Wolfgang Koeppen

Wolfgang Koeppen

Wolfgang Arthur Reinhold Koeppen (* 23. Juni 1906 in Greifswald; † 15. März 1996 in München) gilt als einer der bedeutendsten deutschen Schriftsteller der Nachkriegszeit. Er wurde vor allem durch seine Romantrilogie Trilogie des Scheiterns bekannt, die Anfang der 1950er Jahre entstand, und veröffentlichte danach noch Reiseberichte und Erinnerungen.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Koeppen kam als Wolfgang Köppen – später ersetzte er den Umlaut durch oe – unehelich zur Welt. 1908 übersiedelten Mutter und Sohn von Greifswald nach Ortelsburg in Ostpreußen. Sein Vater, Dozent der Augenheilkunde und Ballonfahrer, erkannte die Vaterschaft nie an.

Koeppen schlug sich in der Zeit der Weimarer Republik als Schauspieler und Dramaturgie-Volontär durch, ehe er im Berlin der späten zwanziger und frühen dreißiger Jahre als Feuilletonredakteur beim Berliner Börsen-Courier Anstellung fand. Er veröffentlichte in dieser Zeit über 200 Literatur-, Theater- und Filmkritiken sowie Essays und Reportagen. Im Zuge der Machtübernahme durch die Nazis verlor er seine Stellung. Als sein Romandebüt Eine unglückliche Liebe 1934 erschien, lebte er bereits in Scheveningen in den Niederlanden. In dem Werk thematisierte Koeppen seine einseitige Beziehung zu der Schauspielerin Sybille Schloß. 1939 kehrte er wieder nach Deutschland zurück und hielt sich mit dem Schreiben von Filmdrehbüchern bis Kriegsende über Wasser. Ab 1943 lebte er in München.

1947 erhielt Koeppen den Auftrag, die Erinnerungen des Holocaust-Überlebenden Jakob Littner zu bearbeiten. Littner hatte als Jude polnischer Nationalität lange in München gelebt, musste 1939 aus Deutschland fliehen und überlebte unter abenteuerlichen Umständen in Polen und der Ukraine. Koeppen kürzte, bearbeitete und ergänzte die nach dem Kriegsende entstandenen Erinnerungen Littners. Sie wurden 1948 unter dem Titel Aufzeichnungen aus einem Erdloch veröffentlicht, ermöglicht durch einen Druckkostenbeitrag Littners, der jedoch die Bearbeitung Koeppens ablehnte. Die Neuausgabe dieser Bearbeitung unter dem Namen Wolfgang Koeppens 1992 führte zu einer Kontroverse, in deren Folge auch der Originaltext Littners wiederentdeckt und veröffentlicht wurde.

Koeppen war einer der ersten, die nach 1945 in der deutschsprachigen Literatur die Tradition des Montageromans wiederbelebten, deren bekanntester Vertreter in Deutschland vor 1933 Alfred Döblin war (v. a. in dessen Roman Berlin Alexanderplatz). Koeppens „Markenzeichen“ sind „Blitze“, d. h. kurze, oft wiederkehrende, im Kontext eines Bewusstseinsstroms plötzlich einschießende und oft leicht abgewandelte Gedanken (Beispiel: „Keetenheuve ein...“ in Koeppens Roman Das Treibhaus).

Mit seiner Trilogie des Scheiterns (1951: Tauben im Gras; 1953: Das Treibhaus; 1954: Der Tod in Rom) gab er eine erste kritische Bestandsaufnahme der sich formierenden Bundesrepublik Deutschland. Mit Vehemenz und Schärfe analysiert Koeppen die Rückstände jener Ideologien und Verhaltensweisen, die zu Faschismus und Krieg geführt haben und die schließlich in den fünfziger Jahren die Restauration der überkommenen Verhältnisse protegierten. In der Nachkriegszeit blieb Koeppen ein Außenseiter, der mit seinem Werk an die Tradition der klassischen Moderne anknüpfte. Sein Einfluss auf andere Autoren, z. B. Günter Grass und Peter Rühmkorf, sollte jedoch nicht unterschätzt werden.

Seit Mitte der 1950er Jahre reiste Koeppen im Auftrag von Alfred Andersch, damals Kulturredakteur beim Süddeutschen Rundfunk, in unterschiedliche europäische und außereuropäische Länder und lieferte dem Sender zahlreiche Radio-Essays. So kam Koeppen 1955 nach Spanien, 1956 nach Rom, 1957 in die Sowjetunion und nach Warschau, nach Den Haag und London, 1958 in die USA und 1959 nach Frankreich. Die Radio-Essays wurden auch in Zeitschriften sowie Sammelbänden publiziert. 1958 wurde Nach Russland und anderswohin sowie 1959 Amerikafahrt veröffentlicht. Zum Spätwerk gehören im Übrigen ein autobiografischer Essay über Kindheit und Jugend in der vorpommerschen Stadt Greifswald (Jugend, 1976) sowie ein unter Mitwirkung Koeppens entstandenes Film-Skript über Venedig (Ich bin gern in Venedig, warum, 1980).

In seinen letzten Jahrzehnten fiel es Koeppen immer schwerer, literarisch tätig zu sein. Sein Verleger Unseld hatte trotz größtem Verständnis und Entgegenkommen immer weniger Einfluss auf seine literarische Produktion. Koeppen verstummte zusehends nach der weitgehenden Ablehnung seiner Romantrilogie in den 1950er Jahren.

Kurz vor seinem 90. Geburtstag starb Wolfgang Koeppen am 15. März 1996 in München. Er wurde auf dem Münchner Nordfriedhof bestattet.

Seit 1998 verleiht Koeppens Geburtsstadt Greifswald den Wolfgang-Koeppen-Preis für Literatur. Die Universität Greifswald erwarb Koeppens Nachlass, und 2002 wurde in Greifswald das Literaturzentrum Vorpommern eröffnet, das sich dem Andenken an Wolfgang Koeppen widmet und das Wolfgang-Koeppen-Archiv enthält.

Im Oktober 2011 bewilligte die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) rund 340.000 Euro für das Forschungsprojekt „Wolfgang Koeppens Jugend – Nachlasserschließung, textgenetische Untersuchung, Digitalisierung und Edition“. Das Projekt ist an der Philosophischen Fakultät der Universität angesiedelt, soll grundlegende Fragen zum Spätwerk des Schriftstellers klären und drei Jahre dauern. Antragsteller ist Prof. Eckhard Schumacher, Lehrstuhlinhaber für Neuere deutsche Literatur und Literaturtheorie sowie Leiter des Koeppen-Archivs in Greifswald.[1]

Auszeichnungen

Anlässlich seines 100. Geburtstags am 23. Juni 2006 veranstaltete München (Gasteig) eine Koeppen-Ausstellung. Auch die Geburtsstadt Wolfgang Koeppens, Greifswald, erwies dem Jubilar mit einer Reihe von Veranstaltungen, so z. B. am 23. Juni mit einem Literatur- und Bücherfest, einer Koeppen-Lesung im Greifswalder Dom – zu der bekannte und renommierte Vertreter der literarischen Welt nach Greifswald reisten – und einer Ausstellung in Koeppens Geburtshaus, dem Literaturzentrum Vorpommern, die Reverenz.

Werke

Gesamt- und Werkausgaben

Kommentierte Einzelausgaben

  • Das Treibhaus. Mit einem Kommentar von Arne Grafe. Suhrkamp, Frankfurt 2006 (Reihe SBB 76). ISBN 3-518-18876-3
  • Tauben im Gras. Mit Beiheft vom Monika Köpfer (ausführl. Biografie und Einf. in das Buch), RM Buch und Medien, Rheda 2007 (ohne ISBN)

Einzelausgaben

  • Eine unglückliche Liebe. Roman. Frankfurt a. M.: Suhrkamp, 2003. ISBN 3-518-36892-3 (1. Ausgabe 1934)
  • Die Mauer schwankt. Berlin: Cassirer, 1935.
  • Jakob Littners Aufzeichnungen aus einem Erdloch. Frankfurt a. M.: Jüdischer Verl., 1992. ISBN 3-633-54050-4 (Nachdr. der Erstausg. München: Kluger, 1948)
  • Jugend. Erzählung. Frankfurt a. M.: Suhrkamp, 1976.
  • Tauben im Gras. Roman. Frankfurt a. M.: Insel, 2002. ISBN 3-458-06678-0
  • Der Tod in Rom. Roman. Frankfurt a. M.: Suhrkamp, 2001. ISBN 3-518-39761-3
  • Das Treibhaus. Frankfurt a. M.: Suhrkamp, 2000. ISBN 3-518-39659-5
    beschreibt die Bundesrepublik in den 50er Jahren, Koeppen soll in dem Buch Adenauer, Schumacher und Heuss porträtiert haben, auch wenn er das im Vorwort zurückweist.
  • Reisen nach Frankreich. Frankfurt a. M.: Insel, 1999, ISBN 3-458-33918-3
  • Muß man München nicht lieben? Essaysammlung. Hrsg. von Alfred Estermann. Photographien von Isolde Ohlbaum. Frankfurt a. M.: Insel, 2002. ISBN 3-458-34412-8
  • Es war einmal in Masuren. Frankfurt a. M.: Suhrkamp, 1995 (= st 2394). ISBN 3-518-38894-0

Gespräche und Interviews

Briefe

  • »…trotz allem, so wie du bist« – Wolfgang und Marion Koeppen. Briefe. Hrsg. von Anja Ebner. Mit einem Nachwort von Hans-Ulrich Treichel. Frankfurt a. M.: Suhrkamp, 2008. ISBN 978-3-518-41977-9
  • »Ich bitte um ein Wort...« – Wolfgang Koeppen - Siegfried Unseld. Der Briefwechsel. Hrsg. von Alfred Estermann und Wolfgang Schopf. Frankfurt a. M.: Suhrkamp, 2006. ISBN 3-518-41768-1

Verfilmungen

  • Das Treibhaus. Spielfilm. Regie: Peter Goedel, 1987
  • Ortelsburg/Szczytno – Es war einmal in Masuren. Regie: Peter Goedel, 1990

Literatur

Film
  • Der letzte Magier. Wolfgang Koeppen. Dokumentation. Regie: Eva Demski, Produktion: HR u. a., 1996.
Video
  • Koeppen - Greifswald - Jugend . Entwurf für einen Film von Manfred Dietrich. 1995 : mit dem Greifswalder Schauspieler Hans Berger (1904–1998)
Hörspiel
  • In den Bäuchen der Städte atmete ich auf. Hörspiel von Jan Decker. Sounddesign: Benjamin Dickmann, Regie: Alfred Behrens, Produktion: SWR. 2009

Einzelnachweise

  1. www.koeppenhaus.de

Weblinks

 Commons: Wolfgang Koeppen – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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