- Fritz Rodewald
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Fritz Rodewald (* 1939 in Rössing; † 18. August 2009 in Hannover) war ein deutscher Volksschullehrer aus Hannover und ehemaliges Mitglied des geschäftsführenden Bundesvorstandes der Gewerkschaft GEW. Er gab 1972 einen Hinweis an die Polizei, der zur Ergreifung zweier RAF-Terroristen, darunter Ulrike Meinhof, führte. Er wurde deswegen von Linksradikalen und RAF-Sympathisanten als "Verräter" betrachtet und mit dem Tode bedroht, aber auch von konservativer Seite wurde er kritisiert.
Inhaltsverzeichnis
Leben
Rodewald verbrachte die meiste Zeit seines Lebens in Langenhagen bei Hannover, so auch im Jahr 1972, als er zusammen mit seiner damaligen Freundin und späteren Frau Ulrike Winkelvoß, Tochter der ehemaligen niedersächsischen NPD-Landtagsabgeordneten Gertraud Winkelvoß, in einer Wohnung lebte. Er war damals Mitglied des geschäftsführenden Bundesvorstands und Bundesvorsitzender des Arbeitskreises junge Lehrer der Lehrergewerkschaft GEW.[1]
Zu dieser Zeit half er Deserteuren der US-Armee, die sich einem Einsatz im Vietnamkrieg entziehen und nach Schweden fliehen wollten. Daher war es für ihn üblich, dass bei ihm Fremde übernachteten.
Im Juni 1972 stand eine ihm fremde Frau vor der Tür und bat um Einlass. Je nach Quelle ist vom Abend des 14. Juni 1972[1], kurz vor Mitternacht[2] oder 0:30 Uhr am 15. Juni 1972[3] die Rede. Sie bat um die Möglichkeit, dass am Tag darauf zwei Personen bei ihm übernachten dürften. Er stimmte zu. Seine Freundin Ulrike, die selbst auch Pädagogin und im links-alternativen Bereich engagiert war, war allerdings misstrauisch geworden und fürchtete, es handele sich um Terroristen der RAF. Rodewald hielt dies für unmöglich, da er sich erst kurz zuvor öffentlich gegen den Terror der RAF geäußert hatte. Die beiden stritten sich die halbe Nacht und diskutierten noch beim Frühstück darüber. Ulrike forderte ihn auf, zur Polizei zu gehen.[3] Rodewald machte am Morgen einen Klassenausflug in den Vogelpark Walsrode, während dem er über das Problem nachdachte.[1]. Nach Rücksprache mit einem Freund beschloss Rodewald, es der Polizei zu melden, was er um 15:30 Uhr tat.[4] Als er um 19:45 Uhr nach Hause kam, war ein Mann in einer nahe gelegenen Telefonzelle und eine Frau in seiner Wohnung verhaftet worden. Es stellte sich heraus, dass es sich um Gerhard Müller und Ulrike Meinhof handelte.
Über die Vorgänge dieser Tage sind verschiedene Versionen im Umlauf, die sich teilweise widersprechen. So soll die Frau, die bei Rodewald wegen der Übernachtungsmöglichkeit angefragt hatte, der Ansicht gewesen sein, sie habe bei ihrem Besuch klar gemacht, dass die zu beherbergenden Personen Mitglieder der RAF seien.[1] Auch über die Diskussion von Rodewald mit seiner damaligen Freundin Ulrike gibt es verschiedene Varianten. Laut Stefan Aust soll Rodewald erst am Morgen den nächtlichen Besuch angesprochen haben. Jutta Ditfurth schreibt in ihrer Meinhof-Biographie hingegen, Rodewalds Freundin sei schon im Bett gelegen und habe ihn für die Zusage kritisiert.[1] Die Identität des Freundes, den Rodewald zu Rate gezogen hatte, ist ebenso umstritten. Ditfurth behauptet, es habe sich um Oskar Negt gehandelt, einen Professor und Gewerkschaftskollegen. Dieser habe ihm gesagt, es gäbe keine „Zwangssolidarität“, und Rodewald sei nicht an seine Zusage gebunden. Auch Wolfgang Kraushaar nennt Negt als den Freund, mit dem er sich in einem Café getroffen habe und der ihm zugeredet habe. Aust nennt hingegen keinen Namen.[3] Rodewald und Negt selbst sollen abgestritten haben, dass Negt involviert war. Rodewald äußerte später, er habe Meinhof nicht, wie oft behauptet, die Schlüssel zu seiner Wohnung gegeben, sondern diese habe sich selbst gewaltsam Zutritt verschafft.[2]
Die nach seiner Ansicht zahlreichen falschen Darstellungen der Vorgänge belasteten Rodewald sein ganzes restliches Leben. Vor allem wurde ihm nicht geglaubt, dass er nicht gewusst habe, dass es sich um Meinhof gehandelt hatte. Die Darstellung als Denunziant, der Meinhof an die Polizei übergeben habe, machte ihn zu einer Hassfigur.[2]
Nach Meinhofs Festnahme wurde Rodewald von Linken als Verräter betrachtet. Er musste monatelang untertauchen und stand zeitweise unter Polizeischutz. Viele Teile seines Umfelds wandten sich von ihm ab: ein Wohnungsmietvertrag wurde gleich nach Abschluss wieder aufgelöst und er verlor den Posten bei der Gewerkschaft. Er konnte seinen Beruf als Lehrer nicht mehr ausüben, da seine Kollegen Anschläge auf die Schule befürchteten. Er wurde letztendlich Psychotherapeut. Bei späteren Tätigkeiten als Journalist und wissenschaftlicher Mitarbeiter gab es Proteste seitens der Leser bzw. Studenten. Auch die Beziehung zu seiner damaligen Freundin und späteren Ehefrau Ulrike zerbrach in der Folge der Ereignisse, Rodewald kam erst Jahre später wieder mit ihr zusammen. Selbst nach Jahrzehnten stieß er gelegentlich auf Schwierigkeiten, z.B. als er sich bei einem Boule-Club anmelden wollte.
Ihm wurde zwar das Bundesverdienstkreuz angeboten, er lehnte es aber ab. Er äußerte öffentlich, dass er die Belohnung für die Ergreifung Meinhofs deren Verteidigung spenden wolle. Dies wiederum brachte die Konservativen gegen ihn auf. Letztendlich spendete er sie anonym für die Rote Hilfe.
Seine Frau kam am 3. Dezember 1999 auf einem Campingplatz in Dänemark durch einen Sturm ums Leben. Zuletzt lebte Fritz Rodewald alleine in Hannover.
Werke
- Ich küsse Deinen Schatten: Reise- und Trauertagebuch, Oberbaumverlag 2009, ISBN 3933314992
Weblinks
- Artikel zu Rodewald vom 27. April 2006 aus der Süddeutschen Zeitung Online
- Schaumburger Nachrichten: „Fritz Rodewald gestorben“
- Die Welt vom 30. Dezember 2009: "Der Tag an dem Ulrike Meinhof klingelte"
Einzelnachweise
- ↑ a b c d e Jutta Ditfurth, Ulrike Meinhof - Die Biografie, 1. Auflage März 2009
- ↑ a b c http://www.sueddeutsche.de/politik/die-raf-legende-vom-verraeter-verfolgt-vom-bleiernen-schatten-1.884752
- ↑ a b c Stefan Aust, Der Baader-Meinhof-Komplex, 1. Auflage der Neuausgabe 2008
- ↑ http://www.welt.de/die-welt/debatte/article5673360/Der-Tag-an-dem-Ulrike-Meinhof-klingelte.html?print=yes#reqdrucken
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