- Gefahrgutunglück
-
Gefahrgutunfall, auch als Gefahrstoffunfall bezeichnet, nennt man jegliche Art von Schadensereignis, bei dem Produkte (das Gefahrgut) aus Industrie und dergleichen ungewollt und in solchen Mengen bzw. unter solchen Umständen in die Umwelt gelangen, welche schädlich für Menschen, Tiere, Umwelt oder Sachwerte sind oder sein können (Schadensfall). Als bekanntes Beispiel ist etwa die Freisetzung von Benzin nach einem Tanklastzugunfall zu nennen.
Die meisten Chemieunfälle sind Gefahrgutunfälle, da viele Chemikalien unter die Gefahrgutverordnung fallen.
Inhaltsverzeichnis
Problematik eines Gefahrgutunfalls
Bei Unfällen mit Gefahrgut geht neben der Gefahr für die Bevölkerung und die Umwelt auch eine besondere Gefährdung für die Einsatzkräfte einher. Je nach Stoff kann dies Brand- und Explosionsgefahr und/oder die Gefahr für Leib und Leben sein (z. B. Vergiftung, Verätzung).
Da nicht alle Stoffe durch die normale Einsatzkleidung zurückgehalten werden, sind für die Abdichtung und Bergung oft Spezialanzüge notwendig. Diese haben aus Kosten- und Unterhaltsgründen nur die größeren Feuerwehren, welche auch speziell auf Gefahrguteinsätze ausgebildet sind.
Selbst kleinste Mengen von bestimmten Stoffen (z. B. Chlorverbindungen), bringen einen sehr großen Aufwand mit sich, sie sicher zu bergen und anschließend sachgerecht zu entsorgen, vor allem wenn sich der Unfall in einem geschlossen Raum ereignet hat. Daneben ist unter Umständen nicht nur eine Dekontamination der direkt mit dem Stoff in Berührung gekommenen Personen und Gegenständen nötig, sondern auch der ganzen Umgebung. Manchmal müssen auch Erdreich und Gebäudeteile entfernt und nach einer Behandlung in einer speziellen Deponie entsorgt werden.
Weiter ist zu beachten, dass zwei verschiedene Stoffe, die für sich alleine genommen harmlos sind, eine ganz andere Dimension der Gefährdung hervorrufen können, wenn sie miteinander reagieren. So ist nicht bei allen Stoffen Wasser als Lösch- und Kühlmittel einsetzbar, da es eine zusätzliche Reaktion hervorrufen würde. Diese Stoffe sind am X in der oberen Zeile der Gefahrentafel erkennbar.
Wichtige Informationsquellen für die Einsatzkräfte sind die ERI-Cards und das TUIS-Informationssystem der chemischen Industrie.
Folgen eines Gefahrgutunfalls
So vielfältig wie die Stoffe, die beteiligt sein können, sind auch die Folgen; hier sollen einige Beispiele aufzeigen, was passieren kann, wenn gefährliche Substanzen unkontrolliert in die Umwelt gelangen.
Sandoz (Schweizerhalle) Basel
Das beim Löschen der Lagerhalle der Sandoz AG am 1. November 1986 mit Chemikalien kontaminierte Löschwasser floss ungeklärt in den Rhein und löste dort ein großes Fischsterben aus. Der Grund hierfür waren ungenügende Rückhaltemöglichkeiten für Löschwasser.
Eisenbahnunfall von Bad Münder
Beim Frontalzusammenstoß zweier Güterzüge im September 2002 kam es zur Freisetzung von Epichlorhydrin. Bei der Untersuchung der Einsatzkräfte nach dem Unfall wurden bei jedem Sechsten erhöhte Leberwerte festgestellt. Als Ursache wurde ungenügende Schutzausrüstung ermittelt.
Eisenbahnunfall von Lausanne
In Lausanne in der Schweiz kippten am 29. Juni 1994 zwei Zisternenwagen, ebenfalls mit Epichlorhydrin beladen, bei der Vorbeifahrt des Zuges im Güterbahnhof aus den Schienen. Einer der Wagen leckte, beim anderen trat der Stoff aus dem Mannloch aus. Die Bevölkerung der Umgebung wurde aufgefordert, die Wohnungen dicht zu schließen und die Ventillation auszuschalten; 63 Personen im Nahbereich wurden evakuiert. Die Bekämpfung des Unfalls erforderte fünf Tage und forderte unter den Einsatzkäften gem. dem BUWAL ebenfalls "Leichtverletzte".
Wer leistet Hilfe bei Gefahrgutunfällen?
Ein Gefahrgutunfall erfordert in aller Regel das Eingreifen professioneller Hilfeleistungsorganisationen, welche für die Bekämpfung der Auswirkungen von Gefahrgutunfällen besonders ausgerüstet sind. Hier steht auch das Hilfeleistungssystem der chemischen Industrie zur Verfügung. Das TUIS-System (Transport-Informations- und Hilfeleistungssystem) ist Bestandteil der Gefahrenabwehr in weiten Teilen Deutschlands und den benachbarten Ländern. Dies sind zum Beispiel je nach Region:
- die Feuerwehren
- die TUIS-Feuerwehren
- die Umweltbehörde, das Umweltamt oder eine vergleichbare Institution
- das Technische Hilfswerk (in Deutschland)
- Einheiten des Katastrophenschutzes.
Welcher Art ist die zu leistende Hilfe?
Die Aufgabe solcher Institutionen nach einem Gefahrgutunfall besteht vorrangig darin,
- unmittelbar gefährdete Personen zu retten und mittelbar gefährdete Personen in Sicherheit zu bringen,
- die Unfallstelle zu sichern und das Schadensgebiet kenntlich zu machen / abzusperren,
- die Art des Gefahrgutes zu identifizieren,
- unter Beachtung des Eigenschutzes und der Verhältnismäßigkeit der Mittel geeignete Maßnahmen zur Eindämmung / Begrenzung und Bekämpfung der Schäden einzuleiten und fachkundig durchzuführen,
- Leichen, Sachwerte und Tierkadaver zu bergen,
- nach Möglichkeit vorbeugende Maßnahmen mit dem Ziel in die Wege zu leiten, damit sich ein entsprechender Vorfall nicht wiederholt.
Obige Liste gibt die potenziell zu wählende Abfolge der Maßnahmen an und beansprucht weder universelle Gültigkeit noch zwingende Vollständigkeit. Abweichungen sind dem zuständigen Einsatzleiter der individuellen Lage entsprechend jederzeit möglich. Die wichtigsten Maßnahmen bei Gefahrengutunfällen sind in der GAMS-Regel enthalten.
Ergänzend zu den genannten Organisationen werden oft auch aktiv:
- Die Polizei
- Bevollmächtigte der Firma, deren Produkt ausgetreten ist
- Der Rettungsdienst
- Sachverständige und Experten, die eine beratende Funktion wahrnehmen (z. B. im Rahmen von TUIS)
Erste Hilfsmaßnahmen durch Laienhelfer vor Ort
Ein Laie erkennt anhand der Gefahrguttafel und Gefahrenzettel, dass es sich um einen Verkehrsunfall mit Gefahrgut handelt. Diese beiden Anschriften sind sehr wichtig für den Notruf und unbedingt zu merken.
Bei Gefahrgutunfällen gelten gemeinhin folgende elementare Grundregeln für vor Ort befindliche Laienhelfer:
- Das Rauchen sowie das Trinken und die Nahrungsaufnahme sind unverzüglich einzustellen.
- Zünd- und Feuerquellen
- Sofern möglich sind andere offene Feuerquellen in der Umgebung zu löschen. Dies darf aber nur unter Beachtung der Eigensicherheit des Helfers geschehen!
- Automotoren abstellen, sofern noch gefahrlos möglich!
- Warnen Sie umgehend Umstehende und halten Sie Abstand von der Unglücksstelle.
- Die Gefahrenzone ist gegen die Windrichtung oder im rechten Winkel zur Windrichtung zu verlassen.
- Ein Notruf ist abzusetzen. Man beachte:
- Die Leitstelle ist darüber zu informieren, dass Gefahrgut im Unfallgeschehen beteiligt ist.
- LKW mit Gefahrgut sind durch orangefarbige Warntafeln gekennzeichnet. Die darauf stehende Nummer ist für die Leitstelle von großer Wichtigkeit. Sie sollte deshalb nach Möglichkeit schon im Notruf-Telefonat übermittelt werden.
- ggf. auslaufende Menge angeben, es ist ein Unterschied, ob es aus dem Tankwagen tropft, oder der ganze Tank aufgerissen und schon fast ausgelaufen ist.
- Opfern außerhalb der Gefahrenzone ist Hilfe zu leisten.
- Die anrückenden Hilfskräfte abwarten und einweisen
Auswirkungen von Gefahrgutunfällen
Die möglichen Auswirkungen (Schäden) umfassen ein äußerst breites Spektrum, darunter
- gesundheitliche Schäden für Menschen und Tiere in der Umgebung der Unfallstelle
- Schäden der Umwelt (z. B. Vergiftung von Trinkwasser, Kontamination der Luft, Schäden an Pflanzen usw.)
- materieller Schaden für die betroffene Firma, deren Produkt ausgetreten ist
- Infrastruktureller Schaden (blockierte Straßen und dergleichen)
Schwerwiegende Gefahrgutunfälle können zu Chemiekatastrophen führen.
Literatur
- Feuerwehr-Grundlehrgang FwDV 2/2 von Lothar Schott und Manfred Ritter, Wenzel Verlag ISBN 3-88293-025-X
Siehe auch
Weblinks
Wikimedia Foundation.