Giftgasangriff auf Halabdscha

Giftgasangriff auf Halabdscha
Opfer des Giftgasangriffs

Der Giftgasangriff auf Halabdscha war ein Angriff auf die hauptsächlich von Kurden bewohnte irakische Stadt Halabdscha (kurd. Helepçe). Der Angriff fand am 16. und 17. März 1988 statt – am Ende des Ersten Golfkriegs des Irak gegen den Iran.

Inhaltsverzeichnis

Das Massaker

Bei dem Angriff fanden nach unterschiedlichen Schätzungen bis zu 5.000 Menschen einen qualvollen Tod. Die meisten von ihnen waren Kinder, Frauen und alte Männer. Zwischen 7.000 und 10.000 Menschen wurden bei dem Massaker so schwer verletzt, dass sie später starben oder dauerhafte Gesundheitsschäden wie Nervenlähmungen, Hautkrankheiten, Tumorbildungen, Lungenschäden sowie Fehlgeburten erlitten.

Das Massaker wurde nur zufällig bekannt, weil westliche Journalisten und Wissenschaftler kurz nach der Bombardierung in die Region kamen und so die Folgen des Angriffs dokumentieren konnten. So bekam der vergleichbare Giftgasangriff auf die iranische Stadt Sardasht, welcher zeitlich vor dem Angriff auf Halabdscha stattfand, erst als Folge der Aufdeckung des Giftgasangriffs auf Halabdscha ein Medienecho.

Die Art der eingesetzten Kampfstoffe konnte nicht abschließend ermittelt werden. Es wird vermutet, dass unter anderem die Nervenkampfstoffe Tabun und Sarin zum Einsatz gekommen sind. Ebenso wurde vermutlich Senfgas und ein Kampfstoff auf Zyanidbasis eingesetzt. Der mutmaßliche Einsatz von VX konnte nicht zweifelsfrei nachgewiesen werden.

Schuldfrage

Vorwürfe an den Iran

US-amerikanische Geheimdienstanalysen hatten zunächst den Iran für die Angriffe verantwortlich gemacht, später die Verluste bei der Zivilbevölkerung als Kollateralschaden in der militärischen Auseinandersetzung bezeichnet − eine Sichtweise, welche die US-amerikanische Regierung solange teilte, wie Saddam Hussein als Verbündeter der USA galt[1].

In einem Artikel der New York Times vom 31. Januar 2003[2] schrieb Stephen C. Pelletiere, ehemaliger Analyst des Irakisch-Iranischen Kriegs für die CIA, dass man im Nachhinein nicht eindeutig und mit Sicherheit einer Kriegspartei die Schuld am Massaker zuweisen kann. Er verweist darauf, dass die Kurden durch ein Giftgas auf Zyanidbasis umkamen, das zu dieser Zeit der Iran, nicht aber der Irak besaß.

Ali Hasan al-Madschid

„Leichenberg“ der kurdischen Opfer

Die Defense Intelligence Agency änderte ihre Position nach Beginn des Irak-Krieges jedoch, und so wurde der Vorfall immer wieder als „Beleg“ für die Gefahr irakischer Massenvernichtungswaffen herangezogen. Aufgrund der Augenzeugenberichte und der Analyse irakischer Dokumente gilt als sicher, dass die irakische Luftwaffe mit dem Angriff die Stadt treffen wollte, die als wichtiges Zentrum des kurdischen Widerstands in den Autonomiebestrebungen gegen die Zentralregierung in Bagdad galt und die kurz zuvor von iranischen Kräften und den pro-iranischen Peschmergas der Patriotischen Union Kurdistans erobert worden war. Der Angriff wurde mutmaßlich durch den irakischen General Ali Hasan al-Madschid, (auch Chemie-Ali genannt) angeordnet, er wird für die schlimmsten Gräueltaten verantwortlich gemacht. Er sagte, die Bewohner von Halabdscha seien dafür bestraft worden, dass sie das Eindringen iranischer Kräfte in dem damaligen Krieg mit dem Nachbarland nicht verhindert hätten.

Tarik Asis bezichtigt erneut den Iran

Ein Monument zum Gedenken an den Angriff

Das ehemalige „öffentliche Gesicht“ des Saddam-Hussein-Regimes in Bagdad, Tarik Asis, bis 2003 stellvertretender Premierminister des Irak, machte im März 2007 den Iran für den Gasangriff auf Halabdscha verantwortlich. „Die chemischen Waffen, die seinerzeit benutzt wurden und die den Tod tausender Menschen verursachten, wurden mit Zyanidgas und nicht Senfgas hergestellt. Der Iran hatte zu jener Zeit dieses Gas“, sagte Asis, der im März 2007 auf sein eigenes Gerichtsverfahren wartete, laut einem Bericht [3] des Fernsehsenders Al-Dschasira. Er erklärte demnach, zwei Papiere, die er im Internet gefunden haben will, als er noch im Amt gewesen sei, bewiesen diese Behauptung. Eines sei "ein Bericht eines dem US-Verteidigungsministerium angegliederten Instituts namens 'Seaman' gewesen, der 1989 veröffentlicht wurde". Das andere war Asis zufolge ein Artikel von Milton Viorst für das Magazin The New Yorker (besagter Beitrag war auf der Website des Magazins nicht aufzufinden). Bei einem Treffen der ehemaligen irakischen Führung und Vertretern von Kurden, darunter auch dem späteren irakischen Staatspräsidenten Dschalal Talabani im Jahr 1991, bei dem es "um die Entschädigung kurdischer Kriegsopfer" gegangen sein soll, sei die Tragödie von Halabdscha von keiner Seite erwähnt worden. - Als gesichert gilt, dass der Irak im Ersten Golfkrieg in erheblichem Umfang Giftgase gegen iranische Truppen eingesetzt hat. Irakischen Strafverfolgungsbehörden zufolge hat Tarik Asis eine Anklage wegen seiner Rolle bei der blutigen Niederschlagung des schiitisches Aufstands im Jahr 1991 zu gewärtigen.

Proteste 2006

Bei Gedenkfeierlichkeiten am 18. März 2006 protestierte eine Menge von kurdischen Jugendlichen vor dem Halabdscha-Monument gegen Korruption. Im Laufe des Protests drang die Menge in das Monument ein, verwüstete es und steckte es anschließend in Brand. Die regionale PUK-Regierung vermutet Islamisten hinter den Verwüstungen. Die Region Halabdscha wurde bis zum Irak-Angriff der USA im Jahre 2003 von der radikal-islamischen Terroristengruppe Ansar al-Islam kontrolliert.

Einzelnachweise

  1. * Kriegspropaganda oder zutreffende Information zum richtigen Zeitpunkt?
  2. Stephen C. Pelletiere: A War Crime Or an Act of War? Beitrag in der New York Times vom 31. Januar 2003.
  3. Aziz blames Iran for Kurd gassing (Aljazeera.net, 5. März 2007)

Weblinks

 Commons: Halabja chemical attack – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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