- Graue Literatur
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Als Graue Literatur (englisch fugitive literature[1], grey literature oder auch gray literature) bezeichnet man in der Bibliothekswissenschaft Bücher und andere Publikationen, die nicht über den Buchhandel vertrieben werden. Diese Veröffentlichungen werden häufig von Vereinen, Organisationen oder ähnlichem herausgegeben. Sie werden in der Deutschen Nationalbibliografie, Reihe B, veröffentlicht.
Auch ein Großteil wissenschaftlicher Arbeiten bleibt unveröffentlicht und ist nur direkt über die entsprechenden Institute erhältlich. Gründe dafür können sein, dass wissenschaftstheoretische Mindestanforderungen (z. B. die statistische Signifikanz) nicht erreicht werden oder dass die Inhalte der Arbeit ideologischen Vorstellungen widersprechen und zensiert werden. Auch in der DDR seien laut Meinung einiger Autoren wissenschaftliche Texte zensiert worden: „Interessanterweise hatte die Graue Literatur in der ehemaligen DDR als nicht zensierte Literatur meist einen höheren wissenschaftlichen Wert als die offizielle, staatlich kontrollierte Literatur.“ [2]
Inhaltsverzeichnis
Wichtigkeit von Grauer Literatur in der Forschung
Will man sich einen Überblick über den Stand der Forschung zu einem Themenbereich verschaffen, bedient man sich häufig sogenannter Metaanalysen und Überblicksarbeiten (Reviews). Bei Metaanalysen werden mehrere Statistiken mit kleineren Stichproben zu einer großen Stichprobe zusammengefasst und über deren Ergebnisse ein Mittelwert gebildet. Bei Überblicksarbeiten werden mehrere Forschungsarbeiten zu einem Thema zusammengefasst. Hier werden die Arbeiten allerdings nicht statistisch verarbeitet, sondern inhaltlich zueinander in Beziehung gesetzt und diskutiert.
Werden allerdings in Metaanalysen und Überblicksarbeiten nur veröffentlichte Arbeiten einbezogen, könnten irrtümlicherweise die wissenschaftlichen Ergebnisse zu einem Themenbereich übereinstimmender erscheinen als sie tatsächlich sind. Im Extremfall könnten nicht existierende Unterschiede zwischen Gruppen oder beobachtete Zusammenhänge nur durch Zufall beobachtet worden sein, während Untersuchungen, in denen nichts dergleichen beobachtet werden konnte, niemals veröffentlicht wurden. Durch die Wahrscheinlichkeitstheorie, also durch Zufall erklärbare Beobachtungen würden dann fälschlicherweise ursächlich (kausal) erklärt oder zumindest als tatsächlich nicht zufällig beschrieben. Wenn einige unpopuläre Meinungen durch Zensur nicht zu Wort kommen entsteht fälschlicherweise der Eindruck von Einhelligkeit, da Meinungsverschiedenheiten nicht berücksichtigt werden.
Dieser falsche Eindruck wird als Publikationsbias bezeichnet. Um einem möglichen Publikationsbias entgegenzuwirken, sollten unveröffentlichte Arbeiten mit einbezogen werden. „Das Ergebnis einer Metaanalyse ist selbstverständlich von der Auswahl der einbezogenen Primäruntersuchungen abhängig“. [1] Dasselbe gilt selbstverständlich auch für Überblicksarbeiten (Reviews).
Beschaffungsprobleme von Grauer Literatur
Das Problem an Graue Literatur heranzukommen behandelt M.C. Rosenthal.[3] [1]
Beispiele für Graue Literatur sind
- Programmhefte
- Tagungsberichte
- Institutsschriften
- Preprints
- Kataloge, Berichte und Pläne
- Fanzines
- Flugblätter
- Gelegenheitsschriften
- Websites
- (noch) nicht veröffentlichte Doktorarbeiten, Seminararbeiten, Diplomarbeiten und andere Texte aus dem universitären Umfeld, die direkt oder über andere Vertriebskanäle an ihre Zielgruppe gelangen.
- Samisdat, nicht systemkonforme Literatur in der UdSSR und später auch in anderen realsozialistischen Staaten, die handschriftlich, abgetippt oder fotokopiert vervielfältigt und auf nichtoffiziellen Kanälen weitergegeben wurde
Weblinks
- Grey Literature Network Service
- WHOIS in the field of Grey Literature
- A Selection of Web-based Resources in Grey Literature
- OpenSIGLE, System for Information on Grey Literature in Europe
Einzelnachweise
- ↑ a b c Jürgen Bortz, Nicola Dörung: Forschungsmethoden und Evaluation. Springer Verlag, Heidelberg 2006, S. 674 (Eingeschränkte Vorschau in der Google Buchsuche).
- ↑ Jürgen Bortz, Nicola Dörung: Forschungsmethoden und Evaluation. Springer Verlag, Heidelberg 2006, S. 360 (Eingeschränkte Vorschau in der Google Buchsuche).
- ↑ MaryLu C. Rosenthal: The Fugitive Literature. In: H. Cooper, L. V. Hedges (Hrsg.): The Handbook of Research Synthesis. 1994, S. 85–94.
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