Gerüst

Gerüst

Ein Gerüst ist eine vorübergehende, im Allgemeinen wieder verwendbare Hilfskonstruktion aus meist standardisierten Gerüstbauteilen aus Holz oder Metall, die als Arbeitsplattform, zur Schalung oder als Schutzeinrichtung verwendet wird.

Inhaltsverzeichnis

Verwendungszweck

Gerüst an der Ostfassade des Mainzer Domes

Ein Arbeitsgerüst dient dazu, Arbeiten an Bauwerksteilen auszuführen, die ansonsten nicht oder nur schwer zugänglich sind, wie z. B. Verputzarbeiten oder Arbeiten an der Dachrinne. Es muss ausreichend tragfähig sein, um die darauf Arbeitenden, ihr Arbeitsgerät sowie das erforderliche Arbeitsmaterial zu tragen. Ein Arbeitsgerüst, auf dem nur ein Spengler eine Dachrinne anzubringen hat, kann also in einer leichteren Art ausgeführt sein als ein Gerüst, von dem aus Natursteinarbeiten an der Fassade ausgeführt werden.

Fanggerüst

Ein Fanggerüst dient dazu, Arbeiten an schrägen Flächen wie zum Beispiel an Dächern abzusichern und zu verhindern, dass Personen und Gegenstände über die Traufkante hinweg tiefer nach unten abstürzen.

Schutzgerüste sind nicht dazu gedacht, um von dort aus Arbeiten am Bauwerk auszuführen, sondern um die Arbeiter und Passanten gegen Absturz zu sichern oder um diese vor herabfallenden Bauteilen zu schützen. Das Fanggerüst ist ein solches Schutzgerüst. Es sorgt für die Absturzsicherung bei ungesicherten Arbeitsflächen wie etwa bei noch nicht hochgezogenen Wänden. Das Dachfanggerüst ist erforderlich, um die auf dem Dach Arbeitenden vor einem tieferen Absturz zu sichern. Das Dachfanggerüst dient auch als Schutz der darunter befindlichen Personen gegen herabfallende Gegenstände. Bei Flächen, über denen für einen längeren Zeitraum Arbeiten ausgeführt werden, kann es erforderlich sein, Schutzdächer auf Gerüsten anzuordnen, um Passanten oder Arbeiter vor herabfallenden Gegenständen sicher zu schützen.

Schalungsgerüst für eine Gewölbebrücke

Ein Lehrgerüst ist eine Hilfskonstruktion, die zum Mauern von Bögen und Gewölben verwendet wird.

Im Betonbau kommen Schalungsgerüste zur Unterstützung der leeren Schalungsform zum Einsatz.

Tragsysteme

Hängegerüst am Kölner Dom

Gerüste werden auch unterschieden nach ihrem Tragsystem.

  • Bei einem Standgerüst sind die Belagteile an oder auf ein auf dem Boden fest stehenden Gerüstbauteil wie einer Holzstange, einer "Leiter" oder einem Rahmen befestigt. Dies ist das am häufigsten verwendete Tragsystem.
  • Ein Hängegerüst wird dann angewendet, wenn ein Standgerüst nicht gestellt werden kann. Dies ist häufig an Brücken oder ähnlichen Bauwerken der Fall. Die Abhängung wird entweder an einem eigenen brückenähnlichen Bauteil, an einem Ausleger oder an einer Konsole befestigt.
  • Bei einem Auslegergerüst (österr. Bezeichnung: Ausschussgerüst) werden Träger auf der Decke befestigt, auf die dann die Belagteile aufgelegt werden. Dabei ist zu beachten, dass die Wanddurchbrüche für die Träger erst nach der Demontage des Gerüstes geschlossen werden können.
  • Bei einem Konsolgerüst werden Konsolen an der Außenwand in einbetonierten Aufhängeschlaufen eingehängt, die nach der Demontage des Gerüsts entfernt werden müssen. Standgerüste brauchen hingegen nur wenige Befestigungspunkte (Verankerungen), die in Form von Dübeln - meist aus Nylon - oder Gewindehülsen auch in der Fassade belassen werden können.

Ausführungsart

Gerüst an der New Al Garhoud Bridge in Dubai
Gerüst an der Andreaskirche in Braunschweig.
  • Gerüste werden auch nach ihrer Ausführungsart unterschieden. Stangengerüste aus Holzstangen sind in Deutschland nicht mehr üblich. Bei dieser Ausführungsart wurden die Holzstangen mit Hanfseilen oder speziellen Gerüstketten verknüpft. Der Aufbau erfordert umfassendes Wissen und Können beim Binden der Verbindungsknoten, welches heute nur noch ältere spezialisierte Gerüstbauer haben, außerdem kostet er viel Zeit bei Auf- und Abbau. In weniger entwickelten Ländern sind sie jedoch noch häufig anzutreffen. Im asiatischen Raum werden Bambusgerüste zum Einrüsten von Hochhäusern auch heute noch verwendet, da sie bei seismischen Erschütterungen nicht gleich einstürzen.
  • In besonderen baulichen Situationen können jedoch Stangengerüstkonstruktionen, genauer gesagt Stahlrohr-Kupplungsgerüste, erforderlich sein, deren Verbindungsteile - sogenannte Gerüstkupplungen - jedoch aus Gussmaterial mit entsprechenden Schraubverbindungen bestehen.
  • Als Weiterentwicklung des Stangengerüstes Anfang der 1950er Jahre können die Leitergerüste gesehen werden, bei denen zwei in regelmäßigen Abständen gelochte halbrunde Holzstangen stockwerksweise mit je mindestens zwei Sprossen verbunden sind. Diese sogenannten Leitern sind meist drei Etagen (eine Etage entspricht zwei Meter) hoch. Auf die Sprossen wurden Gerüstbohlen lose aufgelegt und an den Gerüstleitern wurden Geländerbretter und Aussteifungsdiagonalen angeschraubt. Der Arbeitsaufwand gegenüber dem Verknoten war dadurch schon erheblich reduziert. Außerdem gab es beim Aufstellen der Leitergerüste wesentlich weniger Fehlerquellen, so dass diese Gerüstart bis zu Anfang der 1970er Jahre sicherer war. Der Einsatz von Holzleitergerüsten ist jedoch aus ergonomischen Gründen (sie sind schwer aufzustellen wegen des hohen Gewichts und des langen Hebelarms) und aus Gründen der Arbeitssicherheit ebenfalls eher historisch zu sehen. Die Benutzung war wegen der eingeschränkten Durchgangshöhe von weniger als 1,50 m und der geringen Breite von weniger als 60 cm unbequem und unzweckmäßig. Auf Grund der seit 27. September 2002 in Kraft getretenen und letztmalig am 13. Juli 2005 geänderten Betriebssicherheitsverordnung (resultierend aus dem Arbeitsschutzgesetz in Kraft getreten am 21. August 1996) einhergehend mit der erforderlichen Gefährdungsbeurteilung, kommt der Einsatz im gewerblichen Bereich nicht mehr in Frage.
  • Standgerüst
  • System-Rahmengerüst

Ein Gerüst, in dem einige oder alle Abmessungen durch Verbindungen oder durch fest an den Bauteilen angebrachte Verbindungsmittel vorbestimmt sind, nennt man Systemgerüst. Durch die Vorfertigung der Hersteller wird die Montagezeit erheblich reduziert. In Deutschland werden Systemrahmengerüste auch "Gerüste besonderer Bauart" genannt, deren statischer Nachweis durch Berechnungen und Versuche der Hersteller erbracht werden muss. Nach der Prüfung durch das Deutsche Institut für Bautechnik wird dann eine befristete "Allgemeine bauaufsichtliche Zulassung" erteilt. Eingesetzt wird das Systemrahmengerüst überwiegend als Arbeits- und Schutzgerüst für die sichere Bearbeitung von Fassaden oder als Schutzgerüst, das den Absturz von Personen oder Material verhindert. Die Einteilung erfolgt in sechs Lastklassen und sieben Breitenklassen. Je nach durchzuführender Arbeit wählt der Auftraggeber die entsprechende Lastklasse und Breitenklasse aus.

  • Raumgerüst
  • System-Modulgerüst

Modulgerüste sind Gerüste, bei denen an den Ständern in regelmäßigen Abständen (meistens 50 cm) vorgefertigte Knotenpunkte angebracht (angeschweißt) sind. Diese dienen zum Befestigen anderer Gerüstbauteile wie Riegel, Diagonalen, Konsolen oder anderer herstellerspezifischer Bauteile. Modulgerüste sind die wirtschaftliche und Montagezeit sparende Weiterentwicklung der Stahlrohr-Kupplungsgerüste. Eingesetzt werden sie überwiegend als Flächen- oder Raumgerüst, z.B. in der Industrie als Arbeits- und Schutzgerüst. Sie werden ebenfalls in sechs Lastklassen eingeteilt.

  • Hängegerüst
  • Fahrbare Gerüste

Teile des Gerüstes

Standgerüst am Norderneyer Leuchtturm
Gerüst aus Bambusstangen
Aufbau des Gerüstes für einen künstlichen Weihnachtsbaum in Dortmund.

Gerüste bestehen aus wenigen Einzelteilen.

Die senkrechten Rahmen stehen auf Füßen, die durch eine Spindel höhenverstellbar sind, so dass Unebenheiten des Untergrundes ausgeglichen werden können. Auf einen Rahmen kann oben ein weiterer Rahmen aufgesteckt werden. Auf die Rahmen werden Böden oder Gerüstmatten gelegt, die die Etagen des Gerüstes bilden. Moderne Systemgerüste klemmen die Böden zwischen den beiden Rahmen so ein, dass sie nicht aus Versehen oder durch Windsog herausgehoben werden können. Für einen reibungslosen Auf- und Abbau ist es wichtig, dass alle Rahmen genau senkrecht stehen und alle Gerüstböden waagerecht liegen. Den Auf- und Abstieg zwischen den Etagen ermöglichen die Leitergänge, die heute in der Regel aus speziellen Gerüstböden mit eingearbeiteter Klappe und festmontierter, hochklappbarer Leiter bestehen.

Die Rahmen leiten die Lasten in den Baugrund ab, die Gerüstböden verhindern, dass einzelne Rahmen umfallen und versteifen das Gerüst horizontal. An der Außenseite des Gerüstes werden diagonal verlaufende Streben angebracht, die verhindern, dass das ganze Gerüst in Längsrichtung umfallen kann. Damit es nicht in Querrichtung umfällt, wird das Gerüst in der Regel durch Ösenschrauben in speziellen Gerüstdübeln am Gebäude verankert. Grundsätzlich ist für jedes Gerüst - das keiner Regelausführung entspricht - ein Standsicherheitsnachweis (Statik) erforderlich. Bei Systemgerüsten kann er unter der Voraussetzung des bestimmungsgemäßen Gebrauchs durch die Typenzulassung ersetzt werden.

Die Vertikalrohre der Rahmen sind mit Befestigungsmöglichkeiten ausgestattet, an denen in zwei Ebenen Geländer eingehängt werden. Unten muss außerdem ein Bordbrett zwischen die Stützen geklemmt werden, damit man nicht beim Ausrutschen unter den Geländern hindurchgleiten kann und damit kein Material nach unten fallen kann. Auch die Schmal- oder Stirnseiten werden durch Geländer und Stirnbordbretter gesichert. Man spricht hier auch von einem dreiteiligen Seitenschutz.

Um das Gerüst den Konturen eines Gebäudes (z. B. auskragende Gesimse) anzupassen, können an die Stützen Konsolen geschraubt werden, in die weitere Belagbohlen eingehängt werden können. Größere Abstände, z.B. für Einfahrten, können durch den Einbau von Gitterträgern überbrückt werden, an denen die untersten Rahmen mit Kupplungen befestigt werden.

Große Gerüste werden mit Kletteraufzügen zum Material- und Personentransport ausgestattet.

Aufzüge für den Materialtransport werden erst ab einer Gerüsthöhe von 14 m und einer Gerüstbreite von 10 m vorgeschrieben, sind aber auch schon in geringeren Höhen wirtschaftlich und ergonomisch sinnvoll.

Bei den Aufzügen unterscheidet man:

  • Der Bauaufzug ist in der Regel nur für Materialtransporte zugelassen. Es gibt allerdings auch für den Transport von Personen zugelassene Bauaufzüge. Hier gelten dann wesentlich strengere Vorschriften und geringere Hubgeschwindigkeiten.
  • Die Transportbühne ist ausschließlich für den Materialtransport sowie zur Montagefahrt beim Aufstellen der Bühne zugelassen.
  • Die mastgeführte Kletterarbeitsbühne ist für den Materialtransport sowie für den Personentransport zugelassen.

Die jeweiligen Ankerraster sind der Aufbau- und Verwendungsanleitung (die an jedem der verschiedenen Hebemittel aushängen müssen) zu entnehmen. Darin sind auch die Tragfähigkeit und die Aufstellbedingungen zu finden.

Vorschriften

Europaweit gelten für Arbeitsgerüste die Euronormen EN 12810 bzw. EN 12811 mit ihren Teilen. In Deutschland unterscheidet man in der Normung zwischen Arbeits- und Schutzgerüsten. Deshalb gibt es auch in Deutschland für Schutzgerüste eine eigene sogenannte "Restnorm" DIN 4420-3-2006-01 mit ausgewählten Gerüstbauarten und ihren Regelausführungen. Für Traggerüste hingegen gelten europaweit EN 12812:2004 und EN 12813:2004. Fahrgerüste (Rollgerüste) werden von DIN 4422-1 bzw. HD 1004:1992 geregelt. Weitere DIN-Normen und Euronormen regeln die Anforderungen an einzelne Gerüstteile. DIN 18451 VOB/C Allgemeine Technische Vertragsbedingungen für Bauleistungen. Gerüstarbeiten. bildet meistens die Grundlage für Ausführung und Abrechnung. Außerdem sind die Arbeitsschutzvorschriften zu beachten.

Gerüstbauvertrag

Der Gerüstbauvertrag besteht aus den Elementen des Aufbaus, der Vorhaltung und des Abbaus. Er hat die Besonderheit, dass das "Werk" nicht in das Eigentum des Bestellers übergeht. Während der Auf- und Abbau des Gerüsts als Werkvertrag zu qualifizieren ist, erfüllt das Vorhalten des Gerüsts die Kriterien des Mietvertrages. Wegen dieser Zwitterstellung ist strittig, welche Rechtsvorschriften auf den Gerüstbauvertrag anzuwenden sind.

Hersteller von Systemgerüsten

Bekannte Hersteller von Systemgerüsten sind Layher, Harsco (ehemals Hünnebeck) oder PERI.

Weitere Begriffe zum Thema Gerüst

Im übertragenen Sinne bezeichnet Gerüst aber auch einen Plan, Entwurf oder Aufbau, der eine Ausführung grundlegend vorbereitet (Gedankengerüst, Gerüst für den Roman etc.).

Allgemein bezeichnet man als Gerüst auch eine Kletterhilfe, die das Erreichen gewisser Höhen ermöglichen soll. Es gibt dabei Spielgerüste und solche zum Bau.

Literatur

  • Burkard Lotz: Der Gerüstbauvertrag und die gesetzlichen Sicherheiten, BauR 2000, 1806 ff.

Siehe auch

Weblinks


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