- Fredegar-Chronik
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Fredegar (auch Fredegarius Scholasticus) ist der überlieferte, aber nicht gesicherte Name des Verfassers einer frühmittelalterlichen lateinischen Chronik. Die Fredegar-Chronik ist neben dem im frühen 8. Jahrhundert unabhängig von Fredegar verfassten Liber Historiae Francorum eine Hauptquelle für die Geschichte des Frankenreichs im 7. Jahrhundert. Sie berichtet auch über die Beziehungen des Frankenreichs zu den Ländern Mittel- und Osteuropas und überliefert als einzige schriftliche Quelle die Existenz des frühslawischen Samo-Reiches.
Die Chronik ist seit dem 19. Jahrhundert Gegenstand von Forschungsdiskussionen. Dabei stehen die Verfasserfrage und die Sprache der Chronik im Mittelpunkt des Interesses.[1]
Inhaltsverzeichnis
Zur Person
Der Name Fredegar taucht in der Überlieferung erst im 16. Jahrhundert auf. Er kann somit keineswegs als gesichert angesehen werden. Ebenso ist unklar, wie viele Personen sich hinter diesem Namen tatsächlich verbergen. Möglicherweise haben bis zu drei Schreiber an dem Werk mitgewirkt, auch wenn die neuere Forschung wieder davon ausgehen will, dass es sich nur um einen einzigen Verfasser gehandelt hat, der das Werk um 659 verfasste.[2] Allgemein wird außerdem davon ausgegangen, dass der Autor oder die Autoren aus adligen Kreisen stammten, eventuell aus der Verwaltung, da die Texte ein eindeutiges Interesse für diese Bereiche vermuten lassen. Ob er allerdings wirklich Laie war, wie Wallace-Hadrill vermutet hat, muss dahingestellt bleiben.
Meistens wird zudem vermutet, dass der Autor ursprünglich aus Burgund stammte, später aber in das fränkische Teilreich Austrasien übersiedelte. Das Werk war wohl für das austrasische Publikum bestimmt. Recht wahrscheinlich ist die Annahme, dass es speziell den Interessen der Pippiniden dienen sollte, die in dieser Zeit den Sturz des mächtigen Hausmeiers Grimoald verkraften mussten.[3]
Zur Chronik
Die Chronik des sogenannten Fredegar ist eine Weltchronik aus der ersten Hälfte des 7. Jahrhunderts. Sie endet 642 abrupt, einzelne Angaben reichen jedoch bis um 658 n. Chr. Spätere Fortsetzungen reichen bis 768. Die ersten fünf Chroniken (Buch I-III) bauen auf älteren Werken auf. Unter anderem dienten Hippolyt von Porto, Isidor von Sevilla, Hieronymus, Hydatius von Aquae Flaviae und Gregor von Tours der Chronik als Quelle.
Das Interesse des Autors galt vor allem den Herrschern, deren Schwächen er pointiert (und bisweilen wohl übertrieben) herausstellt. Den Einfluss von Frauen auf die Regierungsgeschäfte steht er meistens (aber nicht generell) feindlich gegenüber.[4] Auch der Aristokratie widmet die Chronik teils breiten Raum. In der Chronik wird erstmals die „fränkische Trojasage“ erwähnt, die angebliche Abstammung der Franken von den mythischen Trojanern (siehe auch Origo gentis). Ebenso wird aber teils Kritik an den Merowingerkönigen geübt.
Das in mangelhaftem Latein abgefasste Werk ist in 38 Handschriften überliefert, die früheste entstand wohl in Metz um 700. Die Einteilung der sechs Chroniken in vier Bücher und Kapitel erfolgte erst später. Die karolingischen Hausmeier führten im 8. Jahrhundert die Fredegar-Chronik als amtliche Chronik fort. Diese Fortsetzung wird als Continuationes bezeichnet.
Die Chronik enthält auch eine der frühesten europäischen Zeugnisse für die arabischen Eroberungen, darin heißt es überraschenderweise:
Die Hagarenen (Nachfahren der Hagar), die auch Sarazenen genannt werden, [...] — ein beschnittenes Volk, das seit alters her hinter dem Kaukasus an der Küste des Kaspischen Meeres in einem Land namens Ercolia gelebt hat — waren nun so zahlreich geworden, dass sie schließlich zu den Waffen griffen und sich über die Provinzen des Kaisers Herakleios warfen, der eine Armee aussandte, um sie aufzuhalten. Im darauffolgenden Kampf waren die Sarazenen die Sieger und schnitten die Besiegten in Teile. Es wird behauptet, dass die Sarazenen in diesem Gefecht 150.000 Männer getötet haben. Dann sandten sie eine Abordnung zu Herakleios mit dem Angebot, ihm die Ausbeute des Kampfes zu überbringen, doch er wollte nichts akzeptieren, und hegte Rachegelüste gegen die Sarazenen. (Fredegar, Chronik [p. 218], übersetzt aus dem Englischen, englischer Text)
Ausgaben und Übersetzungen
- Monumenta Germaniae Historica, Scriptores rerum Merovingicarum 2: Fredegarii et aliorum Chronica. Vitae sanctorum. Herausgegeben von Bruno Krusch. Hannover 1888, S. 1–193 (Digitalisat).
- A. Kusternig, H. Haupt: Quellen zur Geschichte des 7. und 8. Jahrhunderts. Die vier Bücher der Chroniken des sogenannten Fredegar. Buch 2, Kapitel 53 bis Buch 4, unwesentlich gekürzt. Die Fortsetzungen des sogenannten Fredegar. Das Buch von der Geschichte der Franken. Das alte Leben Lebuins. Jonas erstes Buch vom Leben Columbans. Darmstadt 1982, ISBN 3-534-01414-6
- Scholasticus Fredegarius: Chronicorum liber quartus cum continuationibus = The fourth book of the chronicle of Fredegar with its continuations. Transl. from the Latin with introd. and notes by J.M. Wallace-Hadrill. Chronicon. Liber IV. London 1960. (lat. - engl.)
Literatur
- Roger Collins: Die Fredegar-Chroniken. Monumenta Germaniae Historica Studien und Texte 44. Hannover 2007.
- Walter A. Goffart: The Fredegar Problem Reconsidered. In: Walter Goffart: Romes Fall and after. London 1989, S. 319ff. [zuerst erschienen 1963 in: Speculum 38, 206-241].
- Bruno Krusch: Fredegarius Scholasticus - Ouderius? Neue Beiträge zur Fredegar-Kritik. Göttingen 1926.
- Georg Scheibelreiter: Gegenwart und Vergangenheit in der Sicht Fredegars. In: The Medieval Chronicle. Amsterdam-New York 2002, S. 212-222.
- Ders.: Justinian und Belisar in fränkischer Sicht. Zur Interpretation von Fredegar, Chronicon II 62. In: Byzantios. Festschrift H. Hunger. 1985, S. 267-280.
- Gustav Schnürer: Die Verfasser der sogenannten Fredegar-Chronik. Commissionsverl. der Universitaetsbuchhandl. Freiburg (Schweiz) 1900.
- John Michael Wallace-Hadrill: Fredegar and the History of France. In: The Long Haired Kings and Other Studies in Frankish History. Hrsg. von J. M. Wallace-Hadrill, New York 1962, S. 71-94.
- Ian N. Wood: Fredegar´s Fables. In: Historiographie im frühen Mittelalter. Hrsg. von Anton Scharer, Georg Scheibelreiter. Wien-München 1994, S. 359-366.
Weblinks
Anmerkungen
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