- Alexandre Koyré
-
Alexandre Koyré (russisch: Александр Владимирович Койранский; * 29. August 1892 in Taganrog am Asowschen Meer, Russland; † 28. April 1964 in Paris; eigentlich Alexander Wladimirowitsch Koirakskij) war ein französischer Philosoph und Wissenschaftshistoriker.
Inhaltsverzeichnis
Leben
Koyré war ein Russe jüdischer Abstammung. Sein Vater war ein wohlhabender Kaufmann und Öl-Investor. In Rostow am Don und später in Tiflis erhielt er eine klassische humanistische Ausbildung, wodurch ihm Altgriechisch, klassisches und mittelalterliches Latein vertraut wurden. Als Sechzehnjähriger ging er 1908 nach Göttingen, um Mathematik und Philosophie zu studieren. Zu seinen Lehrern gehörten dort Edmund Husserl und David Hilbert. 1911 ging er an die Sorbonne in Paris, wo er Vorlesungen von Henri Bergson, Victor Delbos, André Lalande und Léon Brunschvicg hörte, sowie eine Dissertation begann.
Noch als russischer Staatsbürger nahm er ab 1914 am Ersten Weltkrieg teil, zunächst in der französischen Armee, nach zwei Jahren in einem russischen Regiment Freiwilliger an der Südwestfront, bis diese nach der Oktoberrevolution zusammenbrach. Er kehrte 1919 nach Paris zurück, wo er Doris Rèybermann heiratete, die aus einer Emigrantenfamilie aus Odessa stammte.
1922 erwarb er mit einer Studie zur Gottesidee bei Descartes ein Diplom an der École Pratique des Hautes Études und damit zugleich die Lehrberechtigung an dieser Hochschule. 1923 schloss er auch seine Dissertation zur Gottesidee bei Anselm von Canterbury ab und wurde von der Sorbonne promoviert. 1929 habilitierte er sich mit einer großen Studie zu Jakob Böhme. Durch das Studium der mystischen Philosophie gelang Koyré zu einer genauen Kenntnis der Geschichte der Astronomie. 1934 publizierte er die erste kommentierte Übersetzung des Hauptwerks des Nicolaus Copernicus im Französischen. Ab Mitte der 1930er Jahre wandte sich Koyré unter dem Einfluss von Émile Meyerson von theologischen Studien ab und der Wissenschaftsgeschichte zu.
In den 30er Jahren war er Kollege von Alexandre Kojève, der ihn in seinen Hegelvorlesungen gelegentlich vertrat. 1940 erschienen die methodologisch bedeutsamen Études galiléennes. Koyré hatte sie während eines Lehrauftrags in Kairo verfasst, von wo aus er 1941 nach New York emigrierte. Dort gehörte er zum Mitbegründer der École Libre des Hautes Études. Er lehrte dann noch oft in den USA (u.a. Harvard, Yale, Chicago) und wurde 1956 Mitglied des Institute for Advanced Study in Princeton. 1958 gründete er das Centre de recherches d’histoire des sciences et des techniques in Paris (heute Centre A. Koyré).
Koyré wurde 1961 mit der George-Sarton-Medaille ausgezeichnet, dem Preis für Wissenschaftsgeschichte der von George Sarton und Lawrence Joseph Henderson gegründeten History of Science Society (HSS). Er arbeitete mit I. Bernard Cohen an einer kritischen Ausgabe von Newtons Principia, die 1972 erschien.
Wirkung
Thomas S. Kuhn nennt Koyrés Schriften als bedeutsam bei der Entstehung seines Hauptwerkes Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen.
Werke
- Bemerkungen zu den Zenonischen Paradoxen Niemeyer, Halle a. S. 1922
- L'idée de Dieu et les preuves de son existence chez Descartes, Paris 1922. Deutsche Übersetzung: Descartes und die Scholastik, Bonn 1923.
- L'idée de Dieu dans la philosophie de saint Anselme, Paris 1923.
- La philosophie de Jacob Boehme. Études sur les origines de la Métaphysique allemande, Paris: Vrin 1929, Neuausgabe 2002.
- La philosophie et le problème national en Russie au début du XIXe siècle, Paris 1929.
- Études galiléennes, Paris 1939.
- Entretiens sur Descartes, New York 1944. Neuausgabe: Paris: Gallimard 1991.
- The political Function of the modern Lie, in: Contemporary Jewish Record, Juni 1945
- Introduction à la lecture de Platon, New York 1945. Neuausgabe: Paris: Gallimard 1991. Englische Übersetzung: Discovering Plato, New York 1945.
- Mystiques, spirituels, alchimistes du XVIe siècle allemand, Paris 1955.
- From the Closed World to the Infinite Universe, Baltimore 1957. Deutsche Übersetzung: Von der geschlossenen Welt zum unendlichen Universum, Frankfurt am Main 1969, Taschenbuchausgabe: Frankfurt am Main: Suhrkamp 1980.
- La révolution astronomique : Copernic, Kepler, Borelli, Paris: Hermann 1961
- Newtonian Studies, herausgegeben von I. Bernard Cohen, Cambridge/Mass. 1965. Französische Ausgabe: Études newtoniennes, Paris: Gallimard 1968.
- Études d'histoire de la pensée philosophique, herausgegeben von René Taton. Paris 1966.
- Metaphysics and Measurement. Essays in Scientific Revolution, hg. M. A. Hoskin. London 1968.
- Réflexions sur le mensonge, Paris 1998.
- Leonardo, Galilei, Pascal. Die Anfänge der neuzeitlichen Naturwissenschaft, Frankfurt am Main. Fischer 1998.
Literatur
- Søren Gosvig Olesen: Wissen und Phänomen. Eine Untersuchung der ontologischen Klärung der Wissenschaften bei Edmund Husserl, Alexandre Koyré und Gaston Bachelard. Königshausen und Neumann, Würzburg 1997.
- Dauben, Scriba (Hrsg.) Writing the history of mathematics, Birkhäuser 2002
Bibliographie
- Jean-François Stoffel: Bibliographie d'Alexandre Koyré. L. S. Olschki, Firenze 2000.
Weblinks
Kategorien:- Philosoph (20. Jahrhundert)
- Phänomenologe
- Wissenschaftshistoriker
- Hochschullehrer (Paris)
- Hochschullehrer (Princeton)
- Hochschullehrer (Kairo)
- Franzose
- Geboren 1892
- Gestorben 1964
- Mann
Wikimedia Foundation.