Georges Pérec

Georges Pérec

Georges Perec (* 7. März 1936 in Paris; † 3. März 1982 in Ivry-sur-Seine) war ein französischer Schriftsteller und Filmemacher. Er war Mitglied der Oulipo-Gruppe und wird zu den wichtigsten Vertretern der französischen Nachkriegsliteratur gezählt.

Georges Perec

Inhaltsverzeichnis

Leben

Perecs Kinderzeit war geprägt durch die deutsche Besetzung Frankreichs.

Georges Perec wurde im XIX. Arrondissement, einem Pariser Arbeiterviertel, als einziger Sohn von Icek und Cyrla (Szulewicz) Peretz geboren, polnischen Juden, die in den Zwanzigerjahren nach Frankreich ausgewandert waren. Zu Beginn des Zweiten Weltkriegs trat Perecs Vater in die französische Armee ein; 1940 fiel er. Seine Mutter, die 1943 verschleppt wurde, kam vermutlich in Auschwitz ums Leben. Georges wurde 1942 von seinem Onkel und seiner Tante aufgenommen, die ihn 1945 adoptierten.

1949 begann er eine Psychotherapie bei Françoise Dolto. Dank seines Philosophielehrers Jean Duvignaud konnte er schon während seines frühzeitig abgebrochenen Studiums der Geschichte und Soziologie Artikel und Berichte bei so angesehenen literarischen Zeitschriften wie der "Nouvelle Revue Francaise" und "Les Lettres Nouvelles" platzieren. [1]

1958-59 absolvierte Perec in Pau bei den Fallschirmjägern seinen Militärdienst. Nach seiner Entlassung heiratete er Paulette Petras. Sie lebten zusammen ein Jahr (1960-61) in Sfax (Tunesien), wo Paulette als Lehrerin arbeitete.

Ab 1961 war Perec als Archivar des Neurophysiologischen Laboratoriums beim Krankenhaus Saint-Antoine beschäftigt, eine schlecht bezahlte Stelle, die er aber bis 1978 beibehielt. Er arbeitete ebenfalls für das CNRS.

1965 erhielt sein Erstling "Les choses", dt. Die Dinge, den renommierten Prix Renaudot.

Es bleibt dahingestellt, ob sich das tägliche Hantieren mit Aufzeichnungen und abgeänderten Datensätzen auf Perecs Schreibweise ausgewirkt hat; außer Zweifel steht jedoch seine Beeinflussung durch die von Raymond Queneau ins Leben gerufene Gruppe Oulipo, der er ab 1967 angehörte. Es handelt sich dabei um einen Kreis von Autoren, die ihre Werke formalen Zwängen unterwerfen, wie zum Beispiel den Verzicht auf bestimmte Buchstaben (siehe Lipogramm). Perecs Hauptwerk "La Vie mode d'emploi", dt. Das Leben Gebrauchsanweisung, ist Queneau gewidmet.

Perec arbeitete in den späten 60ern an einer Reihe von Hörspielen, zusammen mit dem Musiker Philippe Drogoz. Später begann er, Filme zu drehen. Sein erster Film, basierend auf seinem Roman "Un Homme qui dort", gewann 1974 den Prix Jean Vigo.

"La Vie mode d'emploi" brachte 1978 den erhofften finanziellen Erfolg und erlaubte es ihm, sich ganz seiner Schriftstellerei zu widmen. Das Werk gewann den Prix Médicis. Perec arbeitete 1981 an der University of Queensland in Australien. Dort begann er sein letztes, unvollendet gebliebenes, Werk "53 Jours" (53 Tage).

Nach seiner Rückkehr aus Australien verschlechterte sich sein Gesundheitszustand. Wenige Tage vor seinem 46. Geburtstag, 1982, verstarb Georges Perec an Lungenkrebs.

Werke

Perecs Werke sind gespickt mit Wortspielen und voller Listen.

Zu seinen zentralen Werken zählt Das Leben Gebrauchsanweisung, in dem das Leben in einem Pariser Mietshaus beschrieben wird. Dabei springt Perec wie das Pferd auf einem Schachbrett systematisch von Wohnung zu Wohnung, beziehungsweise von Zimmer zu Zimmer, wodurch ein riesiges Panorama von Geschichten und Begegnungen eröffnet wird. Im Mittelpunkt steht die Geschichte eines Mannes, der Aquarelle malt, diese von einem Puzzlehersteller in Puzzles zerlegen lässt, um sie u.a. wiederum zusammenzubauen, wobei die Idee des Puzzle auch programmatisch für das Bauprinzip des Romans steht.

Ein weiteres Hauptwerk ist W oder Die Kindheitserinnerung (W ou le souvenir d'enfance).

Weiterhin ist die Frage der Intertextualität in der Literatur für Perec von großer Bedeutung. In Die Winterreise (Le voyage d'hiver) geht es um ein Buch aus dem 19. Jahrhundert, aus welchem alle großen Autoren der Weltliteratur zitieren, ohne ihre Quelle zu nennen.

Perec verfasste ein Palindrom in Form eines Briefes an EDNA D'NILU mit mehr als 1300 Wörtern. Der Brief ist von der Anschrift bis hin zur Unterschrift vollständig rückwärts lesbar.

In Deutschland ist Georges Perec auch für seine Hörspiele bekannt.

  • Les Choses. Une histoire des années soixante (Julliard, collection Les Lettres nouvelles, 1965), Prix Renaudot
  • Quel petit vélo à guidon chromé au fond de la cour ? (Denoël, 1966)
  • Un Homme qui dort (Denoël, 1967), wurde in den 70ern von Perec selbst verfilmt und gewann 1974 den Prix Jean Vigo
  • La disparition (Denoël, 1969) - dt. Titel: Anton Voyls Fortgang hierbei verzichtete Perec auf den Buchstaben E. Diese oulipotische Beschränkung wurde in der deutschen Übersetzung Anton Voyls Fortgang von Eugen Helmlé, der selbst einige Lipogramme verfasst hat, beibehalten (wobei dem Setzer der Rowohlt Lizenzausgabe bereits auf der ersten Seite ein Fehler unterlaufen ist, der sich in der deutschen Originalausgabe bei Zweitausendeins nicht findet!). Das E ist sowohl im französischen als auch im deutschen der häufigste Vokal.
  • Petit traité invitant à la découverte de l'art subtil du go (Christian Bourgois, 1969) (in Zusammenarbeit mit Pierre Lusson und Jacques Roubaud)
  • Tagstimmen 1971 (zusammen mit Eugen Hemlé und Philippe Drogoz)
  • Les Revenentes (Julliard, 1972), ein Roman in dem das "e" der einzige benutzte Vokal ist(Schon der Titel zeigt dies, denn eigentlich müsste es "Revenantes" heißen)
  • Die Maschine (Stuttgart: Reclam, 1972) (entstanden in Zusammenarbeit mit Perecs deutschem Übersetzer Eugen Helmlé; der Text liegt nur in deutscher Sprache vor)
  • Oulipo. Créations, Re-créations, récréations (Gallimard, collection Collection Idées-Gallimard|Idées, 1972) (mit Raymond Queneau, Paul Fournel und den Mitgliedern des Oulipo)
  • La Boutique obscure. 124 rêves (Denoël, 1973)
  • Espèces d'espaces (Galilée, 1974)
  • Ulcérations (Bibliothèque oulipienne, 1974)
  • W ou le souvenir d'enfance (Denoël, 1975) Deutsch in 2 versch. Übersetzungen: Thorgerd Schücker (zuerst 1978) und Eugen Helmlé (1982); Meisterwerk des (auto-)biografischen Romans, der Autor beschreibt sein eigenes Leben und gleichzeitig das Leben in den nationalsozialistischen Konzentrations- und Vernichtungslagern
  • Tentative d'epuisement d'un Lieu parisien (Paris, Christian Bourgois, 1975)
  • Alphabets. Cent soixante-seize onzains hétérogrammatiques, (Galilée, 1976) (illustriert von Dado).
  • Je me souviens. Les choses communes I, (Hachette, collection P.O.L., 1978)
  • La Vie mode d'emploi. Romans (Hachette, 1978), Prix Médicis
  • Les mots croisés, précédés de considérations de l'auteur sur l'art et la manière de croiser les mots (Mazarine, 1979)
  • Un Cabinet d'amateur. Histoire d'un tableau (Balland, 1979)
  • La Clôture et autres poèmes (Hachette, 1980)
  • Récits d'Ellis Island. Histoires d'errance et d'espoir (I.N.A.|INA/Éditions du Sorbier, 1980) (in Zusammenarbeit mit Robert Bober)
  • Théâtre I (Hachette, 1981)

postum:

  • Ephitalames (Bibliotheque oulipienne, 1982)
  • Catherine Binets Les Jeux de la Comtesse Dolingen de Gratz (1980-1982)
  • Penser Classer (Paris: Hachette, 1985)
  • Les mots croisés II (P.O.L.-Mazarine, 1986)
  • 53 Jours unvollendeter Roman (Harry Mathews, Jacques Roubaud ed.) (Paris: Seuil, 1989)
  • L'infra-ordinaire (Paris: Seuil, 1989)
  • Vœux (Paris, Seuil, 1989)
  • Cantatrix sopranica L. et autres écrits scientifiques (Paris, Seuil, 1991)
  • L.G.: Une aventure des années soixante (Paris, Seuil, 1992)
  • Le Voyage d'hiver (Paris, Seuil, 1993)
  • Beaux présents beles absentes (Paris, Seuil, 1994)
  • Jeux intéressants (Zulma, 1999)
  • Nouveaux jeux intéressantes (Zulma, 1999)
  • Entretiens et conférences in 2 Bänden (Joseph K., 2003)

Filme

  • Ellis Island, TV-Film mit Robert Bober
  • 1973: Ein Mann, der schläft (Un homme qui dort)
  • 1975: Les lieux d'une fugue
  • 1979: Rückkehr zur Geliebten (Le retour à la bien-aimée)
  • 1979: Série noire

Quellen

  1. Jacques Leenhardt, Nachwort Les Choses, Taschenbuchausgabe, Paris 1981

Literatur

  • Renate Overbeck: Perec. Das Leben - Gebrauchsanweisung. Sonnenberg, Annweiler 2002, ISBN 978-3-933264-22-0, (Exemplarische Reihe Literatur und Philosophie Bd. 13, 108 Seiten).
  • Ritte, Jürgen: Das Sprachspiel der Moderne. Eine Studie zur Literaturästhetik Georges Perecs Janus, Köln 1992
  • dsb.: Portrait des Künstlers als Puzzlespieler. Über Georges Perec. In: Schreibheft. Zeitschrift für Literatur. Heft 26, 1985. S. 97 ff.
  • Kritisches Lexikon der fremdsprachigen Gegenwartsliteratur KLfG, Artikel von Eugen Helmlé und Eric Beaumatin. München: Edition text und kritik (fortlaufend)
  • Timo Obergöker: Écritures du non-lieu. Topographies d'une impossible quête identitaire: Romain Gary, Patrick Modiano et Georges Perec Französisch. Lang, Frankfurt 2004 ISBN 363152613x (Beschreibung auf den Verlagsseiten)
  • Judith Kasper: Sprachen des Vergessens: Proust, Perec und Barthes zwischen Verlust und Eingedenken Fink, München 2003 ISBN 3-7705-3817-X
  • Susanne Düwell: Fiktion aus dem Wirklichen. Strategien autobiographischen Erzählens im Kontext der Shoah Bielefeld: Aisthesis 2004 ISBN 3895284378 (über: Raymond Federman; Danilo Kis Basta, pepeo; Georges Perec: W ou le souvenir d'enfance; Hanna Krall: Sublokatorka; Georges-Arthur Goldschmidt: Die Absonderung)
  • Muriel Philibert: Kafka et Perec: clôture et lignes de fuite Fontenay-St. Cloud: Ecole normale supérieure, 1993, 2. Aufl. 1995 (Schriftenreihe: Cahiers de Fontenay: Hors collection, ISSN 0395-8418)
  • David Bellos: Georges Perec: A Life in Words
  • Bernard Magné: Tentative d'inventaire pas trop approximatif des écrits de Georges Perec Presses Universitaires du Mirail, Toulouse 1993
  • Paul Schwartz: Georges Perec: Traces of his Passage (1988)

Weblinks


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