Friedrich Kröhnke

Friedrich Kröhnke

Friedrich Kröhnke (* 12. März 1956 in Darmstadt) ist ein freier Schriftsteller und Essayist.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Darmstadt

Friedrich Kröhnke wuchs zusammen mit seinem Zwillingsbruder Karl und zwei weiteren Geschwistern in Darmstadt auf. Der Vater stammt aus Ostpreußen und arbeitete als Chemiker bei der pharmazeutischen Firma Merck, die Mutter stammt aus Böhmen und verfasste als Margarete Kubelka Romane, Lyrik und Kinderbücher. Kröhnke besuchte von 1966 bis 1972 das renommierte Ludwig-Georgs-Gymnasium in Darmstadt. Während dieser Zeit trat er in die SPD ein. Wegen politischer Umtriebe wurde er 1972 zusammen mit seinem Zwillingsbruder der Schule verwiesen[1], woraufhin er den Schulbesuch bis zum Abitur 1975 am Alten Kurfürstlichen Gymnasium Bensheim fortsetzte.

Bochum / Köln

Nach dem Abitur wechselte er nach Bochum, um dort für eine trotzkistische Splittergruppe, der Gruppe Internationale Arbeiterkorrespondenz, aktiv zu werden. Kurz darauf schrieb er sich an der Ruhr-Universität Bochum zum Studium der Germanistik, Romanistik und Geschichte ein. Zwei Jahre später wechselte er nach Köln, um dort 1981 bei Karl Otto Conrady zum Dr. phil. zu promovieren. Die Dissertation wurde unter dem Titel „Jungen in schlechter Gesellschaft“ veröffentlicht. Es schloss sich eine zweijährige Referendarzeit in Düsseldorf und Zweites Staatsexamen an (1982–1984). Gleichzeitig gründete er mit seinen Brüdern die Literaturzeitschrift Wanderbühne in Frankfurt, die insgesamt sechs Ausgaben erreichte (1981–1983) und in finanzieller Hinsicht ein Misserfolg war.

In dieser Zeit nahm er auch eine Lehrtätigkeit an den Schulen des deutschen Buchhandels in Frankfurt auf, die er jedoch abbrach, um zu reisen. Ab 1986 lebte er wieder in Köln, wo er zwei Jahre lang als wissenschaftlicher Angestellter des Kölner Stadtarchivs arbeitete. In dieser Zeit etwa begannen verschiedene Liebesbeziehungen zu jungen Männern und seine literarische Produktion.

Berlin

Ende der 80er Jahre zog Kröhnke nach Berlin, 1999 nach Prag, von da in die Nähe von Hamburg. Heute lebt er wieder, unterbrochen von etlichen Aufenthalten in Asien, Nahost, Osteuropa und Stipendien in Nord- und Süddeutschland als freier Schriftsteller in Berlin.

Zum Werk

Kröhnkes Erzählungen kreisten zunächst um die Themenbereiche Päderastie und der Aufarbeitung linker Politik nach 1968 – mit eindeutigem Vorrang der päderastischen Liebe. Diese beiden Motive werden schon in der frühen autobiographischen Erzählung Zweiundsiebzig. Das Jahr, in dem ich sechzehn wurde sichtbar, jedoch tritt die politische Thematik immer weiter zurück. Die ausführlichste Auseinandersetzung hiermit findet in der Erzählung Kleymann und Bellarmin (1986) statt, darauf wird ebenso in Atterseekrankheit (1999) Bezug genommen: Die Jahre der politischen Arbeit für die trotzkistische IAK haben nicht nur zur Erstarrung des Denkens geführt, sondern auch zur Erstarrung der Gefühle. Die Ebene des Gefühls wird bei Kröhnke dreifach angesprochen: in erster Linie durch die häufig wechselnden Beziehungen des Autors zu männlichen Jugendlichen, in zweiter Linie durch wesentlich stabilere Beziehungen zu gleichaltrigen Frauen, und immer wieder – ironisch gebrochen – durch neurotische Kuscheltiere.

Der päderastische Handlungsstrang durchzieht alle Erzählungen; allerdings schillert er bei Kröhnke in einem Dreieck von Einsamkeit und unerfüllter Sehnsucht am Bahnhofsstrich zum einen, gelungenen Liebesbeziehungen zu Jugendlichen zum anderen, aber auch von hedonistischem Überschwang vor allem während der Reisen in Asien, Nahost oder Osteuropa. Dieses Dreieck wird insbesondere im magnum opus, Atterseekrankheit, mannigfaltig beleuchtet.

In den Jahren seit 2000 und somit nach dem gleichsam fluchtartigen Rückzug aus Prag ("Ciao Vaschek", 2003) und der Zeit in Hamburg (fast tödlich verlaufene Operation im Krankenhaus Reinbek, von der er ebenfalls in "Ciao Vaschek" erzählt) treten eine (immer noch ironisch interpretierbare) Verbitterung des Alternden sowie eine verstärkte Auseinandersetzung mit Religion stärker in den Vordergrund. Im Roman Samoa (2006) heißt es zu Kröhnkes Alter Ego Pirna: „Man wird es bereits gemerkt haben, dass ich Pirna gewissermaßen für einen religiösen Menschen halte oder für einen, der zunehmend in die Richtung religiöser Fragen oder gleichsam spiritueller Erlebnisse vordringt.“ (Samoa, S. 150)

Der plötzliche Tod seiner Lebensgefährtin Helma Börgartz auf einer gemeinsamen Reise nach Estland, den er in seinem bekanntesten Roman "Wie in schönen Filmen" (2007) verarbeitet, trug erst recht dazu bei, Kröhnkes zuvor teilweise anarchisch-hedonistischem Leben Ernst und seinem Werk Gewicht zu geben.

Veröffentlichungen

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Dargestellt in: Angelika Hüffell, Schülerbewegung 1967-77, Gießen 1978; Kröhnke erscheint hier unter dem Namen Tom Lauschke.

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