Gorgias

Gorgias

Gorgias aus Leontinoi auf Sizilien (altgriechisch Γοργίας Gorgías; * etwa 480 v. Chr.; † 380 v. Chr.) gehört zu den Hauptvertretern der Sophistik.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Als Gelehrter und Redner zog er, wie bei den Sophisten seiner Zeit üblich, durch Griechenland. Es wird vermutet, dass er zu einer Gesandtschaft seiner Vaterstadt gehörte, die 427 v. Chr. mit der Aufgabe betraut war, Athen um Hilfe gegen die Übergriffe Syrakus' auf seine Heimatstadt zu bitten. Die Athener kamen dieser Bitte jedoch nicht nach. Er genoss hohes Ansehen, besonders in Athen, was sich daran zeigt, dass er einen Epitaphios auf athenische Kriegsgefallene schreiben durfte. Schließlich durfte er sogar eine goldene Statue seiner selbst im Heiligtum von Delphi errichten, was ein außergewöhnliches Vorrecht bedeutete. Dass Platon ihn zum Protagonisten des gleichnamigen Dialoges macht, belegt ebenfalls seine Bedeutung als einer der wichtigsten Sophisten. Er führte die in Sizilien entwickelte Rhetorik in Griechenland ein. Sein Landsmann Polos war einer seiner Begleiter und Schüler. Zu seinen zahlreichen Schülern gehörte auch Isokrates.

Werke und Lehre

Von Gorgias' zahlreichen Reden und Werken sind vor allem Fragmente erhalten. Vollständig sind noch zwei Muster- oder Prunkreden, der Lobpreis auf Helena und eine Verteidigungsrede für Palamedes erhalten, die an mythologischen „Fällen“ Gorgias' rhetorische Kunst vorführen und teilweise sogar theoretisch thematisieren. Dazu kommen zwei umfangreiche Referate seiner philosophischen (oder philosophie-parodistischen) Schrift Über das Nicht-Seiende, in der er beweist, dass

  1. nichts existiert
  2. selbst wenn etwas existierte, es nicht erkennbar wäre
  3. selbst wenn etwas erkennbar wäre, es nicht mitgeteilt werden könnte.

Die Bewertung dieser Schrift und ihrer großenteils haarspalterischen Beweise ist in der Forschung strittig, sie kann jedoch als Parodie auf das Lehrgedicht Über das Seiende des Parmenides betrachtet werden und hat zumindest als polemische Widerlegung eine kaum zu überschätzende philosophische Bedeutung. Jedoch gibt es Fehler in seiner Logik. Gorgias hat auch die Fehler einer Sprache dazu benutzt, einen Paradox zu kreieren.

Gorgias hat entscheidend zur Entwicklung einer rhetorischen Kunstprosa beigetragen, indem er, um die psychologische Wirkung der Rede zu erhöhen und auch für die Prosa in gewissen Grenzen eine poetische Ausdrucksweise forderte und die bewusste Anwendung bestimmter stililistischer Schmuckmittel („gorgianische Figuren“) verlangte.

Für die Kunstprosa stellte er formale Regeln auf:

  • Für Sätze, die sich entsprechen sollten, forderte er inhaltlich und formal gleichgebaute (d.h. gleiche Silbenzahl), im Umfang einander genau entsprechende parallele Satzglieder (Isokolie), die nach Möglichkeit in gegensätzlicher Beziehung (als Antithese) zueinander stehen.
  • Für den Schluss eines Satzes oder Abschnitts waren bestimmte Rhythmen, teilweise auch der Reim nötig. d.h. die den gleichen Lautausgang haben (Homoioteleuton).
  • Außerdem sollten die Satzschlüsse (als Klauseln) rhythmisch gestaltet werden.

Wie es bei den Sophisten üblich war, verwendete er paradoxe Wendungen und spitzfindige Argumente, um seine Meinung als wahrscheinlich und richtig hinzustellen. Mit dieser neuen Art der Rhetorik fand er bei seinen griechischen Zuhörern großen Anklang und wurde zu einem gefeierten Vorbild. Neben Prunk- und Festreden (u.a. die Leichenrede auf die im Pelopennesischen Krieg gefallenen Athener) verfasste er zu Unterrichtszwecken Musterdeklamationen.

Ausgaben und Übersetzungen

  • Reden, Fragmente und Testimonien. Griechisch-deutsch, herausgegeben und übersetzt von Thomas Buchheim. Meiner, Hamburg 1989, ISBN 978-3-7873-0740-1 (maßgebliche Ausgabe mit wichtiger Einleitung und Literaturangaben)

Literatur

  • Bruce MacComiskey: Gorgias and the new sophistic rhetoric. Southern Illinois University Press, Carbondale (Illinois) 2002, ISBN 0-8093-2397-4
  • Giuseppe Mazzara: Gorgia. La retorica del verosimile. Academia-Verlag, St. Augustin 1999, ISBN 3-89665-057-2
  • Thomas Paulsen: Gorgias von Leontinoi. In: Bernhard Zimmermann (Hrsg.): Handbuch der griechischen Literatur der Antike, Band 1: Die Literatur der archaischen und klassischen Zeit. C. H. Beck, München 2011, ISBN 978-3-406-57673-7, S. 428–432

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