Geodätisches Rechnen

Geodätisches Rechnen

Unter Geodätischem Rechnen wird die Berechnung der Koordinaten von Punkten in einem kartesischen Koordinatensystem verstanden. Gegeben sind jeweils Ausgangspunkte mit ihren Koordinaten und Bestimmungsstücke zu unbekannten Neupunkten. Diese Bestimmungsstücke werden normalerweise von Messdaten, die in der Natur gewonnen wurden, abgeleitet.

Als Bezugssystem wird das jeweilige Koordinatensystem der Rechenebene (zum Beispiel Gauß-Krüger-Koordinatensystem oder UTM-Koordinatensystem) oder ein kartesisches räumliches Koordinatensystem verwendet. Die Koordinaten werden entweder als rechtwinkelige Koordinaten (x, y, z) oder als relative Polarkoordinaten in der Ebene (Entfernung und Richtungswinkel zwischen 2 Punkten) oder als relative Kugelkoordinaten im Raum (räumliche Entfernung, Richtung und Höhen- oder Zenitwinkel).

Für die Berechnungen werden vor allem die Formelsysteme der Trigonometrie und der analytischen Geometrie verwendet. Für geometrische Interpretationen können die geometrischen Örter herangezogen werden.

Inhaltsverzeichnis

Lagebestimmung

Erste Hauptaufgabe

gegeben:

Zwei koordinatenmäßig bekannte Punkte A(X|Y)und B(X|Y).

gesucht:

Der Richtungswinkel t von A nach B sowie die Strecke zwischen den Punkten.

Lösung:

Auflösen eines rechtwinkligen Dreieckes.

Besonderheit:

Der Richtungswinkel zählt ausgehend von der Hochachse im Uhrzeigersinn. Dies weicht von der Zählweise in der Mathematik ab.

Berechnung siehe Orthodrome.

Zweite Hauptaufgabe

gegeben:

Der koordinatenmäßig bekannte Punkte A sowie Richtungswinkel und Strecke zum Punkt B.

gesucht:

Die Koordinatendifferenz zum Punkt B.

Lösung:

Auflösen eines rechtwinkligen Dreieckes.

Besonderheit:

Umkehraufgabe zur Ersten geodätischen Hauptaufgabe.

Polares Anhängen

gegeben:

Der koordinatenmäßig bekannte Punkt A.

gemessen:

Die Horizontalrichtung zu einem Anschlusspunkt F und die Horizontalrichtung sowie die Strecke zum Neupunkt N.

gesucht:

Koordinaten des Neupuktes N.

Lösung:

Berechnen des Richtungswinkels von A nach F über die gemessenen Horizontalrichtungen und dem Richtungswinkel von A nach F.

Über den Richtungswinkels von A nach F und der gemessenen Strecke die Koordinatendifferenz berechnen (Zweite Hauptaufgabe).

Koordinaten von F aus Koordinaten von A und den Koordinatendifferenz berechnen.

Geradenschnitt

gegeben:

Die koordinatenmäßig bekannten Punkte P1 = (x1,y1) und P2 = (x2,y2) der Geraden \overline{12} sowie P3 = (x3,y3) und P4 = (x4,y4) der Geraden \overline{34}.

gesucht:

Die Koordinaten des Neupunktes PS = (xS,yS) als Schnittpunkt beider Geraden.

Lösung:

a) Berechnung des Hilfswertes d:

d = \frac{(y_4-y_3)(x_1-x_4)-(y_1-y_4)(x_4-x_3)}{(y_2-y_1)(x_4-x_3)-(y_4-y_3)(x_2-x_1)}


b) Berechnung der Koordinaten des Schnittpunktes:

Es können zwei Fälle in Abhängigkeit von d auftreten:

  • d = 0 Keine Lösung. Die Geraden verlaufen parallel zueinander.
  • d\neq0 Der Neupunkt PS liegt im Schnittpunkt der beiden Geraden und berechnet sich wie folgt

xs = x1 + d(x2x1)

ys = y1 + d(y2y1)

Sonderfälle:

Betrachtung von Parallelen zu einer gegebenen Geraden oder zu beiden gegeben Geraden.

Lotfußpunkt

gegeben:

Die koordinatenmäßig bekannten Punkte A und B der Geraden AB und der Punkt C.

gesucht:

Die Koordinaten des Neupunktes N.

Lösung:

Der Neupunkt N liegt im Lotfußpunkt des Punktes C auf der Geraden AB. Die Winkel ANC und BNC sind rechte Winkel.

Sonderfall:

Der Punkt C liegt bereits auf der Geraden AB. In diesem Fall sind Lotfußpunkt und Punkt C identisch.

Bogenschlag oder Bogenschnitt

gegeben:

Die koordinatenmäßig bekannten Punkte A und B.

gemessen:

Die Strecke von A zum Neupunkt N sowie die Strecke von B zum Neupunkt N.

gesucht:

Die Koordinaten des Neupunktes N.

Lösung:

Durch die Festpunktkoordinaten A und B und die gemessenen Strecken sind zwei Kreise festgelegt. Der Schnitt dieser beiden Kreise liefert die gesuchte Position von N.

Es können drei Fälle auftreten:

a) Keine Lösung, das sich die Kreise nicht schneiden. Diese Konstellation liegt vor, wenn die Summe der gemessenen Strecken kleiner als der Abstand zwischen A und B ist oder von ein Kreis vollständig im anderen liegt. Dieser Lösungsfall kann in der Praxis nur bei groben Messfehler bzw. Irrtümer vorkommen.

b) Eine Lösung, wenn sich beide Kreise nur berühren. Die Summe oder Differenz der gemessenen Strecken entspricht exakt dem Abstand zwischen A und B. In der Praxis ist dieser Fall kaum realisierbar.

c) Zwei Lösungen, wenn sich beide Kreise an zwei Punkten schneiden. In der Regel ist dies der Normalfall. Die gesuchte, eindeutige Lösung, ist durch die Messanordnung gegeben. Die Nummerierung der Punkte A,B und N sollte immer so gewählt werden, dass die gesuchte Position von N rechts der Verbindung von A nach B liegt.

Vorwärtsschnitt

gegeben:

Zwei koordinatenmäßig bekannte Punkte A und B.

gemessen:

Auf den Standpunkten A und B die Richtungen zum jeweils anderen Standpunkt sowie die Richtungen zum Neupunkt N.

gesucht:

Die Koordinaten von N.

Lösung:

Berechnen des Richtungswinkels von A nach B (Erste Hauptaufgabe).

Orientieren der Richtungen anhand des Richtungswinkels von A nach B.

Jede orientierte Richtung von A bzw. B nach N beschreibt eine Gerade.

Geradenschnitt der beiden Geraden (A,N) und (B,N).

Rückwärtsschnitt

gegeben:

Drei koordinatenmäßige Festpunkte P1 = (x1,y1), P2 = (x2,y2) und P3 = (x3,y3).

gemessen:

Die Richtungen rN1,rN2 und rN3auf dem Neupunkt PN = (xN,yN) zu den Festpunkten P1,P2 und P3 (In dieser Reihenfolge, d.h.: rN1 < rN2 < rN3)

gesucht:

Die Koordinaten von PN.

Lösung:

Der Winkel zwischen der Richtung nach P2 und der Richtung nach P1 beschreibt zusammen mit der Entfernung zwischen P1 und P2 (Erste Hauptaufgabe) einen Kreis um PN. Ebenso beschreibt der Winkel zwischen der Richtung nach P3 und der Richtung nach P2 zusammen mit der Entfernung zwischen P2 und P3 (Erste Hauptaufgabe) einen Kreis um PN. Die gesuchte Position von PN ergibt sich aus dem Schnitt der beiden Kreise (Bogenschnitt).

Es existiert nur dann eine Lösung, wenn der Neupunkt nicht auf dem Kreis (gefährlicher Kreis) liegt, der durch die drei Festpunkte festgelegt wird.

a) Berechnung der Winkel α und β:

α = rN2rN1

β = rN3rN2


Bemerkung:

Es existieren eine Vielzahl von Rechenvorschriften zur Auflösung des Rückwärtschnittes. Die bekanntesten sind die Lösungen nach Cassini und nach Collins.

Höhenbestimmung

Turmhöhenbestimmung

Dreidimensionale Bestimmung

Polares Anhängen

Beim polaren Anhängen wird auf einem bekannten Punkt (X1,Y1) die Strecke und der Brechungswinkel zwischen einem weiteren bekannten Punkt (X2,Y2) und dem zu bestimmenden Neupunkt (Xn,Yn) gemessen. Mit Hilfe dieser Bestimmungsstücke können die Koordinaten des Neupunktes berechnet werden.

3D-Bogenschlag

Bei dieser Vermessungsmethode werden von 3 bekannten Punkten (X,Y,Z) ausschließlich die Strecken zu einem unbekannten Punkt gemessen. Mit Hilfe dieser Strecken kann die Koordinate des unbekannten Punktes berechnet werden. Hilfsweise wird der dreidimensionale Bogenschnitt auch am Modell dreier, sich schneidender Kugeln veranschaulicht.

3D-Vorwärtsschnitt

gegeben:

Zwei koordinatenmäßig bekannte Punkte A und B.

gemessen:

Von den Standpunkten A und B die Horizontalrichtungen und Zenitwinkel zu B bzw. A. Für jeden Neupunkt Pi Horizontalrichtung und der Zenitwinkel.

gesucht:

Dreidimensionale Koordinaten für jeden Neupunkt.

Lösung:

Schnitt zweier windschiefer Raumgeraden.

3D-Rückwärtsschnitt

Bemerkung:

Der dreidimensionale Rückwärtschnitt, bei dem drei Raumwinkel zu drei Festpunkten gemessen sind tritt in der Geodäsie und Photogrammetrie auf. Seine Lösung ist in geschlossener Form recht anspruchsvoll und mehrdeutig. Sie führt auf das Problem eines Schnittes von drei Tori.

Formbestimmung

Kreisbestimmung

egeben:

Drei koordinatenmäßig bekannte Punkte A, B und C.

gemessen:


gesucht:

Der Radius R und der Mittelpunkt M des Kreises, der durch die Punkte A, B und C eindeutig bestimmt ist

Lösung:

Siehe auch


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