Georg Michael Kerschensteiner

Georg Michael Kerschensteiner

Georg Kerschensteiner (Georg Michael Kerschensteiner; * 29. Juli 1854 in München; † 15. Januar 1932 München) war ein deutscher Pädagoge und Begründer der Arbeitsschule.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Kerschensteiners Eltern waren das verarmte Kaufmannsehepaar Anton und Katharina Kerschensteiner. Mit sechs Jahren besuchte er die Heiliggeist-Pfarrschule in München und wurde mit acht Jahren wegen Bandendiebstahls in Arrest genommen. 1866, im Alter von zwölf Jahren, folgten Präparandenschule und Königliches Lehrseminar, von 1871 bis 1873 die Arbeit als Dorfschulgehilfe in Forstinning und Lechhausen. 1874 verließ Kerschensteiner auf eigenen Wunsch den Schuldienst und nahm Privatunterricht, besucht die beiden letzten Klassen eines Gymnasiums und verdiente sich seinen Lebensunterhalt durch Musikunterricht. 1877 bis 1880 studierte er Mathematik an der Technischen Hochschule München, 1880 bis 1883 an der Ludwig-Maximilians-Universität mit abschließender Promotion (Über die Kriterien für die Singularitäten rationaler Kurven vierter Ordnung).

Seit 1883 war Kerschensteiner Gymnasialassistent für Mathematik und Physik am Melanchthon-Gymnasium in Nürnberg, ab 1885 Mathematiklehrer an der städtischen Handelsschule, ab 1890 Gymnasiallehrer für Mathematik und Physik am Gustav-Adolf-Gymnasium in Schweinfurt, von 1893 an am Ludwigsgymnasium München. Seit 1895 war er Stadtschulrat in München und beschäftigte sich mit der Reform des Volksschullehrplans. Es folgte 1900 die Einrichtung von Arbeitsunterricht und Arbeitsschulen, dem Vorläufer der heutigen Berufsschulen. Kurz darauf wurden die Arbeitsschulen mit Werkstätten ausgestattet und die Arbeitspädagogik etablierte sich als Begriff für Handlungsorientierung im Unterricht.

Von 1912 bis 1919 war Kerschensteiner Reichstagsabgeordneter für die Fortschrittliche Volkspartei (später Deutsche Demokratische Partei). Seit 1918 war er Honorarprofessor für Pädagogik an der Universität München und empfing im Alter zahlreiche Ehrungen und Rufe aus dem In- und Ausland. Er war 1920 Teilnehmer der Reichsschulkonferenz und dort Kontrahent von Hugo Gaudig, besonders im Streit um die richtige Ausrichtung der Arbeitspädagogik. 1921 wurde Georg Kerschensteiner neben Oskar von Miller Mitglied im Museumsvorstand des Deutschen Museums. Sein Ansatz einer besucherorientierten Vermittlungsarbeit mit zahlreichen (Funktions-)Modellen kann als wegweisend für die moderne Museumspädagogik gelten. Die Forschungseinrichtung zur Durchführung von Fachseminaren und Fortbildungen am Deutschen Museum heißt ihm zu Ehren Kerschensteiner Kolleg. Die Stadt München verleiht seit 1995 die Kerschensteiner-Medaille an Persönlichkeiten, die sich um die Pädagogik besonders verdient gemacht haben. 1956 wurde die Kerschensteinergasse in Wien nach dem Pädagogen benannt.

Anliegen

Sein pädagogischer Ansatz betont das unterrichtliche Prinzip der Selbsttätigkeit, der Spontaneität und des manuellen Tuns. Arbeit als pädagogischer Begriff stellt für ihn ein Korrektiv der geisteswissenschaftlichen Pädagogik (Wilhelm Dilthey) dar. Er richtete (neben der Einführung von Physik- und Chemieunterricht) Holz- und Metallwerkstätten, Schulküchen und Schulgärten ein. Nach seiner Aussage müsse pädagogische Arbeit manuell, praktisch und geistig zugleich geprägt sein. Als Befürworter der Eigenbewertung schulischer Leistungen regt er an, dass jeder Schüler für sich selbst ein Urteil finden müsse. Seine Zielvorstellung lag in Bildung, die er zugleich als Charakterbildung und Erziehung zum Staatsbürger verstand, diese kann nach seiner Auffassung auch durch Berufserziehung verwirklicht werden.

Weitere Ziele waren die Förderung der manuellen, nicht nur der intellektuellen Fähigkeiten und Förderung des naturwissenschaftlichen und des Kunstunterrichts.

Schüler sollen eigentätig lernen, nicht nur vorgetragen bekommen. Schüler sollen anschaulich lernen, möglichst am lebendigen Objekt, wofür der enzyklopädische Lehrstoff eingeschränkt werden muss.

Schriften

  • Die staatsbürgerliche Erziehung der deutschen Jugend. 1901
  • Grundfragen der Schulorganisation. 1907
  • Begriff der Arbeitsschule. 1912; Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2002, ISBN 3-534-15195-X
  • Charakterbegriff und Charaktererziehung. 1912
  • Wesen und Wert des naturwissenschaftlichen Unterrichts. 1914
  • Das Grundaxiom des Bildungsprozesses und seine Folgerungen für die Schulorganisation. 1917; Dieck, Heinsberg 1999, ISBN 3-88852-406-7
  • Die Seele des Erziehers und das Problem der Lehrerbildung. 1921
  • Autorität und Freiheit als Bildungsgrundsätze. 1924
  • Theorie der Bildung. 1926
  • Pädagogik der Gegenwart in Selbstdarstellung, 1. 1926
  • Texte zum pädagogischen Begriff der Arbeit und zur Arbeitsschule. Schöningh, Paderborn 1982, ISBN 3-506-78327-0

Literatur

  • Gabriele Fernau-Kerschensteiner: Georg Kerschensteiner oder Die Revolution der Bildung. Steinebach, München/Düsseldorf 1954
  • Johannes Jung: Georg Kerschensteiner (1854-1932) und die Arbeitsschulbewegung. In: Astrid Kaiser & Detlef Pech (Hrsg.): Geschichte und historische Konzeptionen des Sachunterrichts. Schneider-Verlag Hohengehren, Baltmannsweiler 2004, ISBN 3-89676-860-3, S. 102-105
  • Marie Kerschensteiner: Georg Kerschensteiner. Der Lebensweg eines Schulreformers. Oldenbourg, München/Berlin 1939; 3. erweiterte Auflage ebd. 1954
  • Michael Knoll: Dewey versus Kerschensteiner. Der Streit um die Einführung der Fortbildungsschule in den USA, 1910-1917. In: Pädagogische Rundschau. 47 (1993), S. 131-145.
  • Susanne May, Elisabeth Tworek & Willibald Karl (Hrsg.): München machte Schule. Georg Kerschensteiner. Symposium zum 150. Geburtstag des Münchner Reformpädagogen. Dokumentation der Münchner Volkshochschule. Allitera-Verlag, München 2005, ISBN 3-86520-097-4 (Leseprobe als PDF)
  • Ingo Nickel: Von Kerschensteiner bis zur Lernwerkstatt. Theorie und Praxis einer ganzheitlichen Berufsorientierung. Mit Modellbeispielen. Schneider-Verlag Hohengehren, Baltmannsweiler 2005, ISBN 3-89676-981-2
  • Gerhard Wehle: Bibliographie Georg Kerschensteiner. Im Druck erschienene Schriften, Reden und nachgelassene Manuskripte. Westdeutscher Verlag, Opladen 1987, ISBN 3-531-03213-5
  • Ludwig Englert: Kerschensteiner, Georg. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 11, Duncker & Humblot, Berlin 1977, S. 534–536.
  • Ulrich Hemel: Kerschensteiner, Georg. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL). Band 3, Herzberg 1992, ISBN 3-88309-035-2, Sp. 1407–1412.

Weblinks


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