- Gartenkunst im Vorderen Orient
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Ähnlich zur Gartenkunst im Alten Ägypten entwickelte sich schon früh eine entsprechende Gartenkunst im Vorderen Orient. Neben den Gärten der Assyrer und Babylonier zählen auch ganz besonders die Gärten des Persischen Volkes zu diesem Überbegriff.
Inhaltsverzeichnis
Gärten der Assyrer und Babylonier
Assyrien im Norden und Babylonien im Süden bilden zusammen Mesopotamien, das Land „zwischen den beiden Strömen”, nämlich den großen Flüssen Euphrat und Tigris. Ihnen verdankt das Land seine große Fruchtbarkeit. Wohl zum Schutz vor den Überschwemmungen dieser beiden Flüsse bauten die Mesopotamier frühzeitig ein ausgedehntes Kanalnetz, das gleichzeitig der Bewässerung ihrer Ländereien diente. Der Norden Mesopotamiens ist durch hohe Gebirge und ein gemäßigt warmes Klima gekennzeichnet. Der Süden dagegen ist flach und zeichnet sich vor allem durch ein trockenes Sommerklima aus. Südmesopotamien ist die Heimat der Getreidekultur. Es war einst die Kornkammer der Alten Welt.
Assyrer
Anders als für die Gartenkunst im Alten Ägypten gibt es für den Gartenbau der Hochkultur, die sich schon 4000 Jahre vor Christi Geburt im Zweistromland zwischen Euphrat und Tigris entfaltete, wenig Belege. Hier liegt zwar die Wiege des modernen Menschen, der in dieser Region die ersten Schritte zu Ackerbau und Viehzucht tat; über die Gestaltung der Gärten wissen wir vergleichsweise wenig. Auf Königsinschriften haben einige frühere Herrscher jedoch Hinweise auf ihre Gärten hinterlassen. So rühmt sich Tiglat-pileser I. (1115-1077 v. Chr.) üppiger Gärten; in Nimrud, dem biblischen Kalach fand sich eine Steinstele, die den königlichen Garten des Assurnasirpal II. (883-859 v. Chr.) beschreibt; eine Keilschrifttafel, die im Britischen Museum, London aufbewahrt wird, zählt die Pflanzen im Garten des babylonischen Königs Mardukapaliddina(=dem biblischen Merodachbaladan) (721-710 v. Chr) auf und ein ebenfalls im Britischen Museum befindliches Relief des letzten bedeutenden Königs der Assyrer, Assurbanipal (668-627 v. Chr.) vermittelt wenigstens einen flüchtigen Eindruck, wie ein assyrischer Lustgarten gestaltet war.
Assyrer und die ihnen nachfolgenden Babylonier legten großen Wert auf Bäume in ihrer Lebenswelt. Ihre Paläste lagen nicht kahl in toter Landschaft wie heute; Prozessionsstraßen waren baumgesäumt und Tempel – ähnlich wie in Ägypten – von in strenger Linie gepflanzten Bäumen umgeben. Assyrerkönige – wie beispielsweise König Sargon II. (721–705) und Sanherib (705-681) - legten große Jagdparks an, bürgerten in diesen Parks Bäume wie Zypressen, Zedern, Palmen und möglicherweise sogar Baumwolle aus Indien ein und legten in ihren Palastgärten Wert auf botanische Vielfalt.
Die Kunst der Bewässerung
Ähnlich wie in Ägypten war die Bewässerung der Gärten die größte Herausforderung. Stolz verkündet beispielsweise eine Tempelinschrift, dass König Sanherib die Bewässerungsgräben für die den Tempel umgebenden Gärten ausheben ließ. Seit den frühesten Zeiten betrachteten die mesopotamischen Herrscher die Verbesserung des Kanalsystems als ihre heilige Pflicht. Zu der Zeit, als es noch üblich war, die Jahre nach den wichtigsten Ereignissen des verflossenen Jahres zu benennen, war die Neuanlage eines Kanals ein genauso wichtiges Ereignis wie ein Sieg, eine Gebietseroberung oder der Bau einer Tempelanlage. Auf den uns erhalten gebliebenen Tontäfelchen aus dieser Zeit hat man Befehle der königlichen Kanzleien an die Statthalter gefunden, mit denen diese zur Unterhaltung der Kanäle verpflichtet wurden. Zur Nutzung des mit den Kanälen hergeleiteten Wassers wurde genau wie in den Gärten Ägyptens der Schaduff eingesetzt.
Der Unterhalt der Kanäle war mühselig; der Schlamm der großen Flüsse setzte sich in den langsamer fließenden Kanälen schnell ab, so dass er ständig herausgehoben werden musste. Schilf siedelte sich an und musste entfernt werden. Trotz unablässiger Arbeit konnte jedoch nicht verhindert werden, dass sich das Kanalbett allmählich hob. Schon im Altertum mussten deswegen Kanäle aufgegeben werden. Nach dem endgültigen Zusammenbruch des assyrisch-babylonischen Reiches und dem anschließenden Einfall anderer Völker verfielen diese Kanalsysteme immer mehr. Erst mit der Möglichkeit der Kartierung durch Flugzeuge erschließt sich wieder das System der mesopotamischen Bewässerung.
Die hängenden Gärten von Babylon
Einen der wichtigsten Hinweise auf eine reiche Gartenkultur Mesopotamiens liefert jedoch die Geschichte der Hängenden Gärten von Babylon, die in der Antike als eines der sieben Weltwunder betrachtet wurden. Die Legende schreibt diese Gärten der Königin Semiramis zu, die möglicherweise der assyrischen Königin Schamuramat (809-782 v. Chr) gleichzusetzen ist, wahrscheinlich wurden sie - zumindest der Überlieferung nach - jedoch von Nebukadnezar II. (605-562) angelegt.
Der im 1. Jahrhundert n. Chr. lebende Diodours Siculus schreibt über diesen Garten: Neben der Burg lag auch der so genannte hängende Garten .... auf jeder Seite gegen vier Plethren lang, ansteigend wie ein Berg, ein Stockwerk über das andere, so dass er einen Anblick wie ein Theater darbot. Unter den ansteigenden Terrassen waren Mauerreihen gebaut, welche die ganze Schwere des Gartens zu tragen hatten und die, wie das Ganze anstieg, immer ein wenig über die vorhergehenden hervorragten.... hierauf also trug man Erde an, in genügender Tiefe, dass die größten Bäume Wurzeln fassen konnten. Oben war der Boden geebnet und mit zahlreichen Bäumen bepflanzt, welche sowohl durch ihre Größe, als auch durch sonstige Lieblichkeit den Sinn des Beschauers ergötzten. .....
Jene berühmten Hängenden Gärten der Semiramis konnten jedoch bis heute nicht lokalisiert werden. Professor Kai Broderson stellt deswegen die Vermutung auf, dass sie nur in der Fantasie der Menschen existieren. Nach seiner Vermutung nahm ein ursprünglich unzugänglicher Palastgarten, den Nebukadnezar für sich errichten ließ, in der Fantasie der späteren Nachfahren immer wunderbarere Formen, bis daraus eben eines der sieben Weltwunder wurde.
Persische Königsgärten
Nach der Eroberung Mesopotamiens übernahmen die Perser die Gartenkultur der von ihnen 539 v. Chr. unterworfenen Babylonier und Assyrer. Auch für die altpersischen Gärten sind archäologische Zeugnisse eher spärlich. Das Meiste, was wir über diese Gärten wissen - auch ihre Beeinflussung durch die Gartenkunst der Assyrer und Babylonier - wissen wir durch die Überlieferung griechischer Historiker.
Parádeisoi - die persischen Gärten
Xenophon berichtet in seinen Schriften: In welchen Gegenden immer (der Perserkönig) wohnt oder zu welcher er sich wendet, da trägt er Sorge, dass dort Gärten sind, die so genannten Parádeisoi, von allen schönen und guten Dingen voll, welche die Erde hervorbringen mag, und in eben diesen hält er sich die meiste Zeit auf, solange die Jahreszeit es zulässt (Oikonomikos 4,13).
Das persische Wort „pairidaeza“ bedeutet eigentlich Umzäunung. Xenophon führte es als Wort für Garten in den griechischen Wortschatz ein, von wo es über den christlichen Kontext zum mitteleuropäischen "Paradies" wurde. Zu den persischen Parádeisoi zählten nicht nur die Gartenanlagen rund um die königlichen Paläste, wie sie schon Kyros II. (559–529), der Gründer des großen persischen Reiches anlegen und die Dareios I. (549–486 v. Chr.) vollenden ließ. Zu den Parádeisoi zählten auch die ausgedehnten Obstgärten, die für die Versorgung der Bevölkerung gedacht waren. Sie legte der König selbst an - so zumindest berichtet es Xenophon. Gleichfalls zu den Parádeisois werden die großköniglichen Wildgehege oder Jagdparks gezählt. Von einem Relief vom Apadana in Persepolis wissen wir, dass unterworfene Völker wie die Elamer für diese Löwen Tributzahlungen leisteten. Auch Wildgeflügel schmückte den königlichen Jagdpark. Dank der Verwaltungstäfelchen, die aus der Zeit Dareios I. überliefert sind, wissen wir, dass beispielsweise Pfauen zu ihrer Fütterung Zusatzrationen an Getreide erhielten.
Der persische „Parádeisoi” und der erste europäische Park
Der griechische Schriftsteller Xenophon lernte die persischen Parádeisoi kennen, als er 401 v. Chr. am so genannten „Zug der Zehntausend„ Mesopotamien durchquerte. Nach seiner Rückkehr legte er sich selbst auf seinem Landgut Skillous bei Olympia einen davon inspirierten Wildpark an. Noch zur Zeit des Pausanias im 2. Jahrhundert nach Christus bestand dieser Park. Er ist die älteste bezeugte Parkanlage Europas.
Literatur
- Kai Broderson: Die Hängenden Gärten von Babylon, in: Hans Sarkowicz (Hrsg.): Die Geschichte der Gärten und Parks, Insel-Verlag, Frankfurt am Main 2001, ISBN 3-458-34423-3.
- Georges Contenau: So lebten die Babylonier und Assyrer, DVA, Stuttgart 1959.
- Alexander Demandt: Über allen Wipfeln. Der Baum in der Kulturgeschichte, Böhlau, Köln 2002, ISBN 3-412-13501-1 .
- Karin Dzionara: Der Garten im alten Ägypten, in: Hans Sarkowicz (Hrsg.): Die Geschichte der Gärten und Parks, Insel-Verlag, Frankfurt am Main 2001, ISBN 3-458-34423-3.
- Irving L. Finkel: Die hängenden Gärten von Babylon, in: Peter A. Clayton (Hrsg.): Die Sieben Weltwunder, Reclam, Leipzig 2000, ISBN 3-379-01701-9 .
- Penelope Hobhouse: Persische Gärten. Paradiese des Orients, Kneseback, München 2005, ISBN 3-8966-0271-3.
- Michaela Kalusok: Schnellkurs Gartenkunst, DuMont, Köln 2003, ISBN 3-8321-7604-7 .
- Heidemarie Koch: Es kündet Dareios der König... Vom Leben im persischen Großreich, von Zabern Verlag, Mainz 2000, ISBN 3-8053-1347-0.
Kategorien:- Landschaftsarchitektur
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