalsozialismus ausgebildet worden war und den Zweiten Weltkrieg überlebte, modernisierte das Wissenschaftsverständnis und die Arbeitsweisen der Sozialwissenschaften und konturierte neue Disziplinen wie die empirische und systematische Kommunikationswissenschaft. Erst nach Ronnebergers Tod beschäftigten sich Fach- und Wissenschaftshistoriker ausführlicher mit seinem Engagement in der NS-Zeit bzw. der Kontinuität und Transformation seines Weltbildes (vgl. Heinelt 2003, Klingemann 2006). Ronneberger hegte nach eigenen Angaben eine Abneigung gegen "globale und politisch-radikale Auffassungen", da seine eigene Generation "wahrhaftig durch schwere Irrtümer und Versuchungen hindurchgehen musste".

So ist Ronnebergers Werk nicht frei von kognitiven Widersprüchen, gab aber Anreiz für wissenschaftliche Diskussionen und Systematisierungen, die von seinen Schüler zum Teil in Kopplung mit der Systemtheorie Niklas Luhmanns modifiziert und konkretisiert wurden. Von seinen Schülern wurde er wegen der methodischen Qualität seiner Arbeit und seines interdisziplinär orientierten Wissenschaftler-Lebens geachtet, während seine Rolle in der Geschichte der modernisierten deutschen Kommunikationswissenschaft noch weitgehend unerforscht ist.

Literatur

  • Manfred Rühl: Franz Ronneberger. Anmerkungen zum 'unordentlichen' Lebensweg eines interdisziplinär orientierten Sozialwissenschaftlers. In dsb. & Heinz-Werner Stuiber Hgg.: Kommunikationspolitik in Forschung und Anwendung Festschrift für F. R. - Droste, Düsseldorf 1983 ISBN 3-7700-4038-4 S. 327-333
  • Manfred Rühl: Franz Ronneberger: Wegmeister einer interdisziplinären Kommunikationswissenschaft. Autobiographische Fragen an F. R. In Arnulf Kutsch, Horst Pöttker Hgg.: Kommunikationswissenschaft, autobiographisch. Zur Entwicklung einer Wissenschaft in Deutschland, Westdeutscher, Opladen, 1997 ISBN 3-531-12879-5 S. 21-35
  • Wolfgang Duchkowitsch, Fritz Hausjell, Bernd Semrad Hgg.: Die Spirale des Schweigens. Zum Umgang mit der nationalsozialistischen Zeitungswissenschaft. Lit, Münster 2004 ISBN 3-8258-7278-5 (darin über F. R.: Peer Heinelt, "Franz Ronneberger. Portrait eines Schreibtischtäters." S. 193 - 218 sowie Fritz Hausjell: "F. R's Wiener Jahre 1941-1945" S. 219ff.)
  • Lutz Hachmeister (Hrsg.): Grundlagen der Medienpolitik. Ein Handbuch. DVA München 2008, ISBN 978-3-421-04297-2
  • Peer Heinelt: PR-Päpste: Die kontinuierlichen Karrieren von Carl Hundhausen, Albert Oeckl und Franz Ronneberger, Karl Dietz, Berlin 2003, ISBN 3-320-02936-3 (Online siehe Weblinks; über R.s NS-Karriere)
  • Carsten Klingemann: Franz Ronneberger: Sozialwissenschaft - Publizistik - Nachrichtendienst. Zum Verhältnis von 'Intelligence' und Wissenschaft. In: Holtz-Bacha/ Kutsch/ Langenbucher/ Schönbach Hgg.: Fünfzig Jahre Publizistik. VS Verlag Wiesbaden 2006 ISBN 3-531-14467-7 S. 144-175

Weblinks

Notizen

  1. Heinelt, in Spirale, S. 196. Er vermutet Rückdatierung um 4 Wochen

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