Gastrosophie

Gastrosophie
Himbeerendetail

Die Gastrosophie versteht man heute als Zusammenwirken aller natur- und geisteswissenschaftlichen Fächer, die sich mit Ernährung beschäftigen. Anzusiedeln ist die Gastrosophie im Bereich der Kulturwissenschaften, da der geisteswissenschaftliche Aspekt in der Erforschung der Zusammenhänge zwischen Ernährung, Kultur und Gesellschaft im Vordergrund steht.[1] Untersucht werden alle Aspekte der Lebensmittelerzeugung, der Verarbeitung, der Vermarktung bis zum Konsum, wobei nicht nur materielle technische Bereiche, sondern auch die Bedeutung der Esskulturen verschiedener Epochen, ethische und soziologische Aspekte betrachtet werden.

Der Begriff geht zurück auf ein Werk von Baron Eugen von Vaerst: Gastrosophie oder Lehre von den Freuden der Tafel (1851). Darin erhebt er den Genuss von Speisen zu einer Kunstform und beschreibt die drei Arten von Feinschmeckern: Gourmand, Gourmet und Gastrosoph. Der Gastrosoph wähle beim Essen das Beste aus, unter Berücksichtigung der Gesundheit und der „Sittlichkeit“. Als Vater der Gastrosophie gilt Jean Anthèlme Brillat-Savarin (1755-1826), der mit „Physiologie des Geschmacks“ ein Grundlagenwerk der bis heute noch nicht als eigenständige Wissenschaft anerkannten Gastrosophie schuf.

Spätestens seit Ende des 19. Jahrhunderts wird der Begriff ganz allgemein auch für Literatur verwendet, die sich der Zubereitung und Darbietung von Speisen und Genussmitteln widmet, das sind im weitesten Sinne Koch- und Rezeptbücher, aber auch Tranchierbücher, Bücher zur Esskunst, zu Tischgeräten (Besteck, Geschirr etc.), zum Servieren, zu Kochgeschirr und Kücheneinrichtungen, zum Backen, zur Konditorei, zum Konservieren und Menükarten können dazu gezählt werden.

In der aktuellen Fachliteratur geht es zwar um konkrete Darstellungen der Bedeutung von Ernährung, trotzdem steckt die Gastrosophie als wissenschaftliches Lehrfach noch in den Kinderschuhen. Der Gegenstandsbereich der Gastrosophie überschneidet sich u.a. mit der Ernährungssoziologie, der Nahrungsforschung, der Kulturgeschichte, der Anthropologie, der Ökotrophologie, Medizin und der Philosophie.

Als Gastrosoph bekannt wurde Karl Friedrich von Rumohr, nach dem auch der Karl-Friedrich-von-Rumohr-Ring, die höchste Auszeichnung der Gastronomischen Akademie Deutschlands, benannt ist.

Literatur

  • Daniele Dell’Agli (Hg.), Essen als ob nicht: Gastrosophische Modelle. Suhrkamp, Frankfurt am Main 2009. ISBN 978-3-518-12518-2
  • Jean Anthèlme Brillat-Savarin: Physiologie du goût: Méditations de gastronomie transcendante. Santelet, Paris 1826, ISBN 978-1421218397
  • Klaus Ebenhöh, Wolfgang Popp: Der Philosoph im Topf: Denkende Esser - essende Denker. Residenz Verlag, St. Pölten und Salzburg 2008, ISBN 978-3-7017-3099-5
  • Gisèle Harrus-Révidi: Die Kunst des Genießens: Eßkultur und Lebenslust. Verlag Artemis & Winkler, Düsseldorf 1996. ISBN 3-538-06643-4
  • Christian Hoffstadt u.a. (Hg.): Gastrosophical Turn: Essen zwischen Medizin und Öffentlichkeit. ProjektVerlag, Freiburg 2010, ISBN 978-3897332027
  • Jean-Claude Kaufmann: Kochende Leidenschaft. Soziologie vom Kochen und Essen. UVK, Konstanz 2006, ISBN 978-3-89669-558-1
  • Harald Lemke: Die Kunst des Essens. Eine Ästhetik des kulinarischen Geschmack. Transcript Verlag, 2007 Bielefeld, ISBN 978-3-89942-686-1
  • Harald Lemke: Ethik des Essens. Eine Einführung in die Gastrosophie, Akademie Verlag, Berlin 2007. ISBN 978-3-05-004301-2
  • Franz Xavier Mayr, Schönheit und Verdauung: Die Verjüngung des Menschen nur durch sachgemäße Wartung des Darmes, Verlag Neues Leben, Thüringerberg 2005, ISBN 3-85335-063-1
  • Michel Onfray: Le Ventre des philosophes: Critique de la raison diététique. Grasset, Paris 1989, ISBN 978-2253053828
  • Peter Peter: Kulturgeschichte der deutschen Küche. C. H. Beck-Verlag, München 2008, ISBN 978-3-406-57224-1
  • Carl Friedrich von Rumohr: Geist der Kochkunst. Cotta, Stuttgardt u. Tübingen 1822. Neuausgabe (1978) mit einem Vorwort von Wolfgang Koeppen, Insel Verlag, Berlin und Frankfurt am Main 2010, ISBN 978-3-458-35333-1
  • Eugen F. C. Baron von Vaerst: Gastrosophie oder die Lehre von den Freuden der Tafel. Avenarius & Mendelssohn, Leipzig 1851, ISBN 3807700420

Weblinks

Quellen

  1. http://gastrosophie.at/

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