Gasturbinenschiff

Gasturbinenschiff
Eine Gasturbine GE LM2500 im Maschinenraum der USS Ford

Ein Gasturbinenschiff (Internationaler Präfix: GTS, von englisch: gas-turbine ship) ist ein Spezialfall des Turbinenschiffes, nämlich ein Schiff, deren Hauptantrieb durch eine oder mehrere Gasturbinen gebildet wird.

Inhaltsverzeichnis

Technik

Zwei GT-Module werden in den Maschinenraum der USS Bunker Hill gehoben.

Vor- und Nachteile gegenüber anderen Antriebsarten

Gasturbinen werden als Schiffsantrieb vor allem wegen ihrer hohen Leistungsdichte (Verhältnis Leistung zu Platzbedarf) geschätzt. Sie kommen daher vor allem dort zum Einsatz, wo hohe Leistung auf engstem Raum gefragt ist, wo hohe Geschwindigkeiten gefahren werden und wo die relativ hohen Investitionskosten der Gasturbine weniger ins Gewicht fallen, zum Beispiel im militärischen Bereich. Bei geräumigeren Schiffen und in der zivilen Seefahrt wird aus wirtschaftlichen Gründen meist ein in der Anschaffung günstigerer Dieselmotor vorgezogen.[1]

In den beengten Maschinenräumen von Hochleistungsschiffen stellt die hohe Leistungsdichte einen erheblichen Vorteil gegenüber großvolumigen Dieselmotoren oder gar Dampfkesseln mit Dampfturbine dar. Entsprechend sind die meisten Schiffsgasturbinen von besonders kompakt gebauten und leistungsstarken Flugzeugtriebwerken abgeleitete Aeroderivative.

Die Gasturbine kann ihre Stärken vor allem bei hoher, möglichst konstanter Drehzahl entfalten, also bei längerer Fahrt und Höchstgeschwindigkeit. In Teillast und im unteren Drehzahl-/Geschwindigkeitsbereich, sind andere Antriebsformen, insbesondere Dieselmotoren, flexibler und wirtschaftlicher.

Als Nachteil gegenüber Dieselmotoren oder Dampfkraftantrieb wirkt sich aus, dass gerade die Hochleistungsturbinen aus der Luftfahrt deutlich höhere Anforderungen an die Treibstoffqualität stellen. Sie können nicht ohne Weiteres mit dem üblichen Schiffsdieseltreibstoff oder gar mit billigem Schweröl („Bunkeröl“) befeuert werden.

Ein weiteres Problem für die empfindlichen Gasturbinen bildet die salzhaltige, feuchte Meerluft, die in der Turbine zu Korrosion und Ablagerungen führen kann. Verbrennungsmotoren sind hier weniger anfällig.

Als Antrieb für Unterseeboote sind Gasturbinen aufgrund ihrer Eigenschaften grundsätzlich nicht sinnvoll. In getauchtem Zustand kann die GT wegen ihres enormen Luftbedarfes nicht eingesetzt werden und an der Wasseroberfläche spielen die Vorteile hoher Leistung und Geschwindigkeit bei U-Booten kaum eine Rolle. Versuche wie die mit Wasserstoffperoxid betriebene Walter-Turbine als U-Boot- oder Torpedo-Antrieb haben sich nicht bewährt.

Antriebskonzepte

Beispiel einer CODAG-Konfiguration; ein häufig gewählter Antrieb mit Gasturbine

Da die Stärken der Gasturbine nur im oberen Geschwindigkeitsbereich voll zum Tragen kommen, wird selten eine GT als einziges Antriebsaggregat eingesetzt. Meist wird eine GT für Spitzengeschwindigkeit mit einem oder mehreren anderen Antrieben für die langsame Fahrt und für das Manövrieren kombiniert. Dies ist meist ein Dieselmotor („CODAG“ / „CODOG“ / „CODLAG“), seltener eine kleinere Gasturbine („COGAG“ / „COGOG“) oder eine Dampfturbine („COSAG“ / „COGAS“).

Im Falle der Kombination mit einer Dampfturbine kann diese entweder durch einen separaten Dampferzeuger mit Dampf versorgt werden oder über einen Abhitzekessel die Energie aus dem Abgas der Gasturbine nutzen (Arbeitsprinzip wie bei einem GuD-Kraftwerk).

Wenn eine Gasturbine als Direktantrieb verwendet wird, bietet sich die Kombination mit einem Wasserstrahlantrieb an, da dieser bei hohen Geschwindigkeiten und Drehzahlen – gerade dort wo auch die Gasturbine ihre Stärken hat – am effektivsten ist.

Häufig wird die GT aber nicht als Direktantrieb eingesetzt, sondern als turboelektrischer Antrieb, d. h. über die Zwischenstufe der elektrischen Energie. Dies hat den Vorteil, dass Antriebsmaschine und Antrieb räumlich getrennt werden können; die sehr kompakten elektrischen Motoren für den Propellerantrieb können sogar in eine Propellergondel, in der Schiffstechnik häufig als Pod bezeichnet, integriert werden.

Geschichte und bekannte Gasturbinenschiffe

Militärschiffe

Die Gasturbine aus dem MGB 2009, dem weltweit ersten GTS
Die Fregatte Köln, das erste Gasturbinenschiff der Bundesmarine und das erste mit CODAG-Antrieb weltweit

Das erste Schiff mit Gasturbinenantrieb überhaupt war das MGB 2009, ein Motor Gun Boat (deutsch = Motorkanonenboot) der britischen Royal Navy, im Jahre 1947. Der britische Flugzeugtriebwerkshersteller Metropolitan-Vickers (Metrovick) erhielt den Auftrag, den Antrieb zu entwickeln und rüstete dafür sein Strahltriebwerk Typ F2/3 mit einer Arbeitsturbine für den Schraubenantrieb auf. Nachdem die Tests erfolgreich war, wurde der Antrieb auf Patrouillenschnellbooten der Royal Navy eingesetzt; die ersten Gasturbinenschiffe, die als solche entworfen wurden.

Die ersten größeren Kriegsschiffe, die mit einem Gasturbinenantrieb ausgerüstet wurden, waren die Fregatten der Tribal-Klasse der Royal Navy, die eine GT von Metrovick in COSAG-Konfiguration enthielt. Das erste Schiff dieser Klasse, die HMS Ashanti, wurde 1961 in Dienst gestellt.

Fast zeitgleich setzte auch die deutsche Bundesmarine erstmals einen GT-Antrieb bei den Fregatten der Köln-Klasse (F120) ein. Zum Einsatz kamen zwei GTs von Brown, Boveri & Cie. im Verbund mit je zwei Dieselmotoren. Dies war der weltweit erste realisierte CODAG-Antrieb.

Ab den späten 1960er-Jahren zogen die Seestreitkräfte vieler Nationen nach und führten den Gasturbinenantrieb ein, so zum Beispiel:

Heute tun Gasturbinen in zahlreichen Kriegsschiffen vieler Nationen ihren Dienst als Antrieb, von kleinen Schnellbooten bis hin zu riesigen Flugzeugträgern (zum Beispiel die britische Invincible-Klasse ab 1980 oder der modernen Queen-Elizabeth-Klasse ab 2014) und Amphibischen Angriffsschiffen (zum Beispiel die Wasp-Klasse ab 1998).

Zivile Schiffe

Die GTS Finnjet, die zeitweise schnellste konventionelle Fähre der Welt
Die Queen Mary 2, das größte Passagierschiff der Welt mit Gasturbinenantrieb (als turbo-elektrischer CODAG)

Der erste Versuch einer zivilen Nutzung von Gasturbinen in der Schifffahrt war der auf dem Öltanker Auris der Firma Anglo Saxon Petroleum (einer Tochter von Royal Dutch Shell). Einer der vier Hauptmotoren der Auris wurde 1951 zur Erprobung zunächst mit einer 920 kW Gasturbine ersetzt. Nach erfolgreicher Erprobung wurde der Antrieb der Auris 1956 komplett auf eine 4270 kW Gasturbine umgerüstet, was ihr eine Geschwindigkeit von etwa 13 Knoten ermöglichte.[2][3]

Nach dem Zweiten Weltkrieg suchten die USA nach Möglichkeiten einer Modernisierung ihrer Liberty-Frachter, um diese für den Verkauf und die zivile Nutzung attraktiver zu machen. In diesem Zuge wurde 1956 der Frachter John Sergeant mit einem GE-Gasturbinenantrieb ausgestattet, der mit Schweröl lief. Nachdem der Versuch erfolgreich war, wurden weitere Liberty-Frachter umgerüstet und GE entwickelte die GT-Technologie weiter. Parallel wurden auch Versuche gemacht, Gasexpansionsturbinen hinter einer Freikolbenmaschine als Druckgaserzeuger zu installieren, zum Beispiel auf dem Liberty-Frachter William Patterson[4]. Nach diesem Prinzip arbeitete auch das erste deutsche Gasturbinenschiff, der 1957/58 gebaute Gasturbinentrawler Sagitta. Dieses Antriebskonzept setzte sich aber nicht durch.

Der erste Neubau eines Gasturbinenfrachtschiffs war 1967 die von der U.S.Navy für den militärischen Seetransport gecharterte Adm.Wm.M.Callaghan. Das Zweischraubenschiff war mit zwei für den Bordbetrieb umgebauten Flugzeugturbinen vom Typ Pratt & Whitney FT4 mit je 18.375 kW ausgerüstet. Sie erreichte eine Geschwindigkeit von 25,5 Knoten und hielt damit zwei Jahre den Geschwindigkeitsrekord für Frachtschiffe auf dem Atlantik.[5][3]

Als erstes ausschließlich für den regulären Frachtverkehr gebaute Schiffe betrieb zwischen 1971 und 1981, die Reederei Seatrain Lines mit vier durch P&W-Gasturbinen angetriebene Containerschiffe im regelmäßigen Trans-Atlantik-Frachtverkehr. Als erstes wurde am 24. Oktober 1970 die GTS Euroliner bei der Werft Rheinstahl Nordseewerke in Emden vom Stapel gelassen. Sie wurde von zwei Gasturbinen vom Typ Pratt & Whitney FT4 A-12 mit je 22.700 kW angetrieben. Sie erreichte eine Geschwindigkeit von 26,5 Knoten und verbrauchte dabei täglich etwa 300 Tonnen Treibstoff. Auch sie erzielte damit den Geschwindigkeitsrekord für Frachtschiffe auf dem Atlantik.[6][3]Unter dem Preisdruck der Ölkrise der 1970er-Jahre wurde versucht, die Gasturbinenschiffe auf billigere Brennstoffqualität umzustellen. Da diese Versuche kein befriedigendes Ergebnis brachten, wurden die Schiffe 1982 auf Dieselmotor umgebaut.

1973 baute die australische Firma Broken Hill Proprietary Company zwei RoRo-Schiffe für den schnellen Transport von Eisenerz. Dies waren die ersten Schiffe mit Gasturbinen in Schwerbauweise.

Das wohl berühmteste Gasturbinenschiff der Geschichte ist die Finnjet. Bei Ihrer Indienststellung 1977 war sie die erste Fähre mit GT-Antrieb (CODAG), und für lange Zeit war sie das schnellste konventionelle Fährschiff der Welt.

Weitere bekannte zivile Gasturbinenschiffe sind zum Beispiel

  • die Queen Mary 2 (Bj. 2003, CODAG, turboelektrisch), das größte Passagierschiff der Welt mit Gasturbinenantrieb
  • die Katamaran-Hochgeschwindigkeitsfähren (HSS – High-speed Sea Service) der Stena Line, zum Beispiel die Stena Carisma
  • die Luxus-Kreuzfahrtschiffe der Millennium-Klasse der Reederei Celebrity Cruises, zum Beispiel die Celebrity Constellation
  • die Polar Sea, ein schwerer Eisbrecher der US-Küstenwache (Bj. 1978)

Einzelnachweise

  1. Brian W. King: Propulsion Systems auf www.unols.org (University-National Oceanographic Laboratory System) (Englisch)
  2. http://www.miramarshipindex.org.nz/ship/show/107924 Miramar (englisch)
  3. a b c Schönknecht, Rolf; Laue, Uwe, Hochseefrachter der Weltschiffahrt Band 1, transpress Verlag, Berlin 1987. – ISBN 3-344-00182-5
  4. Hamburger Abendblatt vom 24. Februar 1958
  5. http://www.miramarshipindex.org.nz/ship/show/88910 Miramar (englisch)
  6. http://www.miramarshipindex.org.nz/ship/show/334692 Miramar (englisch)

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